Trauer um Gerd Müller: Er war der König des Strafraums

Tore waren sein Markenzeichen. Das wichtigste schoss Gerd Müller im WM-Finale 1974. Der FC Bayern verdankt dem Torjäger seinen rasanten Aufstieg zum Topklub. Die schwere Erkrankung des "Bombers" berührte die Nation. Nun ist der frühere Weltklasse-Torjäger gestorben.
Klaus Bergmann, dpa |
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Jubel über den WM-Titel 1974: Gerd Müller mit Bundestrainer Helmut Schön (l).
Jubel über den WM-Titel 1974: Gerd Müller mit Bundestrainer Helmut Schön (l). © Karl Schnörrer/dpa

München – Die Wohlfühlzone im Leben von Gerd Müller umfasste exakt 665,28 Quadratmeter. Denn als Fußballer war der nur 1,76 Meter große Stürmer der König des Sechzehnmeterraums. Wenn der "Bomber der Nation" in Tornähe an den Ball kam, hat es meistens Bumm gemacht.

Kein deutscher Angreifer vor und nach ihm erreichte seine Klasse. Keiner erzielte so viele Tore. Es müllerte in praktisch jedem Spiel. Der Strafraumstürmer Müller erledigte seinen Job in den Stadien auf unnachahmliche Weise: Er traf blitzschnell aus der Drehung, im Fallen und im Sitzen, mit links oder rechts und mit dem Kopf. Ganz egal. Der Sechzehner war sein Reich. Am frühen Sonntagmorgen ist Müller im Alter von 75 Jahren gestorben, wie sein einstiger Verein mitteilte.

Gerd Müller ist tot: "Der allergrößte Stürmer, den wir in Deutschland hatten"

"Heute steht die Welt des FC Bayern still", äußerte Vereinspräsident Herbert Hainer. "Die Nachricht von Gerd Müllers Tod macht uns alle tief betroffen. Er ist eine der größten Legenden in der Geschichte des FC Bayern, seine Leistungen sind bis heute unerreicht und werden auf ewig Teil der großen Geschichte des FC Bayern und des gesamten deutschen Fußballs sein", sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und versprach: "Gerd wird für immer in unseren Herzen sein."

Meisterfoto 1972: Stehend (l-r)\ Franz Beckenbauer, Wilhelm Hoffmann, Uli Hoeneß, Trainer Udo Lattek, Georg Schwarzenbeck, Gerd Müller, Franz Krauthausen und Franz Roth; Hockend\ Rainer Zobel, Johnny Hansen, Sepp Maier und Paul Breitner.
Meisterfoto 1972: Stehend (l-r)\ Franz Beckenbauer, Wilhelm Hoffmann, Uli Hoeneß, Trainer Udo Lattek, Georg Schwarzenbeck, Gerd Müller, Franz Krauthausen und Franz Roth; Hockend\ Rainer Zobel, Johnny Hansen, Sepp Maier und Paul Breitner. © dpa

"Gerd Müller war der allergrößte Stürmer, den wir in Deutschland hatten", hatte Ex-Bundestrainer Joachim Löw 2015 zum 70. Geburtstag des Torjägers gesagt. Dieses Urteil gilt über seinen Tod hinaus. Schon der damalige Ehrentag des Weltmeisters (1974), Europameisters (1972) und des mit Abstand erfolgreichsten Torschützen der Bundesliga (365 Tore in 427 Partien) musste ohne große Feierlichkeiten begangen werden. Der traurige Grund: Gerd Müller hatte Alzheimer. Er lebte seit Jahren in einem Pflegeheim. Dort wurde er bis zuletzt professionell betreut.

Müllers Alzheimer-Diagnose: "Der Gerd schläft seinem Ende entgegen"

Bei der heimtückischen Erkrankung geht das Gedächtnis verloren. Das Wesen des Betroffenen verändert sich. Der FC Bayern hatte die schwere Erkrankung wenige Wochen vor Müllers 70. Geburtstag publik gemacht. Das Schicksal des von vielen nur "Bomber" genannten Müller berührte über die Fußballszene hinaus viele Menschen in Deutschland.

Zum 75. Geburtstag sprach Uschi Müller über den Gesundheitszustand ihres Mannes. "Er ist immer ein Kämpfer gewesen, war immer tapfer, sein ganzes Leben lang. Das ist er auch jetzt. Der Gerd schläft seinem Ende entgegen", schilderte sie in der "Bild"-Zeitung.

