„Ulikallefranz – das war fast Comedy“

Führungstroika des Rekordmeisters löst sich auf: Präsident Beckenbauer geht, Manager Hoeneß wird Präsident. Hier erinnert sich Vorstandschef Rummenigge an 35 Jahre mit zwei guten Freunden
von  Abendzeitung
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Führungstroika des Rekordmeisters löst sich auf: Präsident Beckenbauer geht, Manager Hoeneß wird Präsident. Hier erinnert sich Vorstandschef Rummenigge an 35 Jahre mit zwei guten Freunden

AZ: Herr Rummenigge, am Freitagabend ist es also so weit: Uli Hoeneß wird zum Präsidenten des FC Bayern gewählt. Eine Ära endet, der Manager des FC Bayern ist weg...

KARL-HEINZ RUMMENIGGE: Also eines vorneweg: Uli ist natürlich ganz und gar nicht weg! Er wechselt als Präsident und Aufsichtsratschef nur auf eine andere Ebene.

Wird das nicht ungewohnt? Jahrzehntelang hatte Uli Hoeneß hier im zweiten Stock der Säbener Straße 51 sein Büro, nur zwei Türen weiter.

Und er wird es auch behalten! Zwar wird er nicht mehr jeden Tag hier sein, aber so wie ich ihn kenne ist er bestimmt ein, zwei Tage die Woche hier.

Und Sie kennen ihn schon lange. Sogar noch als Spieler.

Das stimmt, seit 35 Jahren! Als ich 1974 als junger Bursche ins große München kam, ging gerade Paul Breitner, mit dem er sich das Zimmer geteilt hatte, zu Real Madrid, Ich wurde dem Uli im wahrsten Sinne des Wortes ins Bett gelegt – vom damaligen Trainer Udo Lattek.

Und wie war er, der Zimmergenosse Hoeneß?

Das war ein Glück für mich, denn ich konnte viel von ihm lernen. Ein Beispiel: Wir hatten da ein Turnier in Huelva, wir hatten verloren, es gab Theater, ich aber hatte keine Minute gespielt. Wir lagen im Bett, als Uli zu mir sagte: "Junge, du musst jetzt richtig Gas geben!" Er hat mich gepusht. Was simpel klingt, war für mich, einen 18-Jährigen aus dem kleinen Lippstadt, ein großer Ratschlag: Nie abwarten, angreifen!

Klingt fast nach Hoeneß' Lebensmotto. Hat man schon damals gemerkt, dass aus dem Spieler Hoeneß mal ein Manager werden könnte?

Er hatte ein ausgeprägtes Faible für wirtschaftliche Zusammenhänge. Ich erinnere mich an einen Abend vor einem Bundesliga-Spiel. Beim Fernsehen, abends viertel nach acht, der Kommissar – und Uli hatte eine Kiste mit tausend Blättern vor sich und unterschrieb. Ich fragte ihn: Was machst Du da? Er antwortete: Ich unterschreibe Einbände. Er hatte ein Buch geschrieben und signierte alle eigenhändig. Er musste Nachschub liefern und sagte zu mir: "Das gibt zwei Mark pro Buch!" Das war damals ein Wahnsinnsgeld. Er war tatsächlich, neben seiner großen Liebe für den Fußball, schon früh ein Geschäftsmann, ein kühler Geschäftsmann.

Uli Hoeneß kühl?

Wenn er irgendein Ziel hatte, hat er das total konsequent verfolgt. Er wusste von Anfang an, dass man eine sehr gute finanzielle Basis haben muss, um sportlichen Erfolg zu haben. Als ich 1984 zu Inter Mailand wechselte, da war das ein Wechsel, der fast sein musste.

Der FC Bayern musste Spieler verkaufen? Unvorstellbar!

Ja, damals hatte der Verein bei zwölf Millionen Mark Umsatz sieben Millionen Mark Verbindlichkeiten!

Sie mussten also mit Ihrem früheren Zimmerpartner über Verträge verhandeln...

