Verzweifelte Suche: Wie der FC Bayern mit dem Trainer-Dilemma die Konkurrenz ziehen lässt

Während der FC Bayern noch nach einem Trainer sucht, ist die nationale und internationale Konkurrenz mit der Saisonplanung bereits weit vorangeschritten. Dem Rekordmeister drohen für die kommenden Jahre Schwierigkeiten.
von  Victor Catalina
Thomas Tuchel wird es ab kommender Saison nicht mehr sein. Die Trainersuche des FC Bayern sorgt jetzt schon für erhebliche Schwierigkeiten in der Saisonplanung, während die Konkurrenz davonzieht.
Thomas Tuchel wird es ab kommender Saison nicht mehr sein. Die Trainersuche des FC Bayern sorgt jetzt schon für erhebliche Schwierigkeiten in der Saisonplanung, während die Konkurrenz davonzieht. © IMAGO/Michael Weber/IMAGEPOWER

München – Am Tag nach dem 2:4 bei der TSG Hoffenheim kamen Mannschaft und Trainerteam des FC Bayern mit ihren Familien noch zu einem Saisonabschluss im Käfer an der Prinzregentenstraße zusammen. Seitdem liegt der Fokus der Protagonisten klar auf der Europameisterschaft. Aleks Pavlovic betonte, dass seine Blessur, eine Bänderdehnung im Knöchel, keine Gefahr für die EM ist. Jamal Musiala und Leroy Sané, die bereits in den vergangenen Wochen unter Spritzen und Schmerzmitteln spielten, bereiten sich individuell auf das Trainingslager im thüringischen Blankenhain vor. 

Während der FC Bayern einen Trainer sucht: Stuttgart vor Transfer-Hattrick und Undav-Verpflichtung? 

Äußerlich kehrt etwas Ruhe an die Säbener Straße ein. Hinter den Kulissen könnte der Druck jedoch kaum größer sein. Auch Ende Mai sucht der Rekordmeister noch immer nach einem Nachfolger für Thomas Tuchel. Xabi Alonso (bleibt in Leverkusen), Julian Nagelsmann (bleibt Bundestrainer), Ralf Rangnick (bleibt österreichischer Nationaltrainer), Oliver Glasner (bekommt keine Freigabe von Crystal Palace) sowie Tuchel selbst (keine Einigung bei der Vertragslaufzeit) sagten bereits ab. Während der Rekordmeister weiter an der ersten Aufgabe der Klausur verzweifelt, haben die Klassenkameraden Uhr und Abgabe fest im Blick. 

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Da wäre beispielsweise der VfB Stuttgart. Trotz der Vizemeisterschaft kann man beide Klubs natürlich nur schwer miteinander vergleichen. Den Schwaben gelang vergangene Saison der Klassenerhalt erst in der Relegation gegen den HSV (3:0, 3:1). Trotzdem legen die Stuttgarter die richtige Taktung an den Tag. Sebastian Hoeneß wurde bereits Anfang März verlängert. Dazu kommen drei ablösefreie Transfers und, laut "Sky", die nahende feste Verpflichtung von Nationalspieler und EM-Fahrer Deniz Undav. Bislang war der 27-Jährige lediglich aus Brighton ausgeliehen. 

Klopp verlässt den FC Liverpool – und scherzt

Auch beim englischen Pendant des FC Bayern, dem FC Liverpool, der in der Premier League, wie die Münchner, auf Rang 3 einlief, hätte die Stimmung kaum gegensätzlicher sein können. Obwohl Jürgen Klopp sein Team am Sonntagnachmittag, beim 2:0 über die Wolves zum letzten Mal trainierte, war von Trauer oder Wehmut nicht viel zu sehen. Klopp war bei seiner Abschiedsrede bestens gelaunt, scherzte mit dem Publikum und stellte seinen Nachfolger Arne Slot höchstselbst vor. Eine so unkonventionelle Ankündigung, Slot musste aufpassen, nicht noch im EM-Kader von Julian Nagelsmann zu landen. 

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Nach AZ-Informationen stand der Niederländer auch auf der Liste des FC Bayern. Die "Reds" um Sportchef-Rückkehrer Michael Edwards intensivierten ihre Bemühungen jedoch deutlich mehr und sicherten sich Slot für die kommenden drei Jahre. Klopps letzte Botschaft an Anfield: Auch wenn er selbst nicht mehr da ist, gibt es keinen Grund, nicht optimistisch in die Zukunft zu blicken. Der 56-Jährige hob wiederholt die Menge an talentierten Youngstern im Verein heraus, die mannschaftliche Stärke sowie die des Stadions: "Ihr seid die Superkraft des Weltfußballs – und ich bin ab sofort einer von euch."

