Triumph der Coolness

GELSENKIRCHEN - Beim 2:1 auf Schalke setzt Coach Klinsmann auf Defensive und Konter – und so schleicht Bayern nach oben: „Wir wollen bald Tabellenführer sein“
Wenn man Jürgen Klinsmann am Anfang der Saison reden hörte, dachte man, dass seine Bayern jeden Gegner an die Wand spielen sollen. Jetzt sollen sie schlichtweg gewinnen. Das 2:1 gestern Abend auf Schalke – ein Sieg der Effektivität, ein Triumph der Defensive und grandioser Einzelaktionen: Beim 1:0 schaltete Rückkehrer Luca Toni am schnellsten, beim 2:1 zauberten Zé Roberto und Franck Ribéry im Duett. Ansonsten ging es darum, des Trainers Vorgabe zu erfüllen: „Wir wollen näher ran an die Tabellenspitze, wir wollen möglichst bald Tabellenführer sein.“ Nun liegen sie als Dritter nur noch einen Zähler hinter dem neuen Tabellenführer Leverkusen.
Grenzenloser Optimismus bereits vor dem Anpfiff beim Rekordmeister. Ribéry beantwortete die Frage, wer Meister wird, lapidar: „Bayern, weil wir die beste Mannschaft haben – und weil das eine Verpflichtung ist.“ Und Präsident Franz Beckenbauer meinte: gemeint: „Wer in Florenz bestehen kann, sollte auch auf Schalke bestehen können.“ Und Trainer Klinsmann erkannte: „Wir sind gut drauf! Heute, das ist ein Schlüsselspiel.“
Entsprechend starteten die Bayern. Anstelle des am Schienbein lädierten Bastian Schweinsteiger durfte Jungstar Toni Kroos ran – und der rechtfertigte seinen Einsatz bereits in Minute drei. Kroos’ langer Ball leitete die Führung durch Rückkehrer Luca Toni ein. Der Italiener stand nach überstandener Verletzung sofort wieder in der Anfangsformation – anstelle des zuletzt enttäuschenden Lukas Podolski. Der war wegen Rückenproblemen gar nicht erst mit nach Gelsenkirchen gereist, hätte aber auch sonst nicht gespielt. „Die Frage hat sich von allein erledigt“, so Klinsmann.
Doch die Freude über die Führung währte nicht lange. Schalke reagierte wütend, aggressiv – und Bayern-Keeper Michael Rensing gar nicht. Beim 1:1 durch Jefferson Farfan (5.) – aus spitzem Winkel in die Torwartecke – ließ sich der junge Kahn-Nachfolger tunneln, sah ganz schlecht aus. Oder wie Beckenbauer beschönigend formulierte: „Da war er ein bisschen beteiligt.“ Und an Rensing orientierte sich scheinbar in den nächsten Minuten das gesamte Bayern-Team: In dieser Phase trugen sie rot-weiß gestreifte Gewänder und irrten, sorry Herr Rummenigge, planlos umher. Es folgten Schalke-Chancen en masse: Farfan, Jones und wieder Farfan...
Aber egal. Die Orientierungslosigkeit war bald wieder vorbei. Denn clever, cool und lässig gingen die Bayern erneut in Führung. Während die Schalker sich die Lunge aus dem Leib rannten, genügte Bayern ein Angriff: ein herrlicher Doppelpass von Zé Roberto und Ribéry - das 2:1 durch den Franzosen (31.). „Weltklasse, toll, perfekt“, schwärmte Beckenbauer, „das kann man nicht besser machen.“ Wohl wahr.
Auch nach dem Wechsel ließ der Meister den vermeintlichen Rivalen weiter laufen, laufen und laufen – und zwar ins Leere. Klinsmann ließ auf Halten spielen, holte den erschöpften Zé Roberto vom Feld, später auch Toni. Stattdessen verstärkte er mit Lell und Ottl die Defensive.
Schön war’s nicht, was die Bayern zeigten, aber schön erfolgreich.
jos, ps