Van Gaal: Fehlstart? Glückwunsch!

MÜNCHEN - Die Bayern leisten sich die nächste Nullnummer. Trainer van Gaal mag aber von Kritik nichts hören. Er bleibt seiner Linie treu: Statt Konkurrenz zu erzeugen, schenkt er seiner Stammelf Vertrauen.
Freundliche Menschen stellten sich bei Louis van Gaal am Samstag vor. Männer in Tracht, im Wiesn-Outfit. Sie wünschtem dem Trainer viel Glück. Van Gaal hatte seinen Spaß. Das Oktoberfest ist ja ganz nach seinem Geschmack, die Lederhosn, die Dirndl – welche Pracht.
Das war vor dem Spiel zum Wiesnauftakt gegen den 1. FC Köln. Doch vor einem 0:0 ist nicht nach einem 0:0.
Die Menschen, die Louis van Gaal zwei Stunden später begegneten, stellten Fragen, dem Ergebnis geschuldet unangenehme. Es waren Reporter, ohne Tracht. Der Spaßfaktor begrenzt. Ob man nach nur fünf Punkten in vier Spielen und der zweiten Liga-Nullnummer in Serie von einem Fehlstart sprechen könne, wurde der Holländer bei „Liga total“ gefragt. „Ja, in der Bundesliga ist das ein Fehlstart“, räumte er zunächst ein, entgegnete dann aber süffisant: „Sie fragen schon wieder, dass das ein Fehlstart ist? Aber Sie müssen wissen: Wir haben den Supercup gewonnen. Und gegen Rom! Aber da fragen Sie nach einem Fehlstart. Glückwunsch!“
Zahlen lügen nicht: Der FC Bayern hat den schlechtesten Saisonstart seit 34 Jahren hingelegt, mit der gleichen Punktausbeute wie vor einem Jahr nach dem vierten Spiel, jedoch einem schlechteren Torverhältnis. Und 2009 war es Arjen Robben, der Hoffnung machte, der mit Ribéry im Duett die Wolfsburger 4:0 zerlegte, der Trend war Bayerns Freund. Nun bleibt nur die Hoffnung. Auf eine Wende und Robbens baldige Genesung (siehe unten).
Sechs Spiele dauere es noch, bis seine Mannschaft zur gewünschten Form finde, so van der Gaal vor der Partie. Fehlen noch fünf zähe Spiele? Was die ersehnten Tore betrifft, meinte der Coach: „Wir waren oft im Strafraum. Es ist schwer, wenn alle Spieler des Gegners hinter dem Ball stehen. Ich bin mir sicher, dass die Tore wieder kommen. Es ist eine Frage der Zeit.“ Letztes Jahr behielt er Recht. Die Bayern holten nach dem Stolper-Start und der Herbst-Krise das Double. Überzeugend.
Van Gaal geht seinen Weg.
Konsequent ja, aber eine Spur zu stur? Er setzt auf eine Stammelf, vertraut im Grunde nur zwölf Spielern (zur Samstagsaufstellung kommt noch Ivica Olic hinzu), er rotiert nicht. Spieler wie Gomez oder Pranjic kommen nur zu Minuten-Einsätzen, Demichelis oder Altintop nur im Notfall zum Zuge, andere wie Timoschtschuk, Ottl oder Braafheid gar nicht.
Van Gaals Maxime: „Die Spieler brauchen Vertrauen. Ich bin für das Harmonie-Modell. Ich glaube nicht, dass Konkurrenz die Spieler besser macht. Sie erzeugt Druck und führt dazu, dass ein Trainer schnell wechselt.“
Die Lehre von Ottmar Hitzfeld, dem einsteigen Erfolgstrainer, war das genaue Gegenteil. Bei Mehrfachbelastung ließ er rotieren, schonte Spieler, vertraute einem breiten Kader. Sein Credo: „Vertrauen ist gut, Konkurrenz ist besser.“
1998 war es, als die Bayern zuletzt in der Bundesliga dreimal in Serie kein Tor erzielt hatten (0:2 gegen Köln, 0:1 in Schalke, 0:0 gegen Bochum). Dafür traf dann Giovanni Trapattoni den Nerv der Fans mit seiner legendären Wut-Rede: „Flasche leer!“
Am Dienstag muss Bayern nach Hoffenheim. Die spielen – anders als Köln – wenigstens Fußball. Ob die Reporter van Gaal danach gratulieren können? Zur Fehlstart-Korrektur?
Patrick Strasser