Van Gaal: Warmer Mantel gesucht

Louis van Gaal betont immer wieder, er befinde sich in einem Prozess. Das Ergebnis seiner Arbeit deutet bislang eher auf einen kurzen Prozess hin. Doch es gibt gute Gründe dafür, dass er bleiben darf.
von  Abendzeitung
"Wenn Bayern verliert, herrscht immer Unruhe, das weiß ich", sagt Louis van Gaal.
"Wenn Bayern verliert, herrscht immer Unruhe, das weiß ich", sagt Louis van Gaal. © dpa

Louis van Gaal betont immer wieder, er befinde sich in einem Prozess. Das Ergebnis seiner Arbeit deutet bislang eher auf einen kurzen Prozess hin. Doch es gibt gute Gründe dafür, dass er bleiben darf.

MÜNCHEN Die Ironie des Spielplans könnte nicht größer sein. In den nächsten beiden Bundesliga-Partien kommen zwei erfolgreiche – damals wie heute – Ex-Trainer in die Allianz Arena: Felix Magath mit Schalke am Samstag und Jupp Heynckes mit Bayer Leverkusen am 22. November.

Danach, nach dann 13 Spielen, hat die Tabelle kein schiefes Bild mehr. Wo sie momentan nach dem desaströsen und auch für den Trainer entwaffnenden 0:2 in der Champions League gegen Girondins Bordeaux stehen, diese Frage beantwortete Philipp Lahm auf den Punkt: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Es herrscht nur noch Frust.“

Damit ein wenig Freude in der Tristesse aufkommt, gab van Gaal den Stammspielern für Donnerstag trainingsfrei. Eine ungewöhnliche Maßnahme zwei Tage vor der Partie gegen Schalke. Doch das liebt van Gaal: die kleinen Überraschungen – sie sollen von seiner stur-geraden Linie ablenken, von seiner Geradlinigkeit, die zuweilen auch als Pedanterie und Unflexibilität ausgelegt wird.

Am Vorabend fiel van Gaal in Allgemeinplätze, sprach: „Das Leben geht weiter.“ Der Versuch einer ernsteren Analyse der Lage klang am Mittwoch so: „Ein Bayern München von van Gaal muss so stark sein, dass die Umstände das Team so beeinflussen, dass die Mannschaft nicht schlechter spielt.“ Ängstlich haben sie gespielt. Die Angst prägt den Fußballstil der aktuellen Bayern – nur nichts falsch machen, der Trainer draußen könnte fuchsteufelswild werden, wenn die Ordnung nicht stimmt, man die Ballkontrolle verliert oder der Flachpass nicht flach genug flitzt.

Man fühlte sich schon beim 0:0 in Stuttgart an die Zeiten von Disziplin- und Abwehrfanatiker Giovanni Trapattoni erinnert: Endlose Ballstaffetten, Ballgeschiebe, Raumgewinn wie beim Schach. So sollte es auch gegen Bordeaux funktionieren – es misslang kläglich. Ob er um seinen Job fürchte, wurde van Gaal gefragt: „Darüber mache ich mir niemals Gedanken“, sagte er, „das kann ich nicht entscheiden, das machen andere. Ich muss meine Spieler begleiten und schützen.“ Das darf er auch weiterhin. Vor der Jahreshauptversammlung am 27. November, auf der Hoeneß zum Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden soll, kann man sich sieben Monate nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann keine Trainerdebatte leisten. Und Alternativen sind eh nicht auf dem Markt: Star-Trainer wie Mourinho (bei Inter Mailand) oder Hiddink (russische Nationalelf) nicht zu haben, gute Geister wie Ottmar Hitzfeld oder Heynckes werden nicht noch einmal aushelfen, sondern dankend ablehnen.

Immer wieder betont van Gaal, er wäre ein Trainer von einem Prozess – wird es ein kurzer Prozess?

Ottmar Hitzfeld, der erfolgreichste Coach des letzten Jahrzehnts, analysiert fürs TV die Bayern-Spiele, gibt Tipps. Es ist ein sehr langer Schatten, den er wirft. Es wird kälter bei Bayern. Man wünscht van Gaal einen warmen Mantel. Die Bosse werden ihm symbolisch einen reichen, zum Schutz. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme.

P. Strasser, T. Becker

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