Überflieger-Kommando: Bloß nicht abheben!

Der FC Bayern zerlegt seine Gegner derzeit scheinbar nach Belieben – die Bosse achten darauf, dass keiner überheblich wird.
von  Thomas Becker

Der FC Bayern zerlegt seine Gegner derzeit scheinbar nach Belieben – die Bosse achten darauf, dass keiner überheblich wird

MÜNCHEN - Dieter Hoeneß macht nicht mit bei La Ola. Bleibt einfach hocken und grinst. Anders die Bayern-Troika neben ihm: Karl-Heinz Rummenigge hebt im Sitzen die Finger immerhin bis auf Augenhöhe, Karl Hopfner wirft sie hoch über den Kopf, und Uli Hoeneß steht schon, Fan-Schal um den Hals und die Hände zum Himmel: Komm, lass uns fröhlich sein!

Stufenweise Begeisterung hat das 6:1 gegen Lille ausgelöst. Ein historisches Ergebnis: Nie in der Geschichte der Königsklasse führte ein Team zur Pause 5:0. „Das war Spaßfußball”, frohlockte Hattrick-Schütze Claudio Pizarro, der seit dem 7. Dezember 2010 wieder in der Champions League traf, damals für Bremen.

Auch Bastian Schweinsteiger, diesmal als filigraner Freistoßverwandler auffällig, ließ Freude erkennen: „Wir können stolz sein und sind überglücklich.” Arjen Robben, der ohne seine vergebenen Großchancen einen zweistelligen Sieg verursacht hätte, jubilierte: „Da darf man auch mal Spaß haben.”

Spaß? Ha! Bei manchen Bayern hat der schnell ein Loch, wenn zu viel gejubelt wird. Rummenigge grummelte: „Mir ist 6:1 lieber als das, was möglich gewesen wäre.” Sportvorstand Matthias Sammer moserte: „Von was reden wir? Wir stehen hier, es ist Herbst, es ist kalt draußen, die Blätter fallen vom Baum – und es gibt keine Pokale.”

Pokale gibt’s im Frühjahr und Sommer. Den die Bayern am liebsten hätten und an dem sie neulich schon eindreiviertel Hände hatten, wird am 25. Mai in London überreicht. Besser wäre ein Endspiel kommende Woche, egal gegen wen. Dummerweise muss man diese Form nun ein halbes Jahr lang halten. Könnte schwierig werden.

Ausgerechnet Spaßbremse Sammer ist optimistisch: „Die Spieler haben aus den letzten drei, vier Jahren gelernt, denken kurzfristig, sprechen nicht nur über die großen Ziele. Es ist eine gewisse Bescheidenheit entstanden. Jedes Spiel geht bei null los. Aber wir kriegen es auf Dauer schwerer, da die Mannschaften immer defensiver werden.” Es sei denn, man knackt das Bollwerk früh und nimmt den Gegner dank feinster Ballstafetten auseinander. „Bilderbuchkombinationen und wunderschöne Tore” hatte Bayern-Coach Jupp Heynckes gesehen. Auch Sammer musste zugeben: „Die erste Halbzeit war nicht so schlecht.”

Allen ist klar: Das Team muss die Konzentration hoch halten, kann kommen, wer will. Robben sagt: „Das ist das einzige, worüber wir reden. Das ist vielleicht das Schwierigste, und das kommt nicht von selbst. Es muss nicht zum Problem werden, aber die Gefahr besteht.” Am Samstag heißt sie Eintracht Frankfurt, laut Heynckes ein ganz anderes Kaliber als der brutal überforderte OSC Lille.

Lob hebt sich Rummenigge auf: „Ich lobe die ersten Spieler frühestens im Mai 2013 - in der Hoffnung, dass ich sie dann noch loben darf. Ich will niemanden zu euphorisch werden lassen.” Auch wenn diese Euphorie gerade verdammt viel Spaß macht. La-Ola-Fan Uli Hoeneß gab am Tag danach zu: „Wenn ich meinen Gemütszustand gestern Abend um 21.30 Uhr beschreiben soll, dann denke ich an meinen alten Freund Jack Nicholson: ’Besser geht's nicht!’" 

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