„Weh tat nur das Nähen“
Der blutende Held: Dieter Hoeneß, heute Manager von Hertha BSC, erinnert sich an seinen Turban und den Pokalsieg 1982 mit seinem FC Bayern gegen den Club.
MÜNCHEN War ja gar nicht schlimm. Sagt er heute. „Was wirklich weh tat, das war das Nähen in der Halbzeit“, erinnert sich Dieter Hoeneß, „sonst habe ich das gar nicht gemerkt.“ Das mit dem Turban. Das mit dem Blut.
Heute treffen die Bayern im Pokal auf den 1. FC Nürnberg (20.30 Uhr, ARD live), aber es muss schon viel passieren, damit es so unvergesslich wird wie dieses Pokalfinale damals gegen Nürnberg – das vielleicht ein ganz fader Kick geworden wäre, wenn sich Hoeneß gleich hätte auswechseln lassen. Doch so wurde das 4:2 der Bayern eines der wunderbarsten Pokalspiele aller Zeiten. Mit Hoeneß, dem Turban-Dieter.
1982 war das, die Endspiele wurden damals noch nicht in West-Berlin ausgetragen, sondern immer an anderen Orten. Im Finalort Frankfurt hieß die Arena noch Waldstadion, die kurzen Hosen der Spieler waren noch viel kürzer als heute, und es gab wie an diesem 1. Mai noch Spiele mit Blut, Schweiß und Tränen. Heute gibt es nur noch Schweiß und Tränen, weil die Spieler schon mit kleinen Wunden vom Schiedsrichter vom Platz geschickt werden.
Deswegen taugt das Spiel auch noch gut zur Legendenbildung und zur Verklärung, dass früher halt noch echte Kerls kickten.
Rot färbte sich der Rasen schon nach 13 Minuten ein. Dank Dieter Hoeneß und seinem Gegenspieler Alois Reinhardt. Bei einer Flanke waren beide hochgesprungen, aber statt dem Ball hatten sie den Kopf des anderen getroffen. „Wir lagen blutüberströmt am Boden“, erzählt Reinhardt, „nur dass ich dann nicht so einen schönen Turban wie der Dieter bekommen habe. Mich haben sie nur getuckert.“
Weil Reinhardt, wenn er spricht, seine mittelfränkische Herkunft nicht verleugnen kann, hört sich das an wie „gedaggert“.
Hoeneß dagegen bekam einen optisch wenig vorteilhaften, aber zweckmäßigen Kopfverband, doch bevor sie seinen Schädel in der Pause wieder zusammennähten, setzte es die ersten Nürnberger Nadelstiche. Reinhold Hintermaier mit einem Gewaltschuss aus 35 Metern und Werner Dreßel mit einem schönen Solo, zur Halbzeit lagen die Bayern erst einmal nullzwo hinten.
Doch gerade Dieters Bruder Uli ahnte schon, wie wichtig Dieter noch werden sollte. „Du darfst Dich jetzt nicht auswechseln lassen“, sagte der Manager, wobei Dieter Hoeneß das auch gar nicht vorhatte: „Warum hätte ich raus sollen“, sagt er heute, „ich wollte weiterspielen, weil ich immer an die Wende geglaubt habe.“ Und die kam dann auch. Mit den Toren von Kalle Rummenigge neun Minuten nach dem Wechsel, Bernd Kraus nach 65 Minuten. Zwei Tore dank schönen Vorlagen von Dieter Hoeneß. Natürlich per Kopf. Dann das Elfertor von Paul Breitner, und am Schluss, eine Minute vor Schluss noch einmal mit Turban-Dieter. Hoch in die Luft, der Verband längst wieder blutverschmiert, köpfte er den 4:2-Endstand.
Für Dieter Hoeneß, den heutigen Hertha-Manager, gab es in seiner Karriere kein Spiel, auf das er öfters angesprochen wurde. „Der Dieter Kürten hat das im Fernsehen damals sehr dramatisch dargestellt“, sagt Hoeneß, „dabei war es ja nicht gefährlich. Und außerdem war so viel Adrenalin in meinem Körper, dass ich gar keine Schmerzen empfand. So spektakulär das aussah, ich will das gar nicht überhöhen.“ Dabei muss man das. Wenn man solche Spiele nicht mehr überhöhen kann, welche dann?
Florian Kinast