Watschn am Rhein 1978: Die höchste Auswärtsniederlage der Bayern

1978 plant Gyula Lóránt gegen Düsseldorf eine taktische Revolution – und geht damit komplett baden. Das 1:7, die höchste Auswärtspleite der FC-Bayern-Geschichte, kostet den Ungarn sogar den Job.
von  Patrick Strasser
Bayern-Keeper Sepp Maier versteht die Welt nicht mehr.
Bayern-Keeper Sepp Maier versteht die Welt nicht mehr. © imago

München - Am Ostersamstag hätte ein Heimspiel der Bayern gegen Fortuna Düsseldorf stattgefunden. Hätte, hätte, Infiziertenkette. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie setzt die Bundesliga bis mindestens Anfang Mai aus. Zeit für Rückblicke und Erinnerungen. An gute wie an schlechte Zeiten der Bayern.

Etwa an die höchste Auswärtsniederlage in ihrer Bundesliga-Historie. Von den Top-10 der dicksten Packungen fanden acht (!) in den 70er Jahren statt. Die zwei 0:6-Pleiten bei Kickers Offenbach (August 1974) und Eintracht Frankfurt (November 1975) wurden getoppt von einem 1:7 am 9. Dezember 1978 bei Fortuna Düsseldorf. Eine Sternstunde in der Historie des Lieblingsklubs der "Toten Hosen", der jedoch damals nur 26.000 Zuschauer im alten Rheinstadion beiwohnten.

Gyula Lóránts Revolutionäre Viererkette

Dabei war die Partie etwas für Taktik-Liebhaber. Denn Bayern-Trainer Gyula Lóránt riskierte mit seiner Abwehr Revolutionäres: eine Art Viererkette – die damals noch gar nicht erfunden war. Alle spielten mit Libero. Und ausgerechnet der Gott aller Liberos, Kaiser Franz Beckenbauer, hatte die Münchner im Sommer 1977 in Richtung USA zu Cosmos New York verlassen. Auf verlassenem Posten in Düsseldorf: Katsche Schwarzenbeck, Klaus Augenthaler, Udo Horsmann und Martin Jol.

Das Drama der Bayern beginnt 23 Sekunden nach Anpfiff: Weltmeister Sepp Maier schlägt den Ball nicht weit genug raus, die Kugel kommt zu Klaus Allofs, der links am regungslosen Maier vorbei vollstreckt. Nach einer feinen Einzelaktion von Linksaußen Norbert Janzon verwandelt Augenthaler per eingesprungener Grätsche zum 1:1 (22.). Die Wende? Es sollte der Ehrentreffer bleiben. Vor der Pause erhöht erneut Allofs (24.) gegen die völlig passiven Bayern-Stars – 2:1.

Niederlage der Bayern: "Das kann niemand erklären"

Kurz vor Anpfiff der zweiten Hälfte, als die Mannschaften gerade wieder den Platz betreten, aktiviert sich die Sprinkleranlage. Spieler wie Schiedsrichter lachen sich schlapp, die Verantwortlichen sind verblüfft. Der Stadionsprecher klärt auf: "Liebe Zuschauer, das soll hier kein Gag sein. Auf die überraschende Witterung – es ist viel zu warm für diese Jahreszeit – hat unsere Automatik reagiert. Das wird sofort abgestellt."

Bayern-Keeper Sepp Maier versteht die Welt nicht mehr.
Bayern-Keeper Sepp Maier versteht die Welt nicht mehr. © imago

In der nun aufgeweichten Spielhälfte fangen sich die Bayern, angetreten mit Weltstars wie Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge, noch fünf Dinger: Wolfgang Seel (51./58.), Gerd Zimmermann (65.) und Emanuel Günther (74./86.) erhöhen auf 7:1. Weil die Lorant’sche Abseitsfalle nicht funktioniert, tauchen die Fortuna-Stürmer alleine vor Maier auf. Der fühlt sich bei der Watschn am Rhein wie im falschen Film.

Bayern dominiert, hat mehr Ballbesitz, wird jedoch gnadenlos ausgekontert. "Bayern war die bessere Mannschaft, aber wir haben haushoch gewonnen. Das kann niemand erklären", freut sich Fortuna-Stürmer Seel über den Münchner Hühner-, besser: Hendlhaufen.

Höchste Auswärtsniederlage der Bayern

"Die haben auf eine merkwürdige Art auf Abseits gespielt", feixt Seel, "da sind wir im wahrsten Sinne des Wortes laufend in ihre Hälfte reingelaufen." Und die Bayern ins offene Messer der Gastgeber. Mit "Servus! Servus!"-Sprechchören begleiten die Fans der Rheinländer die Gäste in die Kabine. Der kauzige Ungar Lóránt wird nach der Partie entlassen und durch seinen Assistenten Pál Csernai ersetzt.

"Ein bisschen stolz macht es einen schon, dass wir an der höchsten Auswärtsniederlage der Bayern maßgeblich beteiligt waren", sagt Seel. Die Fortuna mit Trainer Hans-Dieter Tippenhauer verdrängt Bayern auf Tabellenrang fünf, ist selbst Vierter und rangiert am Saisonende auf Platz sieben.

Die Münchner schließen das Spieljahr als Vierter ab. Eine verkorkste Saison.

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