Völler: Vorsicht, Explosionsgefahr!

Waldi Hartmann weiß, wie Rudi Völler tickt, wie er ausrastet – und warum er mit Lahm ins Gericht geht.
Thomas Becker |
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Der fast schon legendäre Ausraster von Rudi Völler nach dem 0:0 gegen Island bei der EM-Qualifikation 2003 mit Waldemar Hartmann
dpa Der fast schon legendäre Ausraster von Rudi Völler nach dem 0:0 gegen Island bei der EM-Qualifikation 2003 mit Waldemar Hartmann

Waldi Hartmann weiß, wie Rudi Völler tickt, wie er ausrastet – und warum er mit Lahm ins Gericht geht.


Herr Hartmann, wie lange kennen Sie Rudi Völler?

WALDEMAR HARTMANN: Schon als Spieler des glorreichen TSV 1860, und das ist schon eine Weile her.

Was für ein Typ ist er?

Er und Uwe Seeler sind die einzigen, die in den Stadien mit Vornamen gefeiert werden. Das hat einen Grund: Bodenständigkeit. Rudi ist einer, der mit Fans und Reportern augenzwinkert. Aber in ihm schlummert auch ein kleiner Vulkan, wie letztes Wochenende zu sehen war. Er ist ein Gerechtigkeitsfanatiker. Fühlt er sich ungerecht behandelt, bricht er aus. Andere beißen sich auf die Zunge, ballen die Faust in der Tasche, Rudi lässt’s raus. Das macht ihn sympathisch.

Sie sprachen die Szenen mit Podolski und Schürrle an...

Rudi hatte ja Recht in der Beurteilung. Ob er im Ausmaß seiner Klage Recht hatte, hat der DFB noch nicht entschieden. Aber als Wiederholungstäter wird er schön zahlen müssen.

Aber gesünder ist es schon, den Frust rauszulassen.

Ich bin auch einer, der es rauslässt. In der Bundesliga hat Rudi ein Pendant: Uli Hoeneß, der jetzt immer öfter raushaut, was er gerade denkt. Das befreit ihn, die Medien freut’s - eine win-win-Situation.

Zweifellos.

Wir wünschen uns überall mehr Authentizität, Glaubwürdigkeit, Echtheit, vor allem in der Politik. Deswegen haben die Piraten Erfolg, weil sie zumindest authentisch sind. Offenbar gibt es eine Sehnsucht, eine Gier nach Glaubwürdigkeit. Die wird durch Personen wie Rudi befriedigt. Auch sein Ausbruch 2003 in Island mir gegenüber hat ihm nicht geschadet, im Gegenteil. Danach waren sich alle einig, dass sich ein Teamchef nicht so gehen lassen kann, mit Fäkalsprache in der Öffentlichkeit. Es war Wahlkampf, Politiker nahmen das auf. Peter Struck hat in einer Talk-Show „Es gibt nur ein Rudi Völler“ angestimmt. Schröder und Stoiber sind in Wahlkampfreden darauf eingegangen. Alles sagten: „Endlich hat’s mal einer gesagt!“ Beim nächsten Spiel gegen Schottland in Dortmund haben 70000 gesungen: „Es gibt nur ein Rudi Völler!“

Wie war das erste Wiedersehen nach dem Ausbruch?

Gleich am nächsten Tag beim Auslauftraining. Rudi kam vorbei, zwinkerte und klatschte auf Kniehöhe ab. Den Weißbier-Vorwurf hat er in der Sendung noch zurückgenommen – und hätte damit fast mein Geschäft mit Paulaner kaputt gemacht. Ich hab’ das Interview immer mit der Sternstunde von Marcel Reif und Günther Jauch verglichen, als denen das Tor vor die Füße fiel. Ich hab’ gemerkt: Hallo, du bist gerade bei einem Fernsehereignis dabei!

Und das Verhältnis mit Völler war wieder d’accord?

Das war nie schlecht. Das ist eher während der zehn Minuten gewachsen. Ich musste ja fast dankbar sein, dass er mir die Chance gegeben hat.

Am Samstag trifft Völler mit Leverkusen auf den FC Bayern und dessen Kapitän Philipp Lahm, der in seinem Buch Völlers Training und Taktikkenntnisse kritisiert. Niemand hat sich über das Buch so echauffiert wie Völler.

Ich kann Rudis Reaktion sehr gut verstehen. Lahms Buch hat mir nichts Neues gegeben. Aber es gibt ein paar sinnlose, überflüssige Dinge. Das ist Nachtreten.

Wie werden sich Völler und Lahm am Samstag begegnen?

Rudi hat im „Doppelpass“ schon viel Luft raus genommen, hat keine Veranlassung auf Lahm zuzugehen. Das hat was mit Augenhöhe zu tun. Lahm wird sich darauf zurückziehen, dass er sich aufs Spiel konzentrieren muss, Rudi wird auf der Tribüne sitzen, deswegen werden sie sich nicht begegnen. Aber wenn Lahm so viel Charakter hat, wie er von anderen einfordert, könnte man sich nach dem Spiel treffen..

Werden sie sich vertragen?

Die Kiste ist verfahren. Das hätte man früher lösen müssen. Ich nehme Lahm auch diese Überraschung über die Reaktionen nicht ab. Das war kalkuliert, so wie die Aussage mit der Kapitänsbinde in Südafrika, die von Löw abgesegnet war, sonst geht so ein Satz nicht raus. Genauso kalkuliert war das Buch. Aber wenn einer freiwillig Pfeile auf sich zieht, Fans und Fürsprecher verliert für ein paar Hunderttausend Euro bei zehn Millionen Jahresverdienst, da ist mir das In-den-Spiegel-Schauen schon lieber.

 

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