Warum Gündogan ein Müller-Comeback in der Nationalelf wohl verhindert
München/Manchester - Gegensätzlicher könnten zwei Protagonisten des Fußballgeschäfts gar nicht sein: Hier der Kopfmensch Pep Guardiola, der Perfektionist, der am liebsten alles bis ins letzte Detail plant.
Dort der Bauchmensch Thomas Müller, der Fußball-Improvisator und -freigeist, der seine Gegner mit seiner unorthodoxen Art vor immer neue Rätsel stellt. Kein Wunder, dass in Guardiolas Zeit in München (2013-2016) nicht gerade eine Liebesbeziehung zwischen den beiden entstand. "Pep war schon so ein bisschen in seiner eigenen Welt", sagte Müller mal rückblickend über seinen taktikversessenen Ex-Coach, den er speziell in großen Spielen als "zu verkopft" empfand.
Gündogan ist als ManCitys Zehner überragend
Umgekehrt war Müller für Guardiola auf dem Platz einfach zu unberechenbar. Ilkay Gündogan entspricht da schon viel mehr dem Idealbild des perfekten Pep-Spielers. "Es ist unglaublich, wie gut er ist. Er ist außergewöhnlich, eine der besten Verpflichtungen der Klubgeschichte", sagte Guardiola über den 30-Jährigen, den er 2016 für 27 Millionen Euro von Borussia Dortmund zu City lotste.
Der ist im Mittelfeld variabel einsetzbar und erfüllt die Vorgaben seines Trainers tadellos - egal, wo er spielt. Zuletzt zog ihn Guardiola von der Sechs vor auf die Zehnerposition. Und diese Idee ging voll auf, denn in der offensiven Zentrale agiert Gündogan seit Wochen überragend.
Dank seiner neuen Rolle entwickelt der Mittelfeldstratege plötzlich ungekannte Torjägerqualitäten. In der englischen Liga erzielte er bereits elf Treffer und führt damit die teaminterne Torschützenliste an.
"Im Moment läuft es ganz gut für mich", sagte der Nationalspieler, der in der Premier League nun als dritter deutscher Profi nach Jürgen Klinsmann (August/1994) und Leroy Sané (Oktober/2017) zum Spieler des Monats gewählt wurde. Sané, der im Sommer von City nach München wechselte, feierte seinen ehemaligen Mitspieler bei Instagram als "Gündooogoal".
Wird sich Bundestrainer Löw erneut an Guardiolas Taktikfinesse bedienen?
Im Herbst kämpfte Gündogan noch mit den Folgen seiner Corona-Erkrankung. Aktuell befindet er sich nun in der der Form seines Lebens - auch dank Guardiolas taktischem Kniff. Zumindest indirekt wirkt sich der auch auf Müller auf. Denn seine mögliche Rückkehr in die Nationalelf wird mit jedem Galaauftritt, den Gündogan auf seiner Position hinlegt, unwahrscheinlicher.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Bundestrainer Joachim Löw an Guardiolas Taktikfinesse (falsche Neun und Co.) bedient und möglicherweise auch bei der im Sommer geplanten EM im offensiven Mittelfeld auf Gündogan vertraut. Auf der Sechs sind wohl ohnehin Toni Kroos und Joshua Kimmich gesetzt, die dann hinter ihm spielen könnten. "Natürlich strebe ich für die EM einen Stammplatz an", sagt Gündogan, "egal in welchem System."
In seiner aktuellen Verfassung wird Löw kaum an ihm vorbeikommen - und wohl auch deshalb weiterhin keinen Platz für Müller übrig haben. Mit überzeugendenden Leistungen kann und will Gündogan jedenfalls weiterhin Argumente für sich sammeln. Für ihn gilt es nun, die überragenden Eindrücke, die er in der Premier League hinterlassen hat, auch in der Champions League, wo er ebenfalls schon zwei Mal traf, zu bestätigen. Im Achtelfinalhinspiel trifft er dort in Budapest mit seinem Klub auf Borussia Mönchengladbach.
Gündogans Motor laufe derzeit "richtig auf Hochtouren"
"Gladbach ist immer gefährlich. An einem guten Tag können sie jeden Gegner schlagen", sagte Gündogan vor dem Duell und erinnerte auch an den 3:2-Sieg Anfang des Jahres gegen den FC Bayern. Aber auch die Borussia wird gehörigen Respekt vor City und speziell vor Gündogan haben. Eine Erklärung für seine persönliche Leistungsexplosion hat der nicht wirklich. "Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich weiß es nicht", sagte er: "Ich habe jetzt eine andere Rolle. Ich komme mehr Richtung Tor." Sein Motor laufe derzeit eben einfach "richtig auf Hochtouren".
Zu mittlerweile bereits 18 (!) Pflichtspielsiegen in Serie hat er City damit angetrieben, die eng mit seiner Hochform verbunden sind. In der Premier League steuert ManCity damit souverän auf die Meisterschaft zu und gehört auch in der Champions League zu den heißesten Titelkandidaten.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sagte: "Das Momentum würde für Manchester City sprechen." Und ein möglicher Champions-League-Sieg in jedem Fall auch für Gündogan sowie nicht zuletzt Guardiola. Ob der Königsklassentraum am Ende wahr wird, darüber werden mal wieder die nun anstehenden großen Spiele entscheiden. Und deren Ausgang mit Sicherheit sowohl der Kopf als auch der Bauch.