Van Buyten: „Ich hätte alles dafür gegeben, Vater gesund zu machen“
Hier verrät Daniel van Buyten, dass er wegen der Krankheit seines Vaters ans Aufhören dachte. Heute verständigt er sich ohne Worte mit ihm. „Ich verstehe Dinge, die meine Mutter nicht sieht“
AZ: Herr van Buyten, im Sommer werden viele Ihrer Kollegen in Südafrika bei der WM spielen. Belgien hat sich wieder mal nicht qualifiziert. Was machen Sie im Sommer?
DANIEL VAN BUYTEN: Ich schau mir die WM im Fernsehen an, werde verfolgen, was meine Kumpels vom FC Bayern so treiben. Und ansonsten Freude ich mich auf die Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen kann.
Sie hätten auch für die DFB-Elf spielen können, Ihre Mutter ist Deutsche.
Sicher, darüber hätte ich am Anfang der Karriere nachdenken können. Aber ich bin in Belgien aufgewachsen, um dem DFB aufzufallen, hätte ich meine Heimat, meine Familie noch früher verlassen müssen. Das kam für mich aber nie in Frage.
Sie betonen oft, ein sehr gutes Verhältnis zu Ihrer Familie zu haben.
Ja, ich war immer ein Familienmensch, ich mag dieses grenzenlose Vertrauen, diese Verbundenheit, die nur Familienmitglieder haben können. Durch die Krankheit meines Vaters (Franz van Buyten hatte im April 2009 einen Schlaganfall, die Red.) ist der Stellenwert meiner Familie für mich natürlich noch gestiegen.
Und doch haben Sie einen Beruf ergriffen, der Sie weit wegführt von Ihrer Familie.
Ich wollte immer Fußballprofi werden. Aber als es dann so weit war, ist es mir sehr schwer gefallen, meine Eltern zu verlassen. Mein Vater war es damals, der mich immer wieder aufgebaut hat, wenn ich Heimweh hatte.
Wie hat sich das Heimweh geäußert?
Besonders schlimm war es, als ich nach Marseille ging, meine erste Auslandsstation. Marseille liegt am Meer, ist eine wunderschöne Stadt, die viel Lebensqualität bietet. Aber das habe ich am Anfang nicht genießen können. Die ersten Nächte in Marseille lag ich wach im Bett, konnte nicht schlafen, hatte Tränen in den Augen. Wir waren im Trainingslager und ich habe mir ständig gedacht, was mache ich hier? Ich habe ständig mit meinen Eltern, vor allem mit meinem Vater, telefoniert. Diese Gespräche haben mir Kraft gegeben.
Können Sie mit Ihrem Vater jetzt noch kommunizieren?
Ja, mit Blicken, Gesten, Berührungen. Wir standen uns ja immer sehr nah, jeder kennt den anderen, also kannst du spüren, was der andere will. Ein Blick genügt oft, um genau zu wissen, was los ist. Manchmal verstehe ich Dinge, die auch meine Mutter nicht sieht. Die Verständigung dauert länger, aber es funktioniert.
Besteht Hoffnung, dass Ihr Vater wieder vollständig gesund wird?
Wenn er 30 wäre, würde ich sagen, ja. Aber er ist 70 , er wird nie mehr so sein wie früher, an dieser Vorstellung musste ich lange knabbern. Es geht mir wieder etwas besser, aber die Erinnerung an das, was passiert ist, macht mir zu schaffen. Ich wusste damals nicht, wie es weitergehen soll.
Mit dem Fußball?
Auch. Als das passiert ist, war mir Fußball plötzlich total egal. Ich hätte alles für meinen Vater gegeben, um ihn wieder gesund zu machen. Mein Geld, meinen Beruf, alles. Wenn es meinem Vater geholfen hätte, wäre ich ganz normal arbeiten gegangen, wie jeder andere auch.
Sie haben erwogen, Ihre Karriere zu beenden?
Anfangs ja. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Und mein wichtigster Ratgeber und Freund konnte mir keine Ratschläge mehr geben; am Anfang konnte mein Vater sich gar nicht verständigen. Also habe ich mit guten Freunden und meiner Mutter gesprochen. Und sie hat mich letztlich davon überzeugt, dass mein Vater nicht wollen würde, dass ich aufhöre mit dem Fußball. Er war immer so stolz auf das, was ich tue. Ich bin meiner Mutter sehr dankbar dafür, weil ich heute weiß, dass weiterzumachen die richtige Entscheidung war. Ich bin richtig hungrig auf Fußball und auf Titel. Ein paar Jahre möchte ich noch spielen.
Beim FC Bayern? Ihr Vertrag läuft aus.
Am liebsten mit dem FC Bayern, klar. Wir haben eine tolle Truppe, einen tollen und intelligenten Trainer. Für mich passt hier alles. Es haben auch schon erste Gespräche zwischen dem Klub und meinem Berater stattgefunden.
Letztes Jahr hat Bayern Mark van Bommel, damals auch 31, nur einen Einjahresvertrag angeboten. Was wollen Sie?
Ich bin 31, fühle mich aber wie 25. Ich bin jung im Kopf und habe immer auf meinen Körper geachtet. Natürlich wäre es mir am liebsten, wenn wir für zwei, drei Jahre verlängern könnten. Ein Jahr ist immer so schnell rum.
Interview: Filippo Cataldo