Van Gaal: "Von hier aus kann ich Truus sehen"

AMSTERDAM Wer zu Hause ist, darf Badelatschen tragen. Louis van Gaal hat das auch meist an der Säbener Straße getan. Gewissermaßen war es auch immer ein Symbol: Hier bin ich zu Hause. Und vor allem: Hier bin ich der Hausherr, der Chef.
Das Wohlfühlklima dürfte deutlich besser sein für van Gaal im „Grand Hotel Huis ter Duin” in Noordwijk, rund 45 Minuten außerhalb von Amsterdam, direkt an der Nordsee. Dort residiert die holländische Nationalelf stets vor Heimspielen, so auch diesmal vor dem Duell mit dem DFB-Team. Abgeschiedenheit, Ruhe, frische Luft. Die Touristen sind längst weg, ein paar wenige spazieren in warmen Mänteln durch die Dünenlandschaft.
Dafür kamen am Montagabend die Journalisten, „meine Freunde”, wie van Gaal stets süffisant sagt. Und daher schlich er sich auf leisen Badelatschen-Sohlen und in weißen Strümpfen in den Raum Pické II. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser, hatte sich der 59-Jährige wohl gedacht, als der niederländische Verband ein Areal halb so groß wie eine Turnhalle im ersten Stock zur Begegnungsstätte zwischen Nationalspielern und Berichterstattern umbaute. Während also Arjen Robben („Deutschland ist ein bisschen weiter als wir. Die Revanche für die EM kann es erst in Brasilien geben”) oder Schalkes Klaas-Jan Huntelaar („Wir haben eine junge Mannschaft mit viel Potenzial”) in professionellem Tonfall über das Prestigeduell gegen ihre Wahlheimat sprachen, stellte sich van Gaal in die Mitte des Raumes an einen Holztisch. Um zu signalisieren: Das Zentrum von allem bin ich.
Er wirkte jedoch nicht gehetzt oder streng, stattdessen gelassen und offen. Nach einer Weile fing er an, mit heimischen Journalisten an jenem mächtigen Holztisch zu plauschen, zu lachen und zu scherzen. „300 Meter weiter von hier steht mein Haus”, sagte van Gaal zu später Stunde, grinste und zeigte mit dem Finger in eine Richtung, „ich kann Truus sogar sehen, wenn ich will.” Ihm gefällt seine Oase in der Provinz Südholland, auch „Blumenbadeort Europas” genannt, viel zu gut, als dass ihn die Begegnung mit seiner eigenen deutschen Vergangenheit aus der Fassung bringen könnte. Obwohl er doch zugab, es sei für ihn „ein sehr spezielles Duell”, weil eben einige Bayern-Profis im DFB-Kader stehen. Eben drum.
Die Aufgabe, die holländische Elf zur WM 2014 in Brasilien, seinem ersehnten großen Weltturnier, zu führen, ist sein Antrieb. Als er vor zehn Jahren schon einmal Bondscoach war, blamierte er sich und seine Nation, da man in der Qualifikation zur WM 2002 scheiterte. Job und Ruf waren dahin. Nun startete er im Sommer einen neuen Anlauf, eine größere Genugtuung hätte es für sein Ego nicht geben können. Schon seine Inthronisierung im August rief viele Kritiker auf den Plan, nachdem vor fast genau einem Jahr sein Widerpart Johann Cruyff und zehn Trainer der Fußballschule von Ajax Amsterdam seine Einstellung als Sportdirektor beim niederländischen Meister mit einer Klage vor Gericht verhinderten. Vorerst hat sich van Gaal mit Siegen Ruhe verschafft – abgesehen vom Betriebsunfall gegen das erstarkte Belgien (2:4) haben sich die Niederländer in der WM-Qualifikation gegen die Türkei (2:0), in Ungarn (4:1), gegen Andorra (3:0) und auch zuletzt in Rumänien (4:1) keine Blöße gegeben.
Einer wie der wiederberufene Eljero Elia von Werder Bremen erklärte, dass van Gaal seinen „eigenen Kopf” habe, was einem Ensemble voller Diven, Schöngeistern und Querdenkern aber wohl nicht schaden kann. Elia: „Unser Trainer ist direkt und korrekt: Wenn etwas nicht gut ist, sagt er es sofort.” Mitunter sogar laut und deutlich. Auch in Badeschlappen. Das kennen sie in Bayern nur zu gut.