Van Gaal und das Triple-Risiko: "Dann bin ich weg"

MÜNCHEN - Mitten in die Euphorie über drei mögliche Titel platzt Louis van Gaal mit einer Drohung. „Dann kann ich nichts mehr verbessern“.
Louis van Gaal ist ein Mann, der zu seinem Wort und seinen Prinzipien steht. Schon vor Monaten hatte der Holländer, angesprochen auf ein mögliches Triple, den Gewinn aller drei Wettbewerbe in einer Saison, geantwortet: „Dann muss ich gehen.“
Nette Sache, so eine Aussage, dachten sich alle. Auch die Bayern-Verantwortlichen. Damals war das Erreichen dieses Vereinslebenstraums so weit weg wie derzeit eine Verpflichtung von Lionel Messi. Niemals seit der Vereinsgründung ist den Bayern gelungen, im Mai eines Jahres alle drei großen Trophäen – den Henkelpott für die beste Mannschaft Europas, die Meisterschale und den DFB-Pokal – in Empfang nehmen zu dürfen. Ganz nah dran war man 1999. Meister waren sie schon, danach verlor man jedoch das Champions-League-Finale gegen ManU und das Pokalendspiel gegen Bremen. Das eine in der Nachspielzeit, das andere im Elfmeterschießen. Es war die erste Saison der Ära Ottmar Hitzfeld.
Nun sind die Bayern im Jahr eins von Louis van Gaal. Es ist beinahe Mitte April – und der Traum vom Triple lebt nach dem 1:1 in Leverkusen immer noch. „So etwas kommt nicht oft vor“, sagte Bastian Schweinsteiger, „dass man zu dieser Zeit noch alle Möglichkeiten hat. Und ich bin ja auch schon lange beim FC Bayern.“
2010 könnte das größte Jahr der Vereinsgeschichte werden – und Spieler wie Trainer in wenigen Wochen zur Legende werden. Etwas schaffen, dass nicht einmal Beckenbauermüllermaierbreitner oder Kahnelbereffenberg erreicht haben. Auch kein Dettmar Cramer, kein Udo Lattek, kein Hitzfeld.
Eher beiläufig wurde van Gaal im Interview fürs ZDF-Sportstudio noch einmal an seine Aussage von einst erinenert. Ob er dabei bliebe, beim totalen Triumph sich vorzeitig aus München zu verabschieden – trotz seines Vertrages bis 2011, trotz des Aufbaus eines Teams speziell um Talente wie Müller, Badstuber, Kroos, Contento und Alaba? „Dann gehe ich weg. Natürlich, dann kann ich nichts mehr verbessern“, sagte van Gaal und schmunzelte. „Aber wir werden das abwarten.“
Man konnte aus dem Grinsen nicht schlau werden. Er weiß: Einerseits würden ihn Bosse wie Fans nach dem Triple auf Händen tragen, andererseits könnte er im Jahr darauf nur verlieren. Er würde ständig daran gemessen werden. Hitzfeld hatte dem damaligen Manager Uli Hoeneß nach dem Mailand-Triumph 2001 den sofortigen Rücktritt angeboten. Aus jenem Grund.
Van Gaal (58) hat aber noch eine andere Mission im Kopf. Und damit ist er stets offen umgegangen. Nachdem er in der Qualifikation zur WM 2002 mit der holländischen Nationalelf kläglich scheiterte, klafft eine Wunde in seinem Ego. Eine WM oder EM reizt ihn. Seine Frau Truus sagte: „In seiner Karriere hat er noch nie eine WM erlebt, das würde er noch gerne.“ Das kann auch als DFB-Bundestrainer sein. Doch ein Engagement würde nur am Beginn eines Qualifikations-Turnus Sinn machen, also jeweils ab Herbst eines geraden Jahres.
Für die Bayern stellt der Traum vom Triple nun plötzlich ein Risiko dar. Bei einem Abschied van Gaals müssten die Bosse erneut einen neuen Cheftrainer plus Stab suchen. Dabei sollte der Holländer doch eine Ära prägen. Kann sein, dass er nun zu erfolgreich ist.
Patrick Strasser