Uli Hoeneß verurteilt: Auf Zeit gespielt - und verloren

Uli Hoeneß war einmal ein Sieger: Hals über Kopf verlässt der Angeklagte nach dem Urteil das Gericht. Nicht einmal ein Schlusswort will er sagen. Der Richter übt noch mal heftige Kritik.  
Georg Thanscheidt |
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Uli Hoeneß war einmal ein Sieger: Hals über Kopf verlässt der Angeklagte nach dem Urteil das Gericht. Nicht einmal ein Schlusswort will er sagen. Der Richter übt noch mal heftige Kritik.

München - Nichts wie raus. Regungslos hat Ulrich Hoeneß der Urteilsbegründung vom Richter Rupert Heindl gelauscht. Die Hände wie stets in diesem Prozess flach auf der Tischplatte, die Stirn in immer tiefere Falten gelegt. Jetzt drängt er sich hinter seinem Verteidiger Hanns W. Feigen aus dem Sitzungssaal 134 des Münchner Justizpalasts.

Schon in der Tür schiebt er seine Hände in die Hosentasche. Eine Geste der Lässigkeit, die heute nur Halt- und Fassungslosigkeit ausdrückt. Sie haben ihn tatsächlich verurteilt. Zu dreieinhalb Jahren Haft, gegen die Hoeneß in Revision geht.

Der Blick ins Leere - so hat Ulrich Hoeneß auch den letzten Prozesstag über sich ergehen lassen. Ab und zu zieht er seine Mundwinkel nach unten, als Staatsanwalt Achim von Engel seine Vorwürfe im Plädoyer präzisiert und belegt. Es fällt Hoeneß sichtlich schwer, sein Schicksal in fremde Hände zu legen – erst in die seines Verteidigers Feigen, schlussendlich in die des Richters Heindl. Vor Gericht steht ihm von Rechts wegen das letzte Wort zu. Eine Gelegenheit, die er außerhalb des Gerichtssaals quasi als sein Naturrecht betrachtet hat. An diesem Donnerstagmittag sagte er, nachdem Feigen um Milde gebeten hatte, nur: „Ich habe dem nix hinzuzufügen.“ Seine Frau Susi saß wieder im Saal.

Hoeneß’ Strahlkraft als erfolgreichster Fußball-Manager der Welt hat gelitten in diesem Prozess. Und obwohl sein Anwalt weiß, dass das bei der Strafzumessung keine Rolle spielt, zeichnet er doch in seinem Plädoyer wieder das Bild des „guten Menschen vom Tegernsee" . Dafür bemüht Feigen sogar Gerd Müller. Hoeneß habe stets Gutes getan, er habe da geholfen, wo Not am Mann ist. Um das zu illustrieren, „muss ich gar nicht von Gerd Müller und seinem Schicksal sprechen", sagt der Jurist – und tut es so doch.

Der demütige Hoeneß, das ist wie der schwarze Schimmel. Es ging nicht zusammen bisher. Dabei kommt er von unten, hat sich hochgearbeitet. Er hat als Ulmer Metzger-Sohn gesehen, wie hart der Kampf ums Auskommen sein kann. Er half einst dem Vater an der Kasse. Er rannte und rannte, weil er noch schneller war als fußballbegabt. Und seine Schnelligkeit verschaffte ihm die große Karriere.

Lesen Sie hier: Die Mundwinkel zuckten - so erlebte Hoeneß den Moment der Urteilsverkündung

Mit 18 beim FC Bayern, mit 20 in der Nationalmannschaft, dreimal Europacupsieger, Welt- und Europameister. Und doch endete die Karriere schmerzhaft. Mit einem kaputten Knie – und der Erfahrung, auf der Massagebank zu hören, dass man den Spieler Hoeneß verkaufen wolle. „Das wird es bei mir nicht geben , dass einer, der gerade schwach ist, um seinen Arbeitsplatz fürchten muss“, sagte er mal, da war er schon Manager.

Lesen Sie hier: Uli Hoeneß - Der Absturz eines Patrons

Mit 27 wechselt er auf die Bank, seinen FC Bayern verwandelte er vom zwölf-Millionen-Umsatz-Verein zum Unternehmen mit 400 Millionen Umsatz im Jahr. Natürlich gab es Brüche, wie den Absturz eines Privatflugzeugs in Hannover, den er 1982 als einziger überlebt. „Der Sonnyboy in mir ist da gestorben“ sagte er. Und dann ging es steil bergauf. Er wurde zum erfolgreichsten Fußball-Manager Deutschlands.

Neben dem Erfolgs-Typen gab es stets auch noch die „Abteilung Attacke“. Sportliche Opfer sind Werder-Manager Willi Lemke oder Christoph Daum, die TV-Auftritte sind Highlights und Legende. Aber Hoeneß gefiel sich auch als moralische Instanz: „Ich weiß, dass es doof ist“, sagte er 2005, „Aber ich zahle volle Steuern.“

Lesen Sie hier: "Kluges Urteil" - ein AZ-Kommentar vorn Arno Makowsky

Das war dreist gelogen. Vor anderthalb Jahren noch schimpfte er bei Günther Jauch über eine „Reichensteuer“: „Dann gehen die Reichen nach Österreich und in die Schweiz und dann haben wir gar nix davon.“ Soziales Engagement – wie bei Breno oder Gerd Müller, Aussteiger-Projekte für Neo-Nazis, lautstarke Unterstützung für die Dominik-Brunner-Stiftung für die Opfer von Gewalt: Das machte Hoeneß populär, Bundeskanzlerin Angela Merkel schmückte sich mit ihm, Horst Seehofer ließ sich gerne mit ihm fotografieren. „Mehr Hoeneß in der Politik“, das fanden mal 80 Prozent der Befragten gut.

Das ist vorbei. „Der Kick“, „das reine Adrenalin“ sei das Zocken gewesen, hat er zu seinen krummen Börsengeschäften gesagt, Um die Details habe er sich nicht recht gekümmert. Aber das Gericht nimmt ihm das nicht ab. „Sie hatten genug Zeit, Ihre Angelegenheiten zu regeln, aber Sie haben, wie Sie selbst eingeräumt haben, auf Zeit gespielt“, sagt Richter Heindl. Tatsächlich hatte Hoeneß im Prozess gesagt, er habe die Übergabe der Bankakten „nicht mehr so vehement verfolgt", nachdem ihm die Anklage zugestellt worden war. Ausgerechnet da – als habe er schon vor dem Abpfiff jede Hoffnung fahren lassen. „Dabei ging der Ball da wieder in Ihr Spielfeld, Herr Hoeneß", sagt Heindl. Die Selbstanzeige war unzureichend. „Sie hatten nicht alles, was man dazu braucht und haben es trotzdem riskiert."

Und verloren.

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