Viel Lob für Bayern-Kämpfer Goretzka: "Das sagt natürlich viel aus über einen Menschen"

Hamburg/München – Vincent Kompany versteht es sehr gut, überraschende und für Außenstehende sensationelle Entscheidungen ganz elegant abzumoderieren. Leon Goretzka diese Saison erstmals in der Startelf des FC Bayern! Ausrufezeichen, längst kein Fragezeichen mehr. Auch Goretzka selbst hatte sich an sein Dasein als Tribünengast oder Ersatzspieler gewöhnt.
Im Sommer, noch vor Ende des Transferfensters, setzte man eher drei Fragezeichen hinter die Aussage, ob der Mittelfeldspieler diese Saison a) überhaupt weiter beim FC Bayern unter Vertrag sein werde und b) ob er – falls ja – wirklich mal zum Einsatz kommen würde.
Kompany über Goretzka: "Wir haben keine Sekunde an seinen Qualitäten gezweifelt"
Nun der Auftritt der Bayern samt Goretzka am Kiez. Beim FC St. Pauli stand der 29-Jährige also plötzlich anstelle von Joao Palhinha in der Startelf. Als Sechser. Wie in alten Zeiten neben seinem Kumpel Joshua Kimmich.
Kompany erklärte den Wechsel, als sei es das Normalste der Welt. Das macht den belgischen Chefcoach sympathisch und für den Verein so wertvoll. "Letztendlich haben wir immer gesagt, es geht über den Kader und über die ganze Mannschaft", meinte Kompany vor dem Anpfiff bei Sky und betonte: "Wir haben keine Sekunde an seinen Qualitäten gezweifelt. Deshalb ist es für mich eine ganz normale Entscheidung." Später sagte er noch, es sei "eine logische Entscheidung".
Der Portugiese Palhinha habe eben nach den letzten kräftezehrenden Spielen eine Pause benötigt, die Mannschaft frische Beine.
"Wir immer gesehen, dass Leon weitergearbeitet und sich diese Chance verdient hat"
Jene Beine, die der Verein vor wenigen Monaten am liebsten für eine hübsche Ablösesumme verkauft hätte, da Goretzka hinter Kimmich, dem aktuell verletzten Aleksandar Pavlovic (nach seinem Schlüsselbeinbruch bereits wieder im individuellen Balltraining), Palhinha und Konrad Laimer lediglich als Nummer fünf im Ranking des zentralen Mittelfelds in die Saison gegangen war.
"Wir haben im Sommer mit Leon gesprochen und ihm gesagt, dass es schwierig werden wird, weil der Kader so ist, wie er ist. Er hat gesagt, er will sich der Konkurrenz stellen. Er hat eine gute Leistung gebracht. Das sagt natürlich viel aus über einen Menschen, einen Charakter", stellte Sportdirektor Christoph Freund nach dem 1:0-Erfolg am Samstag bei St. Pauli fest.
"Das war einfach so", ergänzte Kompany gelassen, "aber danach haben wir immer gesehen, dass Leon weitergearbeitet und sich diese Chance verdient hat."
Fortsetzung folgt, nach zuvor gerade einmal 59 Bundesliga-Minuten als Teilzeit-Joker? Gar eine Kehrtwende bei dem Profi, dessen Marktwert zuletzt von 30 Millionen auf 22 Millionen Euro gesunken ist? Hat der 57-fache deutsche Ex-Nationalspieler (das "Ex" muss man mittlerweile davorsetzen) doch eine Zukunft über die Saison hinaus, gar bis zu seinem Vertragsende 2026? Wieder drei Fragezeichen.
Müller über Goretzka: "Du musst bereit sein beim FC Bayern, um jede Sekunde Spielzeit zu kämpfen"
"Wenn wir ihn nicht brauchen würden, würde er nicht spielen", meinte Freund und stellte ebenso nüchtern fest: "Der Leon ist ein Spieler des FC Bayern München. Er macht es richtig gut und war heute wieder wichtig." Wenn ihm im Feintuning der Abspiele und Abläufe auch nicht alles gelang - nachvollziehbar nahezu ohne Spielpraxis und Rhythmus.
Für Thomas Müller, seit ewigen Zeiten Goretzkas Weggefährte im Verein und bei der Nationalelf, ist dieser "ein Kämpfer". Müller, seit der Rückkehr des zuvor verletzten Jamal Musiala selbst nur noch Bankdrücker mit Kurzeinsätzen, weiß daher: "Du musst bereit sein beim FC Bayern, um jede Sekunde Spielzeit zu kämpfen. Wenn es so weit ist, musst du da sein. Es ist natürlich schön zu sehen, dass sich Leon den Einsatz auch verdient hat."
Leon, nicht nur der Profi, sondern auch: der Kämpfer.