Fußball-Idol Uwe Seeler, in der Nationalmannschaft lange Sturmkollege Müllers, sprach von Traurigkeit, als er von Müllers Erkrankung erfuhr. Uli Hoeneß nannte das Los des alten Kameraden furchtbar. Für den Vereinspatron des FC Bayern war "der Gerd" stets mehr als ein großartiger Fußballer. Er vor für ihn vor allem "ein feiner Mensch".

Gerd Müller überwand auch eine Alkoholsucht

Hoeneß, der in den großen Bayern-Zeiten in den 1970er Jahren an der Seite Müllers stürmte, zählte zu denen, die auch in der größten Lebenskrise des sportlich so erfolgreichen Profis da waren und entschlossen halfen. Denn das Leben abseits des Rasens beherrschte Müller nicht derart wie den Ball und die Vorstopper im Strafraum.

Der Sieg über seine Alkoholkrankheit Anfang der 1990er Jahre war der vermutlich wichtigste im Leben des gelernten Webers aus Nördlingen. "Nach vier Wochen bin ich aus der Kur gekommen. Es in so kurzer Zeit zu schaffen, das war schon eine Leistung", erzählte Müller bei einem Treffen im Herbst 2007 in München mit Stolz. Damals wirkte er als Co-Trainer der Bayern-Amateure an der Seite von Hermann Gerland.

Fußabdruck in Zement: Gerhard Müller wird für seine Fußballkarriere mit dem Goldenen Fuß 2007 ausgezeichnet.
Fußabdruck in Zement: Gerhard Müller wird für seine Fußballkarriere mit dem Goldenen Fuß 2007 ausgezeichnet. © epa Asm/epa/dpa

Spätere Weltmeister wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Toni Kroos profitierten von seinem Erfahrungsschatz. Es war eine Aufgabe, die den bodenständigen Müller ausfüllte, glücklich und zufrieden stimmte. "Der Verein ist alles für mich", sagte er damals.

Der FC Bayern wäre ohne Gerd Müller ein anderer

Trotz Franz Beckenbauer, trotz Uli Hoeneß - den steilen Aufstieg zur Nummer 1 im deutschen Vereinsfußball hatte der FC Bayern besonders Müllers Toren zu verdanken. "Was der FC Bayern heute darstellt, mit diesem Palast an der Säbener Straße - ohne Gerd Müller wären die Leute da immer noch in dieser Holzhütte von damals", lautet ein Satz, mit dem Beckenbauer gerne Müllers Bedeutung beschrieb: "In meinen Augen ist er der wichtigste Spieler in der Geschichte des FC Bayern."

Bayern-Trainer Udo Lattek (M) im Siegesjubel auf einer Ehrenrunde mit seinen Schützlingen Gerd Müller (l), Conny Torstensson (2.v.r, hinten) und Jupp Kapellmann (r, vorn). Der FC Bayern München gewinnt am 17.05.1974 vor 25.000 Zuschauern im Brüsseler Heysel-Stadion den Fußball-Europapokal der Landesmeister Cup durch ein 4-0 im wiederholten Endspiel gegen Atletico Madrid. Zwei Tage zuvor hatten sich beide Seiten 1-1 nach Verlängerung getrennt.
Bayern-Trainer Udo Lattek (M) im Siegesjubel auf einer Ehrenrunde mit seinen Schützlingen Gerd Müller (l), Conny Torstensson (2.v.r, hinten) und Jupp Kapellmann (r, vorn). Der FC Bayern München gewinnt am 17.05.1974 vor 25.000 Zuschauern im Brüsseler Heysel-Stadion den Fußball-Europapokal der Landesmeister Cup durch ein 4-0 im wiederholten Endspiel gegen Atletico Madrid. Zwei Tage zuvor hatten sich beide Seiten 1-1 nach Verlängerung getrennt. © Werner Baum/dpa

Das Einzigartige hat auch Weltmeister Miroslav Klose stets betont. Als er Müller kurz vor der WM 2014 in Brasilien nach 40 Jahren als Rekordtorjäger der Nationalelf ablöste, sagte Klose: "Gerd Müller darf man mit keinem anderen Stürmer vergleichen." Klose zeichnet eine feine Eigenschaft aus, die auch Müller innewohnte: Bescheidenheit.

