Vom Schockverliebten zum Schockierten: Verliert Tuchel mit seiner Art die FC-Bayern-Kabine?
München - Thomas Tuchel ist ein Mann der klaren Worte. Das dürfte spätestens nach der 0:3-Pleite im Supercup gegen RB Leipzig nicht nur seinen Spielern bekannt sein.
"Die Diskrepanz zwischen der Verfassung, der Form und Stimmung, mit der wir anreisen, und dem, was wir auf den Platz bekommen, ist eklatant und riesengroß", polterte der 49-Jährige kurz nach der Niederlage los.
Thomas Tuchel entschuldigt sich bei Harry Kane wegen Mannschaftsleistung des FC Bayern
Mit noch weniger Gefallen dürften die meisten Bayern-Stars dann die Worte aufgenommen haben, die der ehemalige Coach des FC Chelsea an seinen neuen Stürmer-Star Harry Kane richtete: "Ich kann das nicht erklären. Es war in allen Bereichen zu wenig. Harry Kane? Der denkt bestimmt, wir hätten vier Wochen nicht trainiert. Das tut mir leid für ihn."
Selbst Ex-Bayern-Profi Lothar Matthäus zeigte sich gegenüber "Sky" irritiert von den Tuchel-Aussagen: "Ich bin sicher, dass das für Unverständnis und Kopfschütteln bei den Profis sorgt."

Die Stimmung zwischen Trainer und Team scheint angespannt zu sein. Und das, obwohl es nach Tuchels Amtsantritt im März noch so aussah, als würde sich eine echte Lovestory zwischen ihm und seinen Spielern entwickeln.
Trotz der herben Klatsche im Champions-League-Viertelfinale bei Manchester City, damals verloren die Münchner ebenfalls mit 0:3, stimmte der Trainer des deutschen Rekordmeisters eine Lobeshymne auf seine Mannschaft an.
Nach Klatsche gegen ManCity war Thomas Tuchel noch "schockverliebt"
"Ich weigere mich, die Leistung schlecht zu reden. Ich habe eine sehr gute Leistung gesehen. Ich bin sehr zufrieden", sagte Tuchel nach der Niederlage gegen die "Skyblues". Was folgte, war fast schon romantisch: "Ich habe mich heute schockverliebt. Das hat Spaß gemacht, zu coachen." Von Wolke sieben aus ging es für Tuchel aber schon knapp zwei Wochen später zurück auf den harten Boden der Tatsachen. Mit dem Kuschelkurs war es aus und vorbei.
Nachdem der FC Bayern am 29. Spieltag mit 1:3 in Mainz unterging und damit die Tabellenführung zwischenzeitlich aus der Hand gab, verpasste er seiner Mannschaft das erste Mal eine Verbal-Watschn. "Die Mannschaft wirkt, als hätte sie schon 80 Spiele gemacht", erklärte der 49-Jährige schockiert und prangerte damit unter anderem den Fitnesszustand seiner Spieler an. Ein Seitenhieb auf Trainer-Vorgänger Julian Nagelsmann. Auffällig: Damals wie heute nimmt sich Tuchel bei öffentlicher Kritik aus der Verantwortung.

FC-Bayern-Star Joshua Kimmich wird von Thomas Tuchel rasiert
In den vergangenen Wochen bekam dann vor allem Ersatz-Kapitän Joshua Kimmich den Unmut seines Trainers zu spüren. Erst erklärte Tuchel, dass es der Nationalspieler nicht in der DNA hätte, ein defensiver Sechser zu sein, am Samstag im Supercup gab es für Kimmich dann bereits nach fünf Minuten eine ordentliche Standpauke an der Seitenlinie.
Ob der Coach des FC Bayern seine Spieler damit so kurz vor dem Ligastart aufbaut, ist mehr als fraglich. Von außen betrachtet, wirkt es vielmehr so, als würde Tuchel seine Spieler mit der herben Kritik noch mehr verunsichern. Und das, obwohl der 49-Jährige durch seine vorherigen Stationen bei Paris Saint-Germain und Chelsea genau wissen sollte, was ein Star-Ensemble nach solch einer Blamage braucht.
Setzt Trainer Thomas Tuchel durch seine Verbal-Watschn seinen Job beim FC Bayern aufs Spiel?
Klar ist auch, dass sich Tuchel damit auf ein Spiel mit dem Feuer einlässt. Das weiß auch Dietmar Hamann, der für die Bayern-Blamage kurz vor dem Bundesligastart zwei Erklärungen hat. "Warum es nicht so läuft, kann zwei Gründe haben. Die Mannschaft ist innerhalb zerstritten. Oder die Mannschaft hat ein Problem mit dem Trainer."
Sollte letzteres der Fall sein, scheint es nicht ausgeschlossen, dass Tuchel bei weiteren Verbal-Watschn zunehmend die Kabine verliert und damit möglicherweise sogar seinen Job aufs Spiel setzt. Die Lage beim FC Bayern, sie ist bereits zum Saisonstart besonders angespannt.