Komischerweise nur einmal. Ich sollte meinen Vertrag verlängern, da hatten wir ein bisschen Stress.

Aber Sie beide waren konsequent per Du?

Natürlich! Uli Hoeneß hat nie großen Wert auf Formalien gelegt. Alle Spieler, eigentlich bis heute, haben immer nur "Manager" zu ihm gesagt.

Somit verliert Uli Hoeneß am Freitag seinen Namen!

(lacht) Nein! Alle werden weiter "Manager" zu ihm sagen, er bleibt der Manager.

Und er bleibt auch als der impulsivste Manager der Bundesliga in Erinnerung.

Tatsächlich war er immer sehr emotional, aber in den letzten beiden Jahren erlebe ich einen zurückgenommenen Uli. Wenn ich mich beispielsweise an den legendären Fernsehauftritt im Sportstudio mit Christoph Daum (1989, d. Red.) erinnere. Das war Fernsehgeschichte – und wäre heute so nicht mehr denkbar. Er war immer ein leidenschaftlicher Kämpfer für den FC Bayern, er stand eben immer unter Volldampf.

Und zwar auch noch 2007. Auf der Jahreshauptversammlung gab es seinen wohl legendärsten Wutausbruch überhaupt - inklusive der "Scheißstimmung". Sie saßen neben ihm, wurden immer nervöser. Wundern Sie sich über sowas eigentlich noch?

Ja, da staune ich. Aber es ist dennoch erklärbar. Wenn man sieht, was er in diesen 30 Jahren für den FC Bayern geleistet hat, da kann er bei ungerechtfertigter Kritik empfindlich werden. Da platzt ihm der Kragen. Ich sage es mal vereinfacht: Es gibt bei Uli einen Druckknopf. Wenn es einer schafft, den zu finden, dann explodiert er. Aber es ist eben schwieriger geworden, den Druckknopf zu finden.

Auch intern? Sie schildern ihn als besonnen und kühl.

Doch das passiert auch hier, bei internen Gesprächen. Er ist geradeaus, redet nie um den heißen Brei herum.

Was man auch auf der Tribüne beobachten kann. Seit dieser Saison sitzt Hoeneß bei Ihnen und Vorstandskollege Karl Hopfner. Ist er da gelassener geworden?

Von wegen! Ich habe sogar überlegt, mich wegzusetzen.

Wie bitte?

Nein, nicht wegen Uli, sondern weil alle Kameras nun auf uns gerichtet sind. Man kann seinen Emotionen nicht mehr freien Lauf lassen.

Hoeneß macht das einfach.

Ja, wir sind Brüder im Geiste, haben aber eben unterschiedliche Charaktere.

Was man schon an Kleinigkeiten sehen kann. Legendär ist die Technikfeindlichkeit von Uli Hoeneß. Schreiben Sie ihm manchmal eine SMS?

Nein, das ist absolut zwecklos. Er ist da oldfashioned. Er ist eben so. Er hat bis heute keinen Computer in seinem Büro, er hat keine E-Mail-Adresse. Er hat ein Handy, aber er hört nicht einmal die Mailbox ab. Wenn die voll ist, löschen Markus Hörwick (Bayerns Mediendirektor, d. Red.) oder ich das Ding - ohne dass er sie vorher abhört! Aber wenn ich ihn brauche, erreiche ich ihn immer!

Auch in Zukunft? Ab Freitag ist das legendäre Bayern-Trio Ulikallefranz tatsächlich gesprengt...

(lacht) Ulikallefranz - das war ja fast schon Comedy. Aber im Ernst: Es wird eine große Zäsur, das Ende einer Ära. Aber genau wie bei Uli wird auch die Meinung vom Franz, der ja nach 51 Jahren offiziell aufhört, weiter sehr, sehr wichtig für uns sein. Und im Gegensatz zu Uli, der ja nicht wirklich geht, haben wir uns für den Franz auch etwas ganz Besonderes überlegt. Lassen Sie sich überraschen!

Jochen Schlosser

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