"Würde mich nicht überraschen, wenn der Abstand ähnlich groß ist": Konkurrenz für Hamann bereits davongezogen

Für Didi Hamann ist dem FC Bayern die Konkurrenz bereits jetzt enteilt: "Die Leute denken, die kriegen schon einen neuen Trainer, dann holen sie fünf Spieler und dann werden sie nächstes Jahr Meister. Nein, nein, die Leverkusener werden als Favorit ins Rennen gehen. Wenn sich die Bayern nicht um 180 Grad drehen und enger zusammenrücken, würde es mich nicht überraschen, wenn der Abstand nächstes Jahr ähnlich groß ist", polterte der "Sky"-Experte am Samstagnachmittag. 18 Zähler Rückstand auf den Meister sind aus Münchner Sicht neuer Negativrekord seit Einführung der Drei-Punkte-Regel. Zuvor waren es deren zehn auf den VfB Stuttgart 2006/07 sowie Borussia Dortmund 2010/11.

Dadurch, dass Xabi Alonso bleibt, wird es wohl auch ein Großteil der Mannschaft. Im Fall von Florian Wirtz wollen Spieler und Verein auch in der kommenden Saison zusammenarbeiten. Zudem wird über einen Transfer von Gironas Aleix Garcia spekuliert. Der Mittelfeldspieler ist einer der Hauptgründe für die Traumsaison der Katalanen und wäre für schlappe 15 bis 20 Millionen Euro als Alternative für Granit Xhaka zu haben. Die einzig wirklich verbrieften Fragezeichen gibt es bei Jonathan Tah. 

Verlängern? Verkaufen? Verzweifeln! Die Auswirkungen des Trainer-Dilemmas auf den Kader des FC Bayern

Nicht zuletzt bringt sich der FC Bayern mit dem Trainer-Vakuum in Schwierigkeiten für die Zukunftsplanung innerhalb der bereits bestehenden Mannschaft. Solange es keinen neuen Trainer gibt, können Spieler, deren Verträge auslaufen, nicht wissen, ob und wie mit ihnen geplant wird. Joshua Kimmich, dessen Arbeitspapier kommenden Sommer ausläuft, hat zwar mehrmals klargemacht, dass der Verein für ihn an erster Stelle steht, der neue Chefcoach aber keine unwichtige Rolle einnimmt. Sieht Mr. X. ihn als Sechser? Oder doch weiter als Rechtsverteidiger?

Auch Leroy Sané, der vor allem in der Hinrunde herausragende Leistungen ablieferte, will der Verein unbedingt halten. Von Spielerseite gibt es ebenfalls positive Signale. Aufgrund der Trainersuche bleibt dafür aber nur wenig Zeit. Jamal Musiala soll den FC Bayern über die nächsten Jahre prägen und Gesicht des Vereins sein. Wie soll das jedoch bei einem so herausragend talentierten Spieler funktionieren, wenn jener Verein im Jahresrhythmus von Trainerentlassung zu Trainerentlassung taumelt und sich mittlerweile schwertut, Trainer zu finden, die im Zweifelsfall entlassen werden können?

Jamal Musiala (l.) und Leroy Sané (r.) sollen den FC Bayern auch in Zukunft prägen. Etwaige Vertragsverlängerungen sind im Moment aber kein Thema, weil die Trainersuche für einen Papierstau im Aufgabenfach sorgt.
Jamal Musiala (l.) und Leroy Sané (r.) sollen den FC Bayern auch in Zukunft prägen. Etwaige Vertragsverlängerungen sind im Moment aber kein Thema, weil die Trainersuche für einen Papierstau im Aufgabenfach sorgt. © IMAGO/Mladen Lackovic

An Ehrgeiz wie Interessenten dürfte es dem Juwel nicht mangeln. Bereits im Alter von 21 Jahren gehört Musiala zu den talentiertesten und gefragtesten Spielern dieses Planeten und ist eines der Gesichter der Heim-EM. Gerade hier können sich die eigenen Spieler, wie auch die Wunschtransfers, ins Rampenlicht bringen und ihre Verhandlungsposition stärken – zulasten des Rekordmeisters. Noch dazu tragen die Münchner durch die Absage-Tour einen gewaltigen Imageschaden für die Zukunft davon. 

In den vergangenen Wochen war von dicken Fischen die Rede oder Türen, die aufgehen, wenn andere sich schließen. Mittlerweile braucht es eine tragfähige Konsenslösung. Die Zeit tickt und die Konkurrenz arbeitet und zieht davon. 

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