Van Gaal: Nur in Holland die Nummer eins

In seiner Heimat Holland genießt Bayerns Coach jene Wertschätzung, die ihm die deutschen Fans bis dato verweigern. In Amsterdam nahm er nun die Ehrung zum „Trainer des Jahres“ entgegen.
MÜNCHEN Umfragen können brutal sein. Gemein. Entlarvend. Ein regelrechtes Ärgernis. Zum Beispiel das „Trainer-Zeugnis“, das 5500 Fans der 18 Bundesligisten der „Sport-Bild“ schrieben. Nicht ganz unerwartet steht da der ewige Bremer Thomas Schaaf ganz oben – mit einem Notenschnitt von 1,19. Respekt! Bayern-Coach Louis van Gaal, frisch gekürter „Trainer des Jahres“ in den Niederlanden und laut Selbstverständnis sicher mehr als ein paar Zehntel besser als Schaaf, landet in der Trainer-Rangliste auf einem für ihn ungewohnten Platz: Rang 17. Nur der blasse bis unsichtbare Zvonimir Soldo steht bei den eigenen Fans noch schlechter da.
Zwar stammt die Umfrage aus einer Zeit, als die Bayern erst wieder begannen, ihre Herbst-Krise abzuschütteln. Doch die Noten sind nun mal gemacht. 3,35 für van Gaal, eine unschöne drei minus.
Wahrscheinlich wird er sich deswegen nicht allzu lange grämen, wo er doch gerade diese schöne Auszeichnung in Amsterdam erhalten hat. Als dritter Fußballtrainer seit 2003 ist van Gaal mit dem „Jaap-Eden-Pokal“ geehrt worden, benannt nach der 1925 gestorbenen niederländischen Eisschnelllauf- undRadsport-Legende. Schon 1995, als van Gaal mit Ajax Amsterdam die Champions League gewonnen hatte, gab’s den Preis für das „Team des Jahres“.
Nun haben ihn 51 Trainer unterschiedlichster Sportarten gewählt, noch vor Vera Pouw, der Trainerin des Frauenfußballteams, das bei der EM das Halbfinale erreichte, und auch vor Avital Selinger, dem Coach des Frauenvolleyballteams, das EM-Silber gewann.
"Man muss seine Logik verstehen, um mit ihm umgehen zu können"
Artig bedankte sich der Bayern-Coach für die Komplimente und bei der kompletten Truppe seines alten Klubs AZ Alkmaar, den er nach 28 Jahren erstmals wieder zur Meisterschaft geführt hatte. Eigentlich habe ja die Mannschaft den Preis verdient, so van Gaal, aber den bekomme dann immer der Trainer – so wie er eben auch schlechte Noten bekommt, wenn die Siege ausbleiben.
„Unglaublich“ findet der niederländische Fernsehjournalist Hans Engelbrecht den 17. Platz van Gaals im besagten Fan-Ranking, „er ist halt ein Typ, der recht knorrig rüberkommt. Man muss erst mal seine Logik verstanden haben, um mit ihm umgehen zu können.“
Wie viele andere holländische Medienkollegen hat auch Engelbrecht so seine Erfahrungen mit van Gaal und seiner durchaus gewöhnungsbedürftigen Art gemacht: „Er ist ein sehr spezieller Charakter, bleibt aber immer er selbst, wie er das auch von sich sagt. Und was den Sport betrifft: Er hat eben etwas Zeit nötig, bis seine Ideen, sein Konzept greifen. Van Gaal hat eigentlich immer besser mit jungen Mannschaften gearbeitet, weil er da mehr Zeit und Freiraum bekam, um das Team richtig zu bauen. Mit Stars wie Rivaldo und Luca Toni hat er halt so seine Probleme.“
Doch bei der feierlichen Gala in einem alten Amsterdamer Theater waren diese Probleme sicher sehr weit weg. Van Gaal strahlte mit den anderen Preisträgern um die Wette und hatte zur Feier des Tages mal eine schicke Fliege statt der Bayern-Krawatte angelegt. Die letzte Vorrundenpartie am Samstag gegen den Tabellenletzten Hertha BSC Berlin wird ihm wohl auch keine schlaflosen Nächte mehr bereiten, und wenn die Bayern-Fans nun nach der jüngsten Siegesserie noch mal Noten geben dürften, läge van Gaal sicher um einiges besser. Jedenfalls nicht mehr auf diesem unwürdigen Abstiegsplatz.
Thomas Becker