"Uli ist wieder der Alte"

Ein Interimstrainer als ideale Lösung: Wie Jupp Heynckes die Bayern wieder zu dem gemacht hat, was sie sein wollen.
von  Abendzeitung
Möglich, dass sie auch jetzt noch einträchtig nebeneinander stünden: Uli Hoeneß und Jupp Heynckes.
Möglich, dass sie auch jetzt noch einträchtig nebeneinander stünden: Uli Hoeneß und Jupp Heynckes. © dpa

Ein Interimstrainer als ideale Lösung: Wie Jupp Heynckes die Bayern wieder zu dem gemacht hat, was sie sein wollen.

AZ: Herr Heynckes, drei Spiele, drei Siege – Sie haben den FC Bayern seit Ihrer Rückkehr wieder auf Kurs gebracht. Ein unverhofftes Comeback, vor Wochen noch ausgeschlossen, und nun ist auch noch Ihr einstiger Schüler Ewald Lienen in der Stadt, als 1860-Coach. Die Gladbacher Schule hält Einzug.

JUPP HEYNCKES: Ja, das ist schon verrückt, wirklich kurios. Das hätte ich vor ein paar Wochen niemals für möglich gehalten. Ich war ja nur zu Besuch bei Uli Hoeneß. Und bei Ewald hätte ich mir im Grunde immer gewünscht, dass er bei Borussia Mönchengladbach, meinem Heimatklub, eine Funktion im Management übernimmt. Das kann er sicherlich auch, das würde passen, aber er ist eben noch mehr Trainer. Und jetzt soll er erst mal die Löwen retten, und ich bin zuversichtlich, dass meinem Freund Ewald das gelingen wird.

Über sich sprechen Sie dieser Tage wenig. Dabei haben Sie dem Klub und den Fans nicht nur Punkte gebracht, sondern vor allem das gute Gefühl zurückgegeben.

Es geht um die alte Stärke des FC Bayern, darum etwas zurückhaltender zu agieren. Mit Ruhe und Übersicht. Das entspricht auch meinem Arbeitsstil. Ich habe lange Jahre in Spanien gearbeitet und da vieles gelernt. Ich bin noch erfahrener geworden, kann Wichtiges von Unwichtigem besser trennen. Außerdem kann ich trotz meines fortgeschrittenen Alters besser mit der heutigen Spielergeneration umgehen.

Besonders das Beispiel Lukas Podolski zeigt, wie gut Ihnen das derzeit gelingt. Podolski wirkt wie neugeboren.

Das freut mich sehr für ihn. Wissen Sie, man muss den Spielern gegenüber Respekt aufbringen, immer ehrlich und ganz offen mit ihnen umgehen. Sicherlich ist Disziplin sehr wichtig, Regeln müssen im Umgang miteinander eingehalten werden, aber ich kann auch mal ein Auge zudrücken, da bin ich gelassener und unaufgeregter geworden. Fußballer sind immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Sie sind privilegiert, müssen aber auch wissen, wo es langgeht, was sie für ein Sozialverhalten an den Tag zu legen haben. Das zu vermitteln, darum geht es als Trainer.

Wie haben sich denn die Spielergenerationen im Laufe der Jahrzehnte verändert?

Heutzutage sind fast alle Spieler viel lockerer, nehmen die Dinge selbstverständlicher hin. Dennoch gehört die nötige Portion Ernsthaftigkeit dazu. Wenn du eine Mannschaft mit Qualität hast, vereinigt sie beides, dann ist es eine saubere Truppe.

Die eine saubere Führung braucht. Sie wirken so, als würden Sie das ganz nebenbei machen.

Ich bin ein nüchterner Mensch, sachlich, und nehme es hin wie es ist. Das ist ganz gut so.

Kommen Sie überhaupt dazu, ihren überraschenden Vier-Wochen-Job beim FC Bayern zu genießen?

Als Trainer ist das schwierig. Okay, bei einer 3:0-Führung wie gegen Leverkusen geht das, aber ansonsten? Es ist ein Fulltime-Job. Nach den Trainingseinheiten fahre ich ins Hotel und schaue mir eine DVD des nächsten Gegners an oder die Live-Übertragungen im TV. So richtig bin ich noch nicht dazugekommen, zu reflektieren, was hier eigentlich passiert.

Es muss aber doch auch Ihnen Spaß machen, mit Spielern der Qualität von Ribéry, Klose oder Toni zu arbeiten.

Ja, sicher. Diese Offensive erinnert mich an Real Madrid, als ich sie 1997/98 betreut hatte. Damals hatten wir mit Raul, Suker, Morientes und Mijatovic ähnliche Kaliber - was hier bei Bayern unter Vertrag ist, ja, das ist allerdings auch allererste Sahne. Ich genieße das.

Ihr Freund Uli Hoeneß ist Ihnen unendlich dankbar, dass Sie eingesprungen sind. Er lobte, dass Sie „totale Ruhe in den ganzen Verein'“gebracht hätten.

Als ich die Mannschaft vor etwas mehr als zwei Wochen übernahm, sah es nicht so gut aus. Nun haben wir unsere Lage verbessert. Und nun ist auch der Uli wieder richtig angriffslustig, er blüht auf. Uli ist wieder der Alte.

Am Samstag steht der vorletzte Spieltag an, Bayern muss nach Hoffenheim. Die Gefahr: Mit Ribéry, Toni, Zé Roberto und Kapitän van Bommel sind vier Schlüsselspieler vorbelastet, würden bei einer weiteren Gelben Karte am 34. und wohl entscheidenden Spieltag gegen den Titelrivalen VfB Stuttgart fehlen.

Die Spieler, so hoffe ich, disziplinieren sich selbst. Nehmen Sie Mark van Bommel: Seit ich da bin, hat er in den drei Partien fast kein einziges Foulspiel begangen, er hat eine gute Antizipation, löst alles mit seinem Stellungsspiel. Von der Aufstellung her kann ich keine Rücksicht drauf nehmen, aber ich werde die Spieler natürlich allesamt darauf aufmerksam machen.

Interview: Patrick Strasser

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