Was hat Martínez wirklich drauf?
MÜNCHEN Als Arjen Robben vor drei Jahren zum FC Bayern wechselte, drängte die Zeit auch. Das Ende der Transferfrist rückte näher und näher. Am 28. August war jedoch alles klar, der Holländer unterschrieb seinen Vertrag an der Säbener Straße. Kunststück – werden sich die Verantwortlichen denken. Schließlich wollte Real Madrid den Rechtsaußen abgeben. Und kassierte 28 Millionen Euro.
Für Javi Martínez würden die Bayern noch 12 Millionen Euro mehr bezahlen. Doch Athletic Bilbao sträubt sich. Das Gesicht des „No”: Athletic-Präsident Josu Urrutia. Am Dienstag sagte er in der spanischen Sporttageszeitung „Marca”: „Wir steigen nicht in die Verhandlungen ein, wir sprechen lediglich mit dem Spieler. Wir haben ihm vermittelt, wie wichtig er für uns ist und dass wir hoffen, dass er zeigt, was für ein guter Spieler er ist. Es gibt nichts zu verhandeln, denn die Dinge liegen klar auf dem Tisch.”
Kein Auflösungsvertrag, keine Einigung über die Art und Weise wie die Ablösesumme bezahlt wird – kein Flug nach München. Ein Verein wartet auf seinen teuersten Neuzugang aller Zeiten. Und bevor Martínez seinen Fuß auf bayerischen Boden gesetzt hat, ist bereits ein Streit über sein wahres Können entbrannt. Die Kernfrage: Was hat dieser 23-Jährige wirklich drauf?
Die Fakten: Martínez ist kein Stammspieler in der spanischen Nationalelf – was angesichts der Mittelfeld-Konkurrenz mit Xavi, Iniesta und Busquets auch nicht so einfach ist. Er hat noch kein Champions-League-Spiel bestritten, er erreichte mit seinem Verein letzte Saison das Finale der Europa League, dort verlor Bilbao gegen Atletico Madrid mit 0:3. In Spanien bescheinigt man dem Defensiv-Allrounder mit 200 Einsätzen in der Primera Division (21 Tore) eine große Zukunft, angeblich war auch der FC Barcelona interessiert. Zudem mischt Manchester City im Transferpoker mit. Doch ist er mehr wert als etwa Stürmer Robin van Persie, der kürzlich für 31 Millionen Euro vom FC Arsenal zu Manchester United wechselte?
Die Debatte um sein Können eilt ihm voraus. In „Blickpunkt Sport” des „BFS” meinte Bayerns Markenbotschafter Paul Breitner: „Für mich ist mit Ausnahme von Messi, Xavi und Iniesta kein Spieler 40 Millionen Euro wert. Aber: Er ist ein Spieler, den ich seit drei, vier Jahren sehr intensiv kenne. Dazu kommt: Die Position des Sechsers ist für mich neben dem Torwart die wichtigste auf dem Feld. Und wenn ich hinter Xavi und Iniesta den Besten haben will und der spielt eben in Bilbao – dann musst du zugreifen.”
Koste er, was er wolle. „Wenn Bayern so viel Geld ausgibt, muss auch wirklich was dahinter sein”, meinte Ex-Bayern-Trainer Udo Lattek. Der 77-Jährige warnt: „Er weiß nicht, was auf ihn zukommt. Das ist ein großes Risiko. Man muss abwarten, wie die Mannschaft ihn annimmt, ob sie ihn akzeptiert. Der wird erst getestet, ob er wirklich was kann. Ob er einen Doppelpass spielen, ob er einen Ball stoppen kann”, sagte Lattek, „er wird ganz schnell durch die Dusche gehen. Und wenn er wieder rauskommt und sich abgetrocknet hat, wird man sagen können: Das ist einer, der was werden kann.”
Bis es so weit ist, müssen sich die Bayern-Verantwortlichen mit verschiedensten Meinungen herumärgern. Von Thomas Berthold über Lothar Matthäus, Stefan Effenberg bis hin zu Bernd Schuster. Der Spanien-Experte meinte bei „Sport1”: „Er ist ein Spieler, der bei Bayern ohne Probleme reinpasst und seinen Weg machen kann, aber mit der Last der 40 Millionen Euro muss man zurechtkommen. Wenn wir jetzt von fünf oder zehn Millionen reden würden, dann könnten wir uns das sparen und würden uns auf einen hervorragenden, jungen, talentierten Spieler freuen, der auch taktisch sehr geschickt ist und mit Sicherheit bei Bayern spielen kann. Aber diese Summe ist natürlich gnadenlos!”
Viel Skepsis, eine Prise Polemik – da wird es Hoeneß & Co. freuen, dass ihnen einer schon vorab zum Transfer-Coup gratuliert: Oliver Bierhoff. „Man hört nur Gutes über ihn. Ich finde es klasse, dass die Bayern mal nicht einen Ausläufer kaufen, einen 32-Jährigen, der bei anderen Top-Vereinen nicht mehr gebraucht wird, sondern einen Spieler, der noch eine große Zukunft vor sich hat.”
Bis Freitag, 12 Uhr, müssen die letzten Neuzugänge auf der Transferliste stehen, bis 18 Uhr alle Unterlagen der DFL vorliegen.