Verkehrte Bayern: Einfach wunderbar!

Mit einem 5:1-Sieg demontieren die völlig durchrotierten Bayern den überforderten FC Aberdeen und erreichen das Uefa-Pokal-Achtelfinale. Uli Hoeneß jubelt: „Das war eine Gala!“
Genau so hatte sich Ottmar Hitzfeld das ausgerechnet: Die Schotten vorführen, den Reservisten eine Chance geben, Selbstbewusstsein tanken für den Bundesliga- Hit am Sonntag gegen Verfolger HSV. Die Rechnung ging auf! Und wie! 5:1 demontierten die völlig durchrotierten Bayern – unter anderem mit Toni Kroos und Lukas Podolski in der Anfangself – den überforderten FC Aberdeen und erreichen das Uefa-Pokal-Achtelfinale.
Hitzfeld: „Wir sind sehr stark“
Trainer Ottmar Hitzfeld stellte fest: „Wir sind sehr stark.“ Auch Uli Hoeneß war zufrieden. „Das war unterhaltsam, wunderbar“, sagte der Manager, „das war eine Gala.“ Eine, die ganz anders ablief als sonst beim Rekordmeister üblich. Verkehrte Bayern – bei wem’s gestern anders lief:
Lucio: Eigentlich hat der Abwehrchef von Hitzfeld eine klare Grenze gesetzt bekommen: Attacken nur bis zur Mittellinie! Da jedoch die Schotten nur ganz selten in Lucios Reich vordrangen, konnte er mal wieder in der Offensive aushelfen – und traf prompt mit wuchtigem Freistoß.
Daniel van Buyten: Der Edelreservist durfte mal wieder von Beginn an ran in der Abwehr – und glänzte im Angriff doch glatt mit einem Kopfballtörchen. Ansonsten jedoch war’s bei ihm wie schon so oft: Er sorgte mit mehreren Patzern für Unruhe.
Luca Toni: Erlebte einen kleinen Einbruch. Beim 3:0 in Hannover war Luca noch „Toni! Toni! Toni!“, der Hattrick- Alleinunterhalter. Gestern gelang ihm wenig. Stehende Ovationen gab’s bei seiner Auswechslung trotzdem. Einfach, weil er der Toni ist.
Toni Kroos: Der 18-Jährige durfte endlich mal wieder von Beginn an ran. Das war zuletzt am 2. Dezember in Bielefeld der Fall. Und anders als damals überzeugte der Jungstar auf der Ribéry- Position. Kroos erhielt – ein kleines Wunder – von Manager Hoeneß eine positive Kritik. Der Manager, der das Talent sonst so abschirmt, sagte grienend: „Der Toni ist ja jetzt 18, er ist jetzt volljährig, da darf man ihn ja loben.“ Was hiermit geschehen wäre. Vor allem Kroos’ Freistoß-Vorlage zum 2:0 gefiel Hoeneß: „Neuerdings klappen unsere Standardsituationen besser.“ Kroos sei Dank.
Frank Ribéry: War auf der VIP-Tribüne. Und wurde erstmals, seit er mit einem Muskelfaserriss ausfällt, auf dem Rasen nicht vermisst. Hoeneß verabschiedete ihn trotzdem mit einem kräftigen Schulterklopfen und einem: „Aha, der Monsieur!“ Der Franzose ist nämlich dennoch unersetzlich. Der gestrige Gegner war schließlich kein Maßstab, sondern ist Tabellenachter in Schottlands Zwölf-Klub-Liga.
Lukas Podolski: Spielte 90Minuten, schoss zwei Tore und sagte: „Von mir aus kann’s so weitergehen.“ Hat er ganz lange nicht mehr gesagt, den Satz. Und lange nicht mehr so fröhlich ausgesehen.
Ottmar Hitzfeld: Als er zuletzt im Uefa-Cup seiner Leidenschaft, der Rotation, so richtig frönte, da polterte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: „Fußball ist keine Mathematik.“ Doch das 2:2 Anfang November gegen Bolton ist lange her und das 5:1 gegen Aberdeen das Ergebnis Hitzfeldscher Rechenkunst: Hannover- Team – Lahm – Zé Roberto – Schweinsteiger – Klose + Jansen + Ottl + Kroos + Podolski = 5:1= Achtelfinale = Jubelgesänge.
Die Fans stimmten an: „Ottmar Hitzfeld, Du bist der beste Mann!“ n TSV 1860: Wird ernster genommen als der nächste Gegner HSV. „Das wird das schwerere Spiel“, behauptete Hoeneß, „am Mittwoch wollen wir hier endlich mal die Löwen schlagen.“ Im Pokal. Wäre gar nicht so verkehrt für die Bayern. Jochen Schlosser