Van Gaal bastelt sich den FC Baycelona
Der Coach lässt Bayern stürmen wie die Katalanen. Gomez sagt vor dem Achtelfinale gegen Florenz am Mittwoch: „Barca hat die Champions League mit sechs Stürmern gewonnen – das ist unsere Philosophie“
MÜNCHEN Er kommt immer wieder darauf zurück, in beinahe jedem Gespräch, fast jedem Interview – als wäre es ein Automatismus. Geht es um die ideale Ausrichtung einer Mannschaft, um das perfekte Positionsspiel, kurz die Philosophie einer Elf, spricht Louis van Gaal den FC Barcelona an. Hätte jemand Barcas Spielweise als Buch verewigt, für van Gaal wäre es wohl die Fußball-Bibel.
Von 1997 bis 2000 und noch ein weiteres Mal in der Saison 2002/03 arbeitete van Gaal bei den Katalanen. Mit dem Job in München hat er eine Mannschaft übernommen, die er über zwei Jahre an sein Idealbild heranführen will. Er nennt es einen „Prozess“, sagt, dass der Gewinn der Champions League bei den Vertragsgesprächen nicht abgemacht worden sei. Dauert also noch. „Barcelona, Manchester United, Chelsea sind immer noch einen Schritt zu weit voraus. Aber jetzt können wir auch gegen solche Mannschaften gewinnen“, meinte van Gaal und fügte lachend hinzu: „Nur würde ich mein Geld nicht darauf wetten.“ Es geht zunächst ja auch gegen den AC Florenz, zwei Klassen tiefer anzusiedeln was Europas Kräfteverhältnisse betrifft, am Mittwoch (20.45 Uhr, Sat.1 und Sky live) im Achtelfinal-Hinspiel in der Allianz Arena.
Und wer Barca als Leitmotiv hat, muss gegen den aktuellen Tabellen-Elften der Serie A weiterkommen. „Wir wollen uns das Viertelfinale nicht nehmen lassen“, sagt Stürmer Mario Gomez. Nicht von Florenz! Das ist keine Mannschaft, an der man sich orientiert in diesen Tagen beim FC Bayern. Schon gar nicht nach solch einer Siegesserie, bei solch einer Offensiv-Wucht mit Ribéry, Robben, Gomez, Müller, Olic, Klose. Einem Team, das die Defensive zuletzt als lästige Pflichterfüllung ansah, man schießt ja vorne doch genügend Tore.
Und schon fällt das B-Wort. „Barca hat mit sechs Stürmern die Champions League zwei Mal gewonnen.“ Gomez übertreibt etwas, betont aber: „Das ist auch unsere Philosophie. Wir wollen das Spiel bestimmen, nicht auf Konter spielen. Der Trainer gibt die Philosophie vor, wir haben die Spieler dafür. Barcelona ist das Idealbild – wie sie das Spiel dominieren, wie sie eine Partie bestimmen können. Daran können wir uns orientieren.“ Sechs Stürmer? Zumindest vier sind es oft, wenn Arjen Robben rechts und Franck Ribéry über links an den Linien entlang stürmen, um Gomez und Müller oder Olic in der Mitte zu suchen. Dann wird aus dem 4-4-2 ein 4-2-4.
Wie Barcelona mit Messi, Henry, Ibrahimovic und den Mittelfeldspielern, die nach vorne hineinstoßen. Sturm- und Drang. Das ist Bayern 2010. Das sind die van-Gaal-Bayern. Mit einer Menge Kollateralschäden, sprich Chancen für die Gegner, jedoch qualitativ so gut, dass sogar Arbeitgeber-Kritiker Philipp Lahm mittlerweile begeistert ist. Im November kritisierte er Vereinsphilosophie und Spielweise, nun meinte er im „kicker“: „Wir spielen jetzt richtig Fußball, wir haben eine Ordnung, eine Philosophie.“ Der FC Baycelona? Lahm: „Wir sind da in der Entwicklung, und haben einen großen Schritt aufgeholt. Noch klafft ein Abstand.“ Noch? „Kommende Saison können wir schon als Mitfavoriten gelten“, sagt Lahm, „in dieser ist das Halbfinale drin.“
Das Streben nach Barca, das Streben nach Erfolg – Lahm gefällt es so gut, dass er nicht mehr über einen Wechsel nachdenkt. „Für mich ist das Thema Barcelona im Moment erledigt“, sagte der 26-Jährige, „wir sind auf dem Weg, wie ich es immer haben wollte.“ Was auch Ribéry davon abhalten könnte, im Sommer zu wechseln. Lahm: „Wir sind in der richtigen Spur, deshalb bin ich überzeugt: Ribéry bleibt.“
Patrick Strasser