Vier Elfmeter, wenig Bindung zum Spiel: Drei Gründe verhindern die Harry-Kane-Explosion beim FC Bayern

Nach zehn Spielen kommt Harry Kane auf 14 Torbeteiligungen für den FC Bayern, tut sich aber dennoch schwer. Die AZ erklärt, warum.
von  Victor Catalina
Gut die Hälfte seiner Tore fielen vom Punkt. Anlass zur Sorge für Harry Kane und den FC Bayern?
Gut die Hälfte seiner Tore fielen vom Punkt. Anlass zur Sorge für Harry Kane und den FC Bayern? © IMAGO / Sven Simon

München — Es waren Szenen, an die man sich beim FC Bayern erst gewöhnen muss: Im Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg (3:0) stieß der nominelle Sechser Leon Goretzka in den Strafraum vor, während sich der eigentliche Stürmer, Harry Kane, die Bälle teilweise im defensiven Mittelfeld abholte.

Zwar gab Thomas Tuchel zu, dass auch ein Stück weit taktisches Kalkül dahintersteckte, um den Sport-Club noch aggressiver mit Leroy Sané und Kingsley Coman über die Flügel angreifen zu können. Der Satz: "Dafür haben wir Harry ein bisschen zurückgezogen, damit er mehr ins Spiel integriert ist", verrät jedoch, dass Bayerns Coach noch nicht ganz zufrieden mit der Einbindung des Engländers ins Bayern-Spiel ist. Dazu passt: Vier von Kanes neun Treffern fielen vom Elfmeter-Punkt. Die AZ erklärt, woran das liegen könnte.

Jamal Musialas und Leroy Sanés stärkste Phase fällt in die Zeit ohne Stürmer

Die bayerische Gewohnheit: Nach dem Abgang von Robert Lewandowski spielte der Rekordmeister eine ganze Saison ohne klassischen Stürmer. In dieser Phase fand Sané erstmals richtig ins Bayern-Spiel. Auch Jamal Musiala hatte mit alleine zwölf Toren bis zur Winterpause seine bislang stärkste Halbserie. Beide Schlüsselspieler müssen oder mussten ihr Spiel nun wieder auf eine klassische Nummer neun umstellen. Auch Kane selbst gab in mehreren Interviews zu, sich dem Bayern-Spiel noch nicht angepasst zu haben, zeigte sich aber optimistisch, dass das mit fortlaufender Spielzeit kommt.

Vom Punkt läuft es für Harry Kane einwandfrei, wie zum zwischenzeitlichen 1:2 in Leipzig. Allerdings ist aus dem Spiel heraus noch Luft nach oben.
Vom Punkt läuft es für Harry Kane einwandfrei, wie zum zwischenzeitlichen 1:2 in Leipzig. Allerdings ist aus dem Spiel heraus noch Luft nach oben. © IMAGO / Sven Simon

Kanes Tempo und aggressiveres Pressing: Für Kane ist die Station FC Bayern die erste im Ausland. Zwar haben mittlerweile auch Premier-League-Teams das aggressive Pressing mit und ohne Ball für sich entdeckt. Doch in der aktuellen Art und Weise praktizieren die Klubs das erst seit dem Wirken von Trainern wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp, die ihren Truppen diese Bundesliga-DNA zunehmend einimpften.

Tempodefizite machen es schwer, Kane einzusetzen

Vor allem in Ballbesitz wird Kane von mehreren Gegenspielern angelaufen, die meistens Tempovorteile haben. Beim Topspiel in Leipzig bekam es Kane (Top-Speed 30 km/h) mit Mohamed Simakan und Castello Lukeba zu tun, die beide im Schnitt drei km/h schneller laufen. Diese Tempodefizite erschweren es ebenfalls, den Engländer adäquat in Szene zu setzen.

Vorgänger Robert Lewandowski wurde in seiner letzten Bundesligasaison bei 33,46 km/h geblitzt — und lag damit ligaweit nur auf Platz 164. Auch bei den klassischen Abstaubertoren wird deutlich, dass es Kane vielleicht an der letzten Reaktionsschnelligkeit fehlt. Lewandowski sprang noch auf jeden abprallenden Ball wie der Gepard auf die Gazelle. Sinnbildlich dafür steht sein Rekordtor im Mai 2021 gegen den FC Augsburg.

Kane gleicht Tempodefizite durch Spielstärke aus

Diese Tempodefizite versucht Kane auszugleichen, indem er sich tiefer fallen lässt und am Spielaufbau teilnimmt oder Kontersituationen einleitet. Darunter fällt auch der gewonnene Kopfball nach der RB-Ecke, aus dem Musiala und Sané in Koproduktion den 2:2-Ausgleich ersprinteten.

So kann es gehen: Harry Kane leitete mit einem gewonnenen Kopfball in Leipzig ein, Jamal Musiala (r.) und Leroy Sané (l.) finalisierten zum 2:2-Ausgleich.
So kann es gehen: Harry Kane leitete mit einem gewonnenen Kopfball in Leipzig ein, Jamal Musiala (r.) und Leroy Sané (l.) finalisierten zum 2:2-Ausgleich. © IMAGO/Roger Petzsche/Picture Point LE

Der Spielertyp Harry Kane: Nicht zuletzt ist Kane aber ein wesentlich spielstärkerer Stürmer als Lewandowski. Im April 2022 lag er mit Tottenham zur Pause gegen Newcastle 0:1 zurück und gewann am Ende 5:1. Obwohl er zu diesem Sieg lediglich einen Assist beisteuerte, bekam Kane von "Sky Sports" eine 9/10 und wurde zum "Man Of The Match" gekürt. "Seine Leistung war unglaublich", lobte Trainer Antonio Conte, "Ich habe zu ihm gesagt, es ist schade, dass er nicht getroffen hat. Aber er hat fantastisch gespielt."

Auch Lewandowski tat sich in seiner ersten Bayern-Saison schwer

Warum? Kane ließ sich teilweise auf eine Sechser- bis Achterposition zurückfallen und nahm die "Magpies" mit einem punktgenauen Zuspiel nach dem anderen auseinander.

Was seine Torquote angeht, macht auch Kanes Vorgänger Hoffnung. In seiner Debütsaison beim FC Bayern erzielte Lewandowski "lediglich" 17 Bundesligatreffer. In den folgenden sieben Spielzeiten blieb er aber nur noch zweimal unter der 30-Tore-Marke. 

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