Van Gaals Ausbrüche
Nach dem 1:1 in Nürnberg reagiert der Bayern-Trainer allergisch auf kritische Fragen. „Sie haben das total falsch gesehen!“
NÜRNBERG Nein, demjenigen, der im Grunde hauptverantwortlich war für das 1:1 des FC Bayern in Nürnberg, dem war Louis van Gaal nicht böse. „Spielen Sie bitte auch gegen unsere Konkurrenten so gut“, flüsterte der Bayern-Trainer dem Nürnberger Coach Dieter Hecking ins Ohr. Ihm konnte er nicht böse sein.
Denn die Nürnberger hatten schlicht den AC Florenz kopiert. „Ich war letzten Mittwoch in der Allianz Arena und kam da auf eine Idee“, begann Hecking und plauderte aus, mit welchen taktischen Kniffen er die Bayern ausbremste.
Zwischendrin fiel ihm van Gaal ins Wort: „Nicht so viel verraten, bitte!“ Damit die Liga das Defensivkonzept des Club nicht als Schablone anlegt für die nächsten Spiele.
Van Gaal grinste, machte seine Späßchen. Ein 1:1 in Nürnberg nach neun Liga-Erfolgen hintereinander, die Einstellung des Ligarekordes von zehn Siegen in Serie verpasst – aber, was soll’s? Wenn da nur diese Journalisten nicht wären! Und diese Fragen!
Unmittelbar nach Schlusspfiff hatte sich van Gaal in zwei Live-Interviews auf der Tartanbahn erst mit „Sky“-Reporter Dieter Nickles und kurz darauf mit „Bayern1“-Reporter Lutz Bäucker in die Haare bekommen
Wollte van Gaal in den Interviews alle Aufmerksamkeit mit einem taktisch kalkulierten Wutausbruch auf sich lenken, um seine Mannschaft zu schützen?
„Nein, das war nicht gespielt“, sagte Radio-Reporter Lutz Bäucker, „wenn ja, dann wäre er ein exzellenter Schauspieler. Wir standen uns ja Auge in Auge gegenüber. Er hat sich nicht verstellt.“
Weit mehr hatte „Sky“-Mann Nickles abbekommen. Der sagte zur AZ: „Es ist nie langweilig mit ihm, er erzählt immer was, gibt keine diplomatischen, rein gewaschenen Statements von sich. In letzter Zeit ist er jedoch immer freundlicher geworden, ein höflicher, korrekter Mensch ist er ja sowieso. Dennoch war mir klar, dass mal irgendwann wieder was kommen würde.“
Van Gaal geht es um seine Anforderungen, die von den Profis ausgeführt werden sollen. Spielen sie „in Funktion“, wie er das nennt, ist es okay. Der Torabschluss ist in van Gaals Philosophie erst die „Phase vier“ – hinter Balleroberung, Spielaufbau, Chancen kreieren. Wenn diese ersten drei Ansprüche erfüllt sind, ist van Gaal schon mal zufrieden. Darum hat er sein Team in Nürnberg verteidigt.
Freilich gibt es auch andere Meinungen. Etwa diese: „Ich sehe das als Niederlage an. Gegen eine Mannschaft, die gegen den Abstieg spielt, müssen wir einfach gewinnen.“ Sagte Bastian Schweinsteiger. Einfach so. Patrick Strasser
Und lesen Sie hier die beiden oben angesprochenen Interviews mit dem Bayern-Trainer im Wortlaut. Erst das Sky-Gespräch, danach das Bayern-1-Interview
„Ich finde es unglaublich, dass Sie das sagen!“
DIETER NICKLES: „Wollte Ihre Mannschaft das heute mit halber Kraft lösen?“
VAN GAAL (noch ruhig): „Ich bin nicht einverstanden. Ich finde es unglaublich, dass Sie das sagen. Ich finde, dass Bayern München eines der besten Spiele gemacht hat heute. Aber wenn sie die Tore nicht schießen, ist das schade. Ich finde es unglaublich, dass Sie das sagen.“
„In der ersten Halbzeit ist der FC Bayern etwas unterkühlt ins Spiel gegangen.“
(lauter): „Sie haben das total falsch gesehen. Haben Sie gesehen, dass Nürnberg mit elf Spielern auf eigener Hälfte steht? Haben wir nicht ein sehr schönes Positionsspiel mit vielen Chancen gespielt? Aber wir haben das Tor nicht geschossen. Und Sie sagen, wir haben unterkühlt gespielt. Sie (Nürnberg, d. Red.) haben eine Chance bekommen und das war ein Tor. Fantastisch!“
„Nehmen Sie das nicht persönlich – sagen Sie uns, was besser hätte laufen können.“
(noch lauter): „Ich denke, dass das Publikum ein sehr schönes Spiel gesehen hat. Nürnberg hat gestreitet (im Sinne von gekämpft; d. Red.), unglaublich. Und das ist schön. Aber Sie können nicht sagen, dass Bayern München schlecht gespielt hat. Das kann nicht wahr sein.“
„War Bayern besser als gegen Florenz?“
„Sie haben heute viel besser gespielt als gegen Florenz, aber dann haben wir 2:1 gewonnen und dann sagt man nichts. Aber heute haben wir viel besser gespielt.“
„Sie haben die Frage gestellt, lieber Herr“
LUTZ BÄUCKER (Bayern1): „1:1. Da haben Sie sich mehr erwartet, es hätte mehr sein können, oder?“
VAN GAAL: „Ich denke, dass wir sehr gut gespielt haben.“
„Warum ist es dann nur zu einem 1:1 gekommen?“
„Das kann im Fußball (sein). Wenn sie die einzige Chance ins Tor schießen, dann ist es ein 1:1.“
„Okay. Und Mario Gomez hätte es machen müssen, das 2:1.“
„Ja. Aber okay. Wir sind Menschen, keine Roboter.“
„Sind Sie traurig, dass die Siegesserie jetzt zu Ende gegangen ist?"
„Ja, dann bin ich immer traurig.“
„Waren Sie nicht zufrieden?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich denke (lacht, bricht den Satz ab). Ich finde es unglaublich, dass Journalisten diese Frage stellen. Ich denke, dass Bayern München eines der besten Spiele gespielt hat in dieser Saison. Und ich werde konfrontiert mit Fragen, dass wir nicht gut Fußball gespielt haben.“
„Ich frage nur, warum Sie nicht zufrieden sind.“
„Sie haben die Frage gestellt, lieber Herr, dass ich wahrscheinlich nicht zufrieden bin mit diesem Resultat. Das habe ich gesagt, dass ich nicht zufrieden bin mit dem Resultat, aber mit der Ausführung von Bayern München bin ich zufrieden. Aber ich kann nicht die Tore schießen.“
„Dankeschön.“