Unberechenbare Bayern: Auch ohne Lewandowski gibt es Triple-Träume

München - Zwei Spiele hat es gedauert - doch nun ist sie endgültig ausgebrochen: Die Robert-Lewandowski-Mania beim FC Barcelona. "Lewandowski hebt Barça in den Orbit!", schrieb die Zeitung "Marca" überschwänglich nach dem 4:1 der Katalanen gegen Real Sociedad San Sebastián. Und Trainer Xavi sagte über Lewy: "Er hat Führungsqualitäten, ist ein Vorbild, ein spektakulärer Fußballer, ein natürlicher Anführer, ein Spieler der Gegenwart und der Zukunft."
Zum Start der spanischen Liga hatte es noch ein enttäuschendes 0:0 gegen Rayo Vallecano gegeben, nun führte Lewandowski Barça mit zwei Toren zum Sieg - und zeigte an seinem 34. Geburtstag, dass er vom Herbst seiner Karriere weit entfernt ist. "Obwohl er 34 ist, wirkt er wie 20", sagte Teamkollege Pedri.
Robert Lewandowski wird beim FC Bayern nicht vermisst
Das Erstaunliche: Beim FC Bayern, seinem Ex-Klub, wird Lewandowski trotz der aktuellen Weltklasse-Form nicht vermisst. Ein größeres Kompliment könnte man den Kader-Planern an der Säbener Straße kaum machen. Das Geheimnis der Münchner Post-Lewy-Ära: Die Verantwortung in der Offensive wird jetzt auf mehrere Spieler verteilt - und das funktioniert exzellent.
"Jetzt schießt nicht einer 41 Tore, sondern alle treffen", erklärte Lothar Matthäus in seiner Sky-Kolumne: "Der FC Bayern hat sich im Grunde neu erfunden, denn die zehn letzten Meisterschaften fanden mehr oder weniger im 4-2-3-1-System statt. Jetzt hat Nagelsmann durch den Weggang von Lewandowski und den Kauf von Mané die Möglichkeit, sein favorisiertes 4-2-2-2 spielen zu lassen."
Zahlreiche Bayern-Stars drängen ins Scheinwerferlicht
Die Folge: Bayern ist unberechenbar geworden. Die 20 Tore in den bisherigen vier Saisonspielen - 5:3 im Supercup gegen Leipzig, in der Liga 6:1 in Frankfurt, 2:0 gegen Wolfsburg, 7:0 in Bochum -, verteilen sich auf insgesamt neun Spieler: Matthijs de Ligt (1 Tor), Benjamin Pavard (2), Kingsley Coman (1), Serge Gnabry (3), Joshua Kimmich (1), Thomas Müller (1), Jamal Musiala (4), Leroy Sané (2) und Sadio Mané (4). Bochums Cristian Gamboa erzielte zudem ein Eigentor.
Es macht fast den Eindruck, als würden einige Stars nun aus dem einst großen Lewandowski-Schatten ins Licht drängen - erst recht Juwel Musiala, der die Partie in Bochum wegen einer Zerrung im Adduktorenbereich verpasste, am Dienstag aber schon wieder mit Ball an der Säbener Straße trainierte. Musiala soll im Topspiel gegen den Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach am Samstag (18.30 Uhr/Sky) wieder zur Verfügung stehen. Wichtig!
Der FC Bayern ist vorne extrem variabel
Der Plan der Bosse um Sportvorstand Hasan Salihamidzic geht aktuell voll auf: Trainer Julian Nagelsmann kann in der Offensive auf vier Positionen zwischen sechs Spielern - Mané, Müller, Gnabry, Coman, Sané, Musiala - ohne großen Qualitätsverlust rotieren lassen. Das sorgt für mächtig Konkurrenzkampf und hält die Spannung hoch.
Ebenfalls positiv: Jeder der genannten Angreifer kann jede der vier Offensivrollen ausfüllen. Mané lässt sich mal ins Mittelfeld zurückfallen, Musiala stößt immer wieder mal in die Spitze, Coman, Gnabry und Sané können sowohl über rechts als auch über links angreifen. Und Müller, der Topscorer der Bundesliga (ein Treffer, vier Vorlagen), ist sowieso überall zu finden.
Salihamidzic: Der FC Bayern nimmt das Triple ins Visier
Bayern hat derzeit nicht nur die "schnellste Offensive Europas" (Zitat: Karl-Heinz Rummenigge), sondern auch die flexibelste. Ob das der große Trumpf ist beim Kampf um den Champions-League-Titel? "Wir haben uns verstärkt. So wie alles zusammengestellt ist, können wir gut in die Saison blicken", sagte Salihamidzic beim "Sport Bild"-Award in Hamburg: "In der Champions League wollen wir weit kommen, möglichst ins Finale. Dazu Meisterschaft und Pokal, wir wollen um alle drei Titel spielen."
Höchste Ansprüche - wie immer bei Bayern. Der einzige Spielertyp, der im Kader fehlt, ist ein klassischer Mittelstürmer. Mathys Tel braucht mit seinen 17 Jahren noch Zeit, Joshua Zirkzee will weg und Eric Maxim Choupo-Moting stellt kein internationales Spitzenniveau dar. Ob man das in engen Königsklassen-Partien ab dem Achtelfinale nächstes Jahr noch merken wird?
Offen. Klar ist: Zum Saisonstart funktioniert bei Bayern im Angriff fast alles - und von Robert Lewandowski redet niemand. Außer in Barcelona.