Von der Lachnummer zum Hoffnungsträger
HANNOVER Ihn hatte eigentlich niemand mehr auf der Rechnung. Doch plötzlich ist Jan Schlaudraff nicht mehr jene Persona non grata, die er noch vor ein paar Monaten war – sondern ein begehrter Stürmer, der beim Champions-League-Aspiranten Hannover 96 sogar auf eine Vertragsverlängerung hoffen darf. Einer, auf den der FC Bayern, sein ehemaliger Arbeitgeber und aktuell in der Krise, an diesem Samstag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) ernsthaft aufpassen muss.
Eigentlich ist beides kaum zu glauben: Hannover, die vermeintliche Mitläufertruppe, entpuppt sich als Favoritenschreck mit europäischen Ambitionen. Und Schlaudraff, den die 96-Fans seit seinem Wechsel vor drei Jahren von München nach Niedersachsen regelmäßig verhöhnt und verspottet hatten, steht plötzlich als Hoffnungsträger wieder ganz hoch im Kurs.
Dabei war Martin Kind, dem mächtigen Präsidenten von Hannover 96, in seiner Wut über eine recht lange Krankenakte und eine bescheidene Erfolgsbilanz im Vorjahr der Satz herausgerutscht, dass Schlaudraff nie mehr für seinen Verein spielen dürfe. Und 96-Trainer Mirko Slomka hatte den Spieler, der bei der täglichen Arbeit nicht immer den allergrößten Elan zeigte, mehrfach auf die Tribüne verbannt oder in das Amateurteam strafversetzt. Aber Schlaudraff, dessen zierlicher Körper angesichts der hohen Belastung in der Bundesliga häufig streikt, hat sich davon nicht entmutigen lassen. „Ich bin stolz, dass ich die Kurve so gekriegt habe”, sagt der 27-Jährige, der sich nach seinem steilen Aufstieg zum Nationalspieler zunächst nicht wie erhofft im Rampenlicht behaupten konnte, der beim FC Bayern kläglich scheiterte. „Aber ich spiele jetzt seit anderthalb Jahren ohne große Probleme. Das tut mir gut. Und es geht noch mehr”, glaubt er.
Es wäre eine dieser typischen Geschichten, für die eine völlig verrückte Saison auch noch sorgen könnte – dass nämlich ausgerechnet Schlaudraff, im Sommer 2008 für rund zwei Millionen Euro nach Hannover abgeschoben, den FC Bayern ins Mark trifft. „Ich hätte nichts dagegen”, sagte 96-Coach Slomka nach seinem Abschlusstraining, in dem er Schlaudraff immer wieder Freistöße üben ließ.
Die jüngsten Tore des eleganten Technikers haben bewiesen, dass dieser Mann immer noch viel Gefühl im Fuß hat. Und er ist einer der wenigen Spieler im soliden 96-Ensemble, der für die genialen Momente in Frage kommt. „Es gibt nur wenige in der Bundesliga mit solchen Fähigkeiten”, sagt Slomka über Schlaudraff und darf für sich in Anspruch nehmen, das Gute aus einem lange schlechten Spieler wieder herausgekitzelt zu haben.
Einen Mangel an Einstellung und Fitness hatte Slomka ihm bei seinem Amtsantritt bescheinigt und ihm nahegelegt, sich trotz eines bis 2012 gültigen Vertrages einen neuen Verein zu suchen. Seitdem aber Hannovers Torjäger Didier Ya Konan verletzt fehlt und sich Schlaudraff voller Elan einbringt, bilden der Trainer und Stürmer eine erfolgreiche Zweckgemeinschaft. Und während sich viele 96-Profis vor dem Bayern-Spiel bedeckt halten, gibt es von Schlaudraff mutige Töne. Er hält es für möglich, die Bayern zu schlagen, „mit dem nötigen Quäntchen Glück”.