Wegen Neuer: FC Bayern holt Terror-Experten

Bei Bayern brodelt es. Den Konflikt um Neuer & Hoeneß soll ein Runder Tisch lösen. Moderieren wird ihn einer, der schon für die GSG9 arbeitete und mit der RAF verhandelte.
von  Interview: Christoph Landsgesell

Bei Bayern brodelt es zwischen Bossen und Fans. Den Konflikt um Neuer & Hoeneß soll ein Runder Tisch lösen. Moderieren wird ihn einer, der schon für die GSG9 arbeitete und mit der RAF verhandelte.

AZ: Herr Professor Salewski, Sie werden am 2. Juli den Runden Tisch des FC Bayern moderieren, an dem Fans, Vorstand und Spieler teilnehmen. Es brodelt zwischen Anhängern und Verein. Die Fans protestierten gegen die Verpflichtung von Manuel Neuer. Präsident Uli Hoeneß wurde wegen der Rettung des TSV 1860 als Lügner beschimpft. Wie haben Sie diese Angriffe wahrgenommen?

WOLFGANG SALEWSKI: Ich war damals gegen Gladbach im Stadion. Das war heftig, aber so etwas kommt schon mal vor. Konflikte haben immer zwei Seiten: eine unangenehme und eine Chance für Veränderung. Ich sehe es immer mit dem zweiten Auge.

Sie haben in Krisen und Konfliktfragen die Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl beraten, haben bei der Entführung der „Landshut“ nach Mogadischu durch die RAF vermittelt, haben als Psychologe unter anderem die Anti-Terror-Einheit GSG 9 betreut. Jetzt vermitteln Sie zwischen einem Fußballverein und Fans, die gegen den Vorstand Plakate pinseln. Sind Sie dafür nicht erheblich überqualifiziert?


Das sehe ich gelassen. Ich habe viel Erfahrung, wie man in schwierigen Situationen miteinander umgeht und bin ja nur der Moderator. Ich werde sehen, dass es eine gute Aussprache gibt und dass am Ende Vereinbarungen getroffen werden, wie es in Zukunft miteinander weitergeht. Dazu kann man nicht überqualifiziert sein.

Sind Sie Fan des FC Bayern?

Ich bin bisweilen im Stadion und habe ein langes, gutes Verhältnis zum FC Bayern und den Fans.

Hatten Sie zu den Bayern-Ultras schon Kontakt?

Ich habe sehr viele Gespräche geführt, um den Runden Tisch vorzubereiten, auch mit Fans.

Was für einen Eindruck haben Sie von der „Schickeria“, von der viele provokante Fan-Aktionen ausgehen?


Eine Gruppe, die ein bisschen aus einer Protestbewegung heraus im Stadion unterwegs ist. Man kann sehr gut mit ihnen reden, ausgesprochen gute Gespräche führen. Sie haben ein paar Ideen, bei denen ich sage: „Okay, das muss ausdiskutiert werden.“ Alles, was sie sich vorstellen, wird in einem Stadion nicht möglich sein. Aber darüber muss man reden. Wir werden am Schluss des Gespräches sagen: „So, das haben wir vereinbart und so wollen wir weiter miteinander gehen.“ Es wird sicherlich nicht in jedem Punkt Einigkeit erzielt werden. Das wäre ja auch absurd.

 




Sind Ultras so gefährlich wie Terroristen?

Nein, um Gottes Willen, das ist überhaupt kein Vergleich. Die Ultras haben eine Ausrichtung, die extremer ist als bei anderen Fußballfans. Sie sprechen ja selber von ihrem Wertesystem. Ich würde sie aber nie mit Terroristen
vergleichen.

Mit denen Sie ja zu tun hatten. Sie hatten schon schwierigere Konflikte zu lösen als diesen. Immerhin haben Sie 66 Geiselnahmen gelöst.


Es waren 67. Jede Situation ist neu, jede Situation ist anders. Man muss sich intensiv hineinarbeiten. natürlich kommt mir zugute, dass ich sehr viel Erfahrung habe. Jetzt stelle ich mich wieder neu darauf ein, weil sich die Dinge weiterentwickelt haben. In den vergangenen Wochen habe ich intensiv gearbeitet, habe herausbekommen, was die Leute bewegt, was sie wollen, was sie nicht wollen. Jetzt suche ich einen Weg, wie man das offen, fair und gut ausdiskutieren kann. Mit dem Ziel, dass am Schluss Vereinbarungen rauskommen. Es ist ja immer wichtig, dass man sich in die Augen schaut und sagt: „So soll es weitergehen.“

Wurden Sie auch ausgewählt, weil Sie sich gut in verschiedene Parteien – ob Terroristen oder Fußballfans – hineinfühlen können? Was dem Vorstand des FC Bayern nicht so leicht fallen dürfte.

Das ist das, was ich studiert und gelernt habe: dass ich versuche, zu ergründen, warum Menschen das tun, was sie tun. Dass das nicht die Aufgabe eines Vorstandes ist, versteht sich. Ich kann Brücken bauen, oder helfen, dass das in einer offenen Atmosphäre ausdiskutiert wird. Ich beschäftige mich sehr stark mit der Motivation der Leute.

Wie könnte eine Vereinbarung aussehen?

Es gibt ein paar konkrete Wünsche, die die Fans haben. Es geht um die Fankurve
und deren Gestaltung, die Größe der Kurve, da gibt es viele gute Ideen, auch von Seiten der Fans. Wir werden das in einem Rahmen von Gesetzen und Vorschriften machen, die auch die Fans akzeptieren müssen. Man kann in einer Kurve nur eine bestimmte Anzahl von Leuten unterbringen, sonst wird das Risiko zu groß, dass es zu Panik oder Verletzungen kommt. Aber das Ganze müssen sie mit den Fans machen – ohne die Fans geht es nicht. Das zweite Thema ist die Meinungsfreiheit, also die Frage: Kann jeder sagen, was er denkt und will und verletzt er damit die Rechte anderer?

Sie meinen Plakate wie „Blaue Schweine schlachtet man und rettet sie nicht. Und du willst Metzger sein, Uli?

Auch das müssen wir offen diskutieren. Die Frage der Spielerkäufe und wie das in Zukunft geregelt wird, ist ein weiteres Thema, und welche Rolle Verein und Fans dabei haben.

 




Haben Sie mit den Attackierten gesprochen, also Manuel Neuer und Uli Hoeneß?


Bei Manuel Neuer hatte ich noch keine Gelegenheit dazu. Mit Uli Hoeneß habe ich mich mehrmals und sehr ausführlich unterhalten, wir kennen uns schon sehr lange.

Hoeneß ist kein ausgewiesener Diplomat. Was haben Sie für einen Eindruck von ihm?

Der Verein und Hoeneß möchten auf die Fans zugehen, dafür machen sie diesen Runden Tisch. Das sehen alle so.

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