Vorsprung aufgebraucht!

Der FC Bayern, in der Winterpause schon gefühlter Triple-Gewinner, verspielt mit der Gladbach-Pleite Vorsprung und Selbstbewusstsein. Die Titelrivalen triumphieren derweil alle.
von  Filippo Cataldo

Der FC Bayern, in der Winterpause schon gefühlter Triple-Gewinner, verspielt mit der Gladbach-Pleite Vorsprung und Selbstbewusstsein. Die Titelrivalen üben sich jedoch in kollektivem Understatement.

MÜNCHEN - Für die bemerkenswertesten Sätze des Rückrundenauftakts haben Horst Heldt und Thomas Müller gesorgt. „Träumen ist schön, es ist nur wichtig, dass es keine feuchten Träume sind”, sagte Schalkes Manager nach dem leicht und lockeren 3:1 seines Klubs gegen Stuttgart. Ein Spiel, das Schalke, auch wenn Heldt es nicht zugeben wollte, endgültig zum Titelanwärter machte. „Wir sind extrem beschissen gestartet, dann war es okay, dann wieder beschissen, dann waren wir bemüht und am Ende war es wieder beschissen”, sagte dagegen Thomas Müller nach dem 1:3 gegen Mönchengladbach.

Ein Spieltag nur hat genügt, um die Bayern, die ihre Wintervorbereitung im Hochgefühl des baldigen Triple-Gewinners verbracht haben, auf den Hosenboden zu holen. Während Bayern patzte, feierte nämlich die unmittelbare Konkurrenz. Am Sonntag triumphierte auch Dortmund mit 5:1 beim HSV. „Wir haben nie behauptet, dass die Bundesliga ein Selbstläufer wird”, sagte Sportchef Christian Nerliner. Nun wird es aber vielleicht doch etwas schwieriger als gedacht. Der Vorsprung in der Bundesliga ist jedenfalls nach nur einem Spiel in der Rückrunde dahin, am 18. Spieltag beginnt der Titelkampf quasi von vorn. Schalke und Dortmund sind punktgleich, Gladbach folgt mit nur einem Zähler Rückstand. Die Mächte im Westen jagen Bayern.




FC BAYERN (Tabellenplatz 1, 18 Spiele, 44:13 Tore, 37 Punkte):
Das einzig Gute aus Münchner Sicht ist nach der keineswegs unverdienten Auftaktpleite in Gladbach: Bayern bleibt Tabellenführer. Anders als nach der Pleite beim Hinrundenauftakt müssen sie also keinen Rückstand aufholen. Dennoch bleibt nach der zweiten Saisonniederlage gegen Gladbach, schon der fünften insgesamt, die Erkenntnis: „Wir sind nicht da, wo wir sein wollen”, wie Arjen Robben sagte. Tatsächlich agierten die Münchner am Niederrhein ohne Tempo, ohne Ideen, dafür mit zahlreichen Ballverlusten. „Wir haben gesehen, dass wir noch etwas tun müssen”, erkannte auch Bastian Schweinsteiger.

Um demonstrative Gelassenheit bemühte sich dagegen Sportchef Christian Nerlinger: „Das ist der erste Spieltag der Rückrunde und ich weiß noch ganz genau die Debatten, die nach dem ersten Spieltag der Vorrunde losgegangen sind. Da wurde auch jegliche Sau durchs Dorf getrieben und das wird jetzt wieder passieren. Dann werden wir die sportliche Antwort genauso wie auch in der Vorrunde geben.”




BORUSSIA DORTMUND (18 Spiele, 40:13 Tore, 37 Punkte): Es war eine wahrhaft meisterliche Gala, die Dortmund da in Hamburg abgeliefert hat. Mit 5:1 bezwangen sie den HSV
, ein Sieg, der auch in dieser Höhe verdient war. Die amtierenden Meister waren, sind und bleiben nach dem zwölften Spiel ohne Niederlage in Serie die schärfsten Konkurrenten der Bayern – und unterstrichen das auch verbal. „Wir wollten heute auf 37 Punkte kommen. Und das haben wir eindrucksvoll geschafft. Wir spielen unseren Fußball, und den haben die Jungs gnadenlos durchgezogen“, meinte Trainer Jürgen Klopp.


FC SCHALKE (18 Spiele, Tabellenplatz 2, 41:23 Tore, 37 Punkte): Die Lockerheit, die Bayern am Freitag abging, war bei Schalke am Samstag im Überfluss vorhanden. Das 3:1 gegen Stuttgart war bemerkenswert schön und scheinbar mühelos herausgespielt. Bei der Frage nach dem Titel drucksten hinterher aber Verantwortliche und Spieler herum. „Ich weiß, dass wir genauso viele Punkte wie Bayern haben”, sagte Trainer Huub Stevens nur, ehe er ergänzte: „Träumen ist schön.” Zum Bayern-Jäger wollte er sich nicht ausrufen. „Das machen die Medien", erklärte er später und ergänzte: „Wir sind realistisch. Wir werden auch wieder Spiele verlieren.” Und Jungstar Julian Draxler meinte: „Natürlich schaut man derzeit gerne auf die Tabelle, aber mehr ist das auch nicht.”




BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH (18 Spiele, Tabellenplatz 3, 28:12 Tore, 36 Punkte): Als Heynckes am Freitag seine erste Liebe Gladbach in einem Atemzug mit der Champions League nannte, bekam sein Gegenüber Lucien Favre einen Hustenanfall. „Die Borussia wird nächste Saison sicher international spielen, entweder in der Europa League oder in der Champions League”, sagte Heynckes. Tatsächlich war die Vorstellung der Gladbacher gegen Bayern mehr als nur beeindruckend. Angeführt von den überragenden Offensivkräften Marco Reus, Patrick Herrmann und Mike Hanke zeigten sie perfekt organisierten Konterfußball. Favre meinte dennoch: „Unser Ziel ist weiter, von Spiel zu Spiel zu denken und um jeden Punkt zu kämpfen.” Und Herrmann, mit zwei Treffern Matchwinner sagte: „Es ist ein bisschen früh”, um über den Titelkampf zu reden, „bis zum Ende der Saison kann doch noch so viel passieren.” Dies, freilich, gilt in jeder Beziehung. 

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