Der inzwischen 43-Jährige führt die DFB-Rangliste mit 71 Treffern an. Klose benötigte für die Bestmarke aber 137 Länderspiele. Müller traf in nur 62 Partien für Deutschland 68 Mal - eine phänomenale Quote von 1,1 Treffern pro Einsatz.

Müllers wichtigstes Tor: Das 2:1 im WM-Finale 1974

Das Tor für die Ewigkeit schoss er am Ende seiner viel zu früh beendeten DFB-Karriere. Im WM-Finale 1974 erzielte er im Münchner Olympiastadion das 2:1 gegen die Niederlande. "Ich habe schönere Tore gemacht, aber das wichtigste war dieses Weltmeistertor", sagte er.

Der Siegtreffer im Münchner Olympiastadion: Gerd Müller (l) zieht unnachahmlich aus der Drehung ab, vorbei am niederländischen Abwehrspieler Ruud Krol.
Der Siegtreffer im Münchner Olympiastadion: Gerd Müller (l) zieht unnachahmlich aus der Drehung ab, vorbei am niederländischen Abwehrspieler Ruud Krol. © Werner Baum/dpa

Wenn Müller nach seiner Karriere, die 1982 unrühmlich in den USA ausgeklungen war, seinen Nachfolgern zusah, stellte er sich die immer gleiche Frage, wenn ein Schuss oder Kopfball nicht im Tor landete. "Hättest du den reingemacht?" Vermutlich ja. Müllers 40 Tore in der Saison 1971/72 waren fast ein halbes Jahrhundert Bundesligarekord. In der vergangenen Saison übertraf ihn der heutige Bayern-Torjäger Robert Lewandowski. Der Weltfußballer aus Polen schaffte 41 Treffer.

Müller war ein Weltstar, aber keiner für Glamour und Rote Teppiche

Als Müller 1964 als 18-Jähriger vom schwäbischen Amateurligisten TSV 1861 Nördlingen zum FC Bayern wechselte, wurden seine Tore mit einem Grundgehalt von 160 Mark im Monat entlohnt. Heutzutage würde er mit Millionen Euro überschüttet. Doch ein Profileben in Zeiten von Twitter, Facebook, Instagram und täglichem Medienrummel wäre für Müller garantiert eher ein Gräuel als ein Glücksfall gewesen.

Müller war ein Weltstar, aber keiner für Glamour und Rote Teppiche. "Den Franz" beneidete er nie um dessen Status als Lichtgestalt. Beckenbauer hetzte auch nach der Spieler-Karriere weiter um die Welt. "Ich bin keiner, der gerne weg von zu Hause ist", sagte Müller, als es ihm noch besser ging. Auf Champions-League-Reisen des FC Bayern ließ er sich von seinem Herzensclub als Attraktion für Sponsoren und Edelfans einspannen. Das genügte einem wie ihm an Aufmerksamkeit.

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  • Brunhilde am 15.08.2021 18:25 Uhr / Bewertung:

    Hallo lieber Gerd Müller die Nachricht über deinen plötzlichen
    Tot .ich bin sehr traurig. Mit dir ist hn ein wunderbaren Mensch von uns gegangen . Mir stehen die Tränen in den Augen. Mein Beileid
    Wir werden dich immer in gute Erinnerung haben
    Machs gut Gerd

  • Der Taxler am 15.08.2021 17:24 Uhr / Bewertung:

    Sehr gute Kommentare bisher.
    Man muss auch kein FC-Fan sein, um diesen phänomenalen Instinktfussballer als einzigartig und unerreicht zu bezeichnen. Der Mann hat für den FC und für das Land alles gegeben und erreicht, mehr sog i net. Gerd, bringst jetzt bitte denen im Himmel a bissal a Technik bei und schaust, auf welcher Wolke grad der Garrincha rumturnt. I denk, Ihr zwei würds Euch verstehen 😏

  • Der Biberax am 15.08.2021 17:18 Uhr / Bewertung:

    Heute mache ich Pause mit meinem üblichen Auf-Bayern-München-Draufhauen, um diesen großen Fußballer zu ehren.

    RIP Gerd. Warst einer der ganz Großen.

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