„Vielleicht bekomme ich die 5 vom Beckenbauer“

Beim 4. Paulaner Fanstammtisch diskutieren elf Bayern-Anhänger mit Andreas Ottl über die Nachwuchsarbeit und den Umgang mit Talenten.
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Gruppenbild mit Andreas Ottl (5. v. l.).
Gregor Feindt Gruppenbild mit Andreas Ottl (5. v. l.).

Beim 4. Paulaner Fanstammtisch diskutieren elf Bayern-Anhänger mit Andreas Ottl über die Nachwuchsarbeit und den Umgang mit Talenten.

MÜNCHEN Im Pokal treffen die die Bayern auf Leverkusen. Und auf einen der Ihren: Toni Kroos (19). Der hat es auf der Bayern-Bank nicht mehr ausgehalten und sich im Winter ausleihen lassen. Ein Indiz dafür, dass Nachwuchsspieler es bei Bayern (zu) schwer haben? Das ist diskutiert worden beim 4. Paulaner Fan-Stammtisch der AZ im Paulaner am Nockherberg. Gast der Runde war Andreas Ottl (24). Der kennt sich aus im Thema: Er wechselte als Elfjähriger vom SV Nord Lerchenau zu Bayern. Jetzt ist er dort Profi.

AZ: Herr Ottl, hat es ein Talent bei Bayern schwerer als anderswo?

ANDREAS OTTL: Ja, es ist schwierig, sich als junger Spieler hier durchzusetzen. Bayern ist eben ein Weltklub. Deshalb gibt es auch den Weg, wie ihn Philipp Lahm gegangen ist, wie ihn nun Toni Kroos geht oder auch Georg Niedermeier, der sich bei den Amateuren empfohlen hat, einen Profivertrag bekommen hat und jetzt zum VfB Stuttgart ausgeliehen wurde – mit dem Ziel, zurück zu kommen.

Wie war in der Kabine die Reaktion auf Kroos’ Wechsel?

OTTL: Wir haben es verstanden. Auf Tonis Position ist die Konkurrenz sehr groß: Ribéry, Altintop, Schweini, alles Weltklassespieler. Da ist es als junger Spieler enorm schwierig, auch wenn du noch so viel Talent mitbringst. Tonis Weg finde ich eine gute Entscheidung.

WOLFGANG SCHNEIDER: Haben Sie auch mal überlegt, sich ausleihen zu lassen?

OTTL: Ich will mich hier durchsetzen. Es ist ja auch nicht so, dass du als Leihspieler zu Stuttgart gehst und da automatisch spielst. Du musst dich überall durchsetzen. Bei Bayern hast du die Möglichkeit, mit den besten deutschen und internationalen Spielern zu trainieren und dir etwas abzuschauen. Ich gehe hier meinen Weg. Ob es der bessere Weg ist, wird sich zeigen.

HANS STÜBL: Ist es bei Bayern so, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt?

OTTL: Ich weiß um meine Wertschätzung im Verein. Manchmal hat man zwar schon das Gefühl, dass ein anderer Spieler mehr gilt, wenn er für viel Ablöse geholt wurde, während man selber eben nur aus der eigenen Jugend kommt. Bei einem Spieler aus den eigenen Reihen dauert es halt ein, zwei Jahre länger, bis er anerkannt wird und internationale Spiele machen kann. Daran scheitert der eine oder andere, der keine Geduld hat.

MANFRED SCHÜTZ: Warum schaffen es in letzter Zeit bei Bayern immer weniger junge Spieler in die erste Mannschaft hochzukommen?

OTTL: Das sehe ich anders. Gerade haben Holger Badstuber und Thomas Müller, zwei Amateurspieler, einen Vertrag bekommen und die Chance, nächstes Jahr bei den Profis mitzutrainieren. Wieder zwei, die sich durch gute Leistungen im Amateurbereich empfohlen haben. Dazu stehen im aktuellen Kader derzeit mit Rensing, Lahm, Lell, Schweinsteiger, Kraft und mir insgesamt sechs Spieler, die aus der eigenen Jugend kommen.

SCHÜTZ: Bekommen junge Spieler genügend Geduld?

OTTL: Beim FC Bayern steht der Trainer unter einem enormen Erfolgsdruck und die ganze Mannschaft wird nur an Erfolgen gemessen. Da ist es nicht so einfach, einem jungen Spieler die Chance zu geben, drei, vier Spiele am Stück zu machen, die man braucht, um sich ans Tempo, an die Champions League und die Bundesliga zu gewöhnen. Zeit bekommt man als junger Spieler nicht, deswegen scheitern da auch einige.

ERNST STARK: Wie ist die Auslastung des Jugendzentrums?

OTTL: Zu meiner Zeit immer 100 Prozent. Spieler, die aus dem Ausland kommen oder von weiter weg als 100, 150 Kilometer, wohnen dort, haben eine Tagesmutter, in jeder freien Minute geht’s auf den Trainingsplatz direkt vor der Tür. Guerrero, Hargreaves, Feulner, Rensing, Schweinsteiger, Kuffour: Die waren alle im Internat. Bei mir war das anders. Ich bin morgens um acht Uhr zur Schule gegangen, hatte meine Tasche dabei, um eins war Schulschluss, dann ging’s zur Säbener Straße, um zwei war Training, danach Hausaufgaben-Betreuung, wieder Training. Um halb neun bin ich mit der U-Bahn nach Hause gefahren. Dann war der Tag zu Ende.

SEBASTIAN BERNSEITS: Wird man als junger Spieler nicht überheblich, wenn man so früh bei Bayern spielt und einem von allen Seiten gesagt wird, man sei so gut?

OTTL: Wenn die Mitschüler sehen, dass du eine Bayern-Tasche dabei hast, kommt schon mal ein blöder Spruch wie: „Du bist arrogant.“ Ich habe aber das Glück, hier in München eine intakte Familie zu haben. Ich bin bei einem kleinen Verein groß geworden, mein Bruder spielt noch dort, ich habe meine alten Freunde behalten. Das hält mich am Boden. So ist es besser, als wenn du zu Hause immer hörst: „Du musst weg hier!“

AZ: Wenn Kroos eines Tages aus Leverkusen zurückkehrt, bekommt er dann die Rückennummer 10, die ihm Uli Hoeneß mal zugesagt hat?

OTTL: Toni ist ein Ausnahmetalent und ich wünsche ihm, dass er in Leverkusen seine Spiele macht und als gestandener Spieler zurückkommt. Er hat jetzt schon enorme Fähigkeiten. Einer Trikotnummer messe ich da keine so große Bedeutung bei. Obwohl – vielleicht bekomme ich ja irgendwann vom Beckenbauer die Nummer 5. (lacht)

Protokoll: Reinhard Franke

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