Traumhafte Start-Bilanz mit dem FC Bayern: Julian Nagelsmann hat keine Zeit zu verlieren

Das 5:0-Spektakel gegen Dynamo Kiew war das zehnte Pflichtspiel der Bayern unter dem neuen Coach Nagelsmann. Die starke Bilanz: neun Siege, ein Remis, 46:6 Tore. "Wir können alle Titel gewinnen", meint Leon Goretzka.
von  Patrick Strasser
Bayern-Coach Julian Nagelsmann hat einen Saisonstart nach Maß hinter sich.
Bayern-Coach Julian Nagelsmann hat einen Saisonstart nach Maß hinter sich. © IMAGO / MIS

München - Da hatte es aber einer eilig. Julian Nagelsmann war schnell wieder aus der Kabine gekommen, setzte sich weit vor Anpfiff der zweiten Halbzeit des Champions-League-Spiels gegen Dynamo Kiew wieder auf seinen Sitz der Trainerbank. Nanu? Hatte der Chefcoach des FC Bayern nichts zu besprechen angesichts der 2:0-Pausenführung? Oder - wie das einige Trainer gerne machen - schwieg er demonstrativ, um die Spieler noch mehr anzustacheln?

Weder noch! Fünf Analyse-Szenen zeigte der 34-Jährige auf einem Videoscreen, wie er später auf der Pressekonferenz verriet: "Das ist eigentlich relativ viel. Mehr als sonst, meistens zwischen drei und fünf."

Mit Pipi-Witz: Nagelsmann erklärt kurze Halbzeitansprache

Bestens gelaunt witzelte Nagelsmann gegenüber den Reportern: "Aber Sie kennen mich ja jetzt ein bisschen: Ich rede relativ schnell. Wahrscheinlich habe ich sehr schnell gesprochen in der Pause." Und weil der gebürtige Landsberger nicht nur schnell, sondern auch viel redet, sprudelte es nur so aus ihm heraus: "Der große Unterschied zu sonst war: Ich musste nicht Pipi in den 15 Minuten. Deswegen konnte ich die handgestoppten 35 Sekunden, die ich sonst brauche, schneller wieder raus."

Der Mann analysiert sogar seine eigenen Halbzeit-Aktivitäten - und hat Sinn für Humor. Doch tatsächlich war Nagelsmann in der ersten Hälfte nicht nur zum Lachen zumute, er bemängelte an der Seitenlinie wort- und gestenreich das etwas träge Flügelspiel. Die Verbesserung war zu erkennen, am Ende stand ein starkes 5:0 gegen den ukrainischen Double-Sieger, das zweite Ausrufezeichen am zweiten Spieltag der Gruppenphase nach dem 3:0 beim FC Barcelona.

Bayerns irre Trefferquote: 46 Tore in zehn Spielen

Es war der neunte Sieg in Serie seit Mitte August, nur Pflichtspiel Nummer eins der Saison, der Liga-Auftakt bei Gladbach, endete 1:1 - ein Mini-Schönheitsfleck. Auf der Habenseite: ein Titelchen (Supercup) sowie 46:6 Tore. Okay, darunter das 12:0 im Pokal bei Fünftligist Bremer SV.

Aber: Nagelsmann ist noch ungeschlagen als Bayern-Trainer, ganz anders als in der Vorbereitung im Juli, als er in vier Testspielen keinen Sieg landen konnte. Gutes Timing. Denn Nagelsmann hat - wie in der Halbzeit gegen Kiew zu erkennen - in der raschen, taktischen und spielerischen Weiterentwicklung seiner Mannschaft - keine Zeit zu verlieren. Der neue James-Bond-Film lässt grüßen. 

Generell haben diese Bayern: keine Zeit, überhaupt mal zu verlieren. Die Ziele lauten: die historische zehnte Meisterschaft in Serie und sich wie 2020 die Krone des europäischen Fußballs aufsetzen. "Wir haben den Kader dafür und in Nagelsmann einen Trainer, der uns als Team und individuell so entwickeln wird, dass wir definitiv wieder alle Titel gewinnen können", sagte Leon Goretzka in "Sport Bild".

Unter Nagelsmann tritt Bayern defensiv deutlich stabiler auf

Unter Ex-Coach Hansi Flick, jetzt Bundestrainer und am Mittwoch Tribünengast, waren es dann sieben in 19 Monaten. Da kommt was auf die Gegner zu. Auf einen bayerischen "Skyfall", einen Absturz, darf die Konkurrenz nicht hoffen.

Dafür arbeitet Nagelsmann zu detailversessen, gibt Leitlinien ("Ziele definieren unabhängig vom Gegner!") vor und reißt mit seiner lockeren, kommunikativen Art alle im Verein mit. Als wichtigste taktische Verbesserung bekam der Ex-Leipzig-Coach die Konterabsicherung in den Griff, das große Manko der zweiten, nicht mehr ganz so erfolgreichen Flick-Saison. Zum fünften Mal in den letzten sieben Pflichtspielen setzte es kein Gegentor. Torwart Manuel Neuer gefällt das.

Einzelne Spieler hat er wieder stark gemacht, siehe Abwehrspieler Niklas Süle oder Flügelstürmer Leroy Sané. Es läuft so rund, dass selbst Flanken zu unrunden Torschüssen werden wie bei Sanés 4:0. "Nee, war keine Absicht", sagte er, "ich wollte den Ball normal reinflanken. Da hatte ich Glück, dass meine Technik nicht so gut war." Er strahlte.

Kann gut sein, dass die Bayern am 28. Mai 2022 nach dem Champions-League-Finale in St. Petersburg wieder ihre Hände am Henkelpott haben - und Nagelsmann seine Goldfinger.

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