Valérien Ismaël: "Coman macht den Unterschied"

Valérien Ismaël spricht im AZ-Interview über die EM in Frankreich, die Bayern-Profis Kingsley Coman und Franck Ribéry, seine sportlichen Erwartungen und die politischen Probleme.
von  Julian Buhl
Im Interview spricht Valérien Ismaël über die Rolle von Kingsley Coman bei der EM.
Im Interview spricht Valérien Ismaël über die Rolle von Kingsley Coman bei der EM. © firo/GES/Augenklick

München - Der 40-Jährige spielte unter anderem für Werder Bremen (2003-2005) und den FC Bayern (2005-2007). Aktuell arbeitet er als Trainer der zweiten Mannschaft beim VfL Wolfsburg.

AZ: Herr Ismaël, wem drücken Sie bei der EM mehr die Daumen: Frankreich, wo sie geboren sind oder Deutschland, wo sie seit Jahren leben und 2013 die Staatsbürgerschaft angenommen haben?

VALÉRIEN ISMAËL: Ich wünsche der deutschen Mannschaft, dass Sie es schafft, den WM-Titel zu bestätigen. Deutschland ist mein Favorit. Frankreich drücke ich aber aus zwei Gründen die Daumen: Erstmal wäre es sportlich sehr wichtig, sich gut zu präsentieren, gerade bei der Heim-EM. Und zweitens wegen des politischen Hintergrundes. Es gab auch viele Negativschlagzeilen über die Nationalmannschaft, mit Karim Benzema und jetzt diesem Rassismusvorwurf. Erfolge würden die Lage bestimmt beruhigen und wären nicht nur sportlich wichtig für Frankreich.

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"Frankreich ist Topfavorit", sagt Bundestrainer Joachim Löw.

Frankreich ist in einer Findungsphase. Sie haben gute Spiele abgeliefert, auch gegen Deutschland. Es ist aber auch eine junge Mannschaft mit vielen Spielern, die erst in dieser Saison explodiert sind, wie zum Beispiel Coman, Griezmann, Martial. Man muss die Gruppenphase mal abwarten. Nach jeder Runde, die Frankreich weiterkommt, werden die Zuversicht und Hoffnung im Land größer und das Wir-Gefühl stärker geprägt. Dann kann sich eine eigene Dynamik entwickeln. Einen guten Start zu erwischen, ist wichtig, damit man die Fans gleich mitnehmen kann.

 

Mit Franck Ribéry und Karim Benzema sind zwei der stärksten Spieler nicht dabei.

Es ist nicht nur eine Frage der individuellen Qualität, sondern auch eine der Harmonie. Benzema hat immer eine wichtige Rolle gespielt. Seine Nichtnominierung hat andere Gründe, keine sportlichen. Im Gegensatz zu Ribéry. Gerade auf seiner Position sind viele junge Spieler dazugekommen, eine neue Generation, der man jetzt die Chance geben möchte, sich zu beweisen.

 

Dazu gehört auch der von Ihnen bereits angesprochene Bayernprofi Kingsley Coman. Kann er einer der Stars dieser EM werden?

Auf jeden Fall. Es ist ein Spieler, der den Unterschied macht. Er bringt alle Voraussetzungen mit: Schnelligkeit, Mut und er kann Eins-gegen-eins-Situationen lösen. Er hat eine unglaubliche Entwicklung bei Bayern hinter sich. Sie haben ihn peu a peu aufgebaut und integriert. Obwohl er noch sehr jung ist, ist er schon sehr reif in seinem Spiel. Er liebt schon diesen Druck und die schwierigen Situationen, die er lösen muss.

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Was trauen Sie Bastian Schweinsteiger, ihrem ehemaligen Teamkollegen beim FC Bayern, bei der EM zu?

Er ist der Kapitän und die Identifikationsfigur dieser Mannschaft. Er hat einen sehr schweren Weg mit einer langen Verletzung hinter sich. Aber Deutschland hat Erfahrung mit so etwas, zum Beispiel bei Sami Khediras Kreuzbandriss vor der WM 2014. Die Spieler haben dann bei den Turnieren immer Topleistungen abgeliefert. Bastian wird eine wichtige Rolle spielen und sich Woche für Woche steigern.

 

Am Freitag geht die EM los. Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen?

Eigentlich ist es schön, so ein Ereignis miterleben zu können. Aber so eine richtige Vorfreude kann man in Frankreich momentan noch nicht spüren. Da gibt es gemischte Gefühle, die Angst ist im Hinterkopf. Und auch unabhängig von den Anschlägen von Paris gibt es noch andere politische Probleme im Land, viel Unruhe und Unsicherheit. Es ist wichtig, gerade durch den Sport und den Fußball ein positives Signal zu senden und dadurch das Land vielleicht wieder zusammenzubringen.

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