Van Gaal und das Bayern-Puzzle

MÜNCHEN - Die Bauteile für die neue Truppe, die van Gaal bastelt, sind ziemlich komplett. Die AZ erklärt, wie sie zusammen passen – und wer künftig überzählig ist.
Es sind dann doch recht viele neue Teile geworden, die es nun zusammenzufügen gilt. Erst nach der nächsten Saison werde der neue Coach aktiv in die Kaderplanung eingreifen, hieß es noch vor ein paar Wochen beim FC Bayern. Von wegen! Dazu ist Louis van Gaal wirklich nicht der Typ. Klar, dass der 57-Jährige sehr wohl Einfluss nimmt auf die Gestaltung seines künftigen Teams.
Offiziell beginnt seine Arbeit am 1. Juli. Bis dahin wird wohl noch nicht klar sein, wer kommende Saison dabei ist oder nicht. Van Gaal wird sich einige Kandidaten erst mal genau anschauen; die Transferperiode endet ja erst Ende August. Ein starres 4-4-2 wie in den vergangenen Jahren wird es mit ihm nicht geben.
Er kommt aus der "voetbal-total"-Schule von Ajax Amsterdam, passt das Spielsystem an die jeweilige Qualität der Mannschaft an. So rückte er bei AZ Alkmaar einmal vom geliebten 4-3-3 ab, nachdem der Klub von Platz zwei auf elf abgerutscht war. Doch sein 4-4-2 sah bald schon eher nach 4-2-4 aus. Bayern wird unberechenbarer werden. Wie fügt der Neue das Puzzle zusammen? Ein Ausblick:
TOR
Der einzige Mannschaftsteil, der von Änderungen verschont blieb – bisher. Dabei schien klar zu sein, dass die künftige Nummer eins weder der von allen Beteiligten klassisch demontierte Michael Rensing sein könnte noch Oldie Hans-Jörg Butt (35). Einzig das Interesse an Manuel Neuer ist offiziell verbürgt, aber auch schon wieder abgehakt. Fazit: In eine Mannschaft, die so offensichtlich auch international eine große Rolle spielen will, gehört ein entsprechender Keeper. Da fehlt wohl noch ein Teilchen.
ABWEHR
Der mit Abstand schwächste Mannschaftsteil der vergangenen Saison. Für die Außenpositionen sind die nötigen Verstärkungen in Jose Bosingwa (von Chelsea), Edson Braafheid (Enschede) und Danijel Pranjic (Heerenveen) gefunden. Spieler wie Andreas Görlitz oder Christian Lell werden sich mit Stand-by-Aufgaben begnügen müssen – wenn überhaupt.
In der Innenverteidigung steht ein Umbruch an: Die Südamerikaner Lucio und Martin Demichelis, zuletzt des öfteren Protagonisten einer Pleiten, Pech & Pannen-Show, bekommen womöglich Konkurrenz durch den technisch versierteren Linksfuß Braafheid. Ob es Abgänge gibt? Schwer vorstellbar, dass sich Lucio, der stolze Kapitän der brasilianischen Nationalelf, mit dem Gedanken eines Bank-Aufenthaltes anfreundet. Daniel van Buyten wird sich überlegen, ob er noch eine Saison als Reservist verbringen will. Auch „Weltklassespieler Breno“ (Uli Hoeneß) wird wohl bald ein anderes Trikot tragen.
Fazit: Zumindest an den Rändern wird sich die Defensive markant verbessern. In der Zentrale wird van Gaal ausprobieren, welche Teile zusammenpassen.
MITTELFELD
Der Mannschaftsteil mit den offensten Fragen. Das Transfertreiben um Franck Ribéry darf noch nicht als geklärt gelten, Real und Barça bleiben interessiert. Das ist aber für van Gaal gar nicht so entscheidend. Ob seine Offensiven hinter den Spitzen nun Ribéry, Schweinsteiger, Baumjohann oder Sneijder heißen: geschenkt! Im Mittelfeld stellt sich eher die Systemfrage. In Alkmaar spielte van Gaal zuletzt oft mit zwei Sechsern, drei Kreativen davor und nur einer Spitze. Eine Lösung, die Mark van Bommel prima fände, bräuchte er sich doch nicht mit Elf-Millionen-Einkauf Anatolij Timoschtschuk zu streiten. Ob der Noch-Kapitän in einer klassischen Mittelfeld-Raute hinter einem Spielmacher zum Zug käme, ist zumindest fraglich.
Die Außenbahnen sind im System van Gaal klar mit Angreifern besetzt. Hier deutet sich mit Pranjic und womöglich Ribéry auf links gegenüber Schweinsteiger/Altintop/Sosa auf rechts wieder eine Unwucht an – es sei denn, der Portugiese Bosingwa rückt weiter vor. Die Puzzleteile Borowski und Ottl werden wohl bei anderen Klubs eingefügt. Fazit: Hier werden viele Teile hin- und hergerückt, auch während der Saison.
ANGRIFF
Der unkomplizierteste Mannschaftsteil. Ex-Torschützenkönig Luca Toni ist schon auf Bewerbungstour (siehe auch S. 28), wird ersetzt vom nahezu baugleichen, aber vielversprechenderen VfB-Einkauf Mario Gomez. Der Ex-Hamburger Ivica Olic wird wissen, worauf er sich bei der Besetzung Klose/Gomez eingelassen hat, könnte aber bei einer 4-2-3-1-Taktik durchaus mitwirken. Fazit: Das größte Problem dürfte der standesgemäße Transfer von Luca Toni sein. Der Weltmeister hat vor zwei Jahren nämlich ziemlich viel Geld gekostet. Den Bayern bleibt ja noch Zeit, bis ihr Puzzle passen muss.
Thomas Becker