Trainerfrage beim FC Bayern München: Jupp Heynckes sagt immer noch "Nein" - Die Favoriten
München - Alles wird im Fußball statistisch erfasst und gemessen. Durchleuchtete Spieler sausen über eine grüne Rasen-Datenautobahn. Was noch fehlt: Die Messung der Hirnströme. Gut, das will und muss man im Einzelfall nicht unbedingt wissen, in einem aktuellen Fall hätten Hirnforscher ihre wahre Freude. Verkabeln würde man die Freunde Uli Hoeneß und Jupp Heynckes, die in diesen Tagen von Zukunftsforschern, den Journalisten, stets getrennt voneinander befragt werden: Bleibt Heynckes über das Saisonende hinaus Bayern-Trainer?
Auf Absichtserklärungen (Heynckes) folgen immer intensivere Liebeserklärungen (Hoeneß). Jedes 'Aber nein, doch!' (Heynckes) befeuert ein 'Aber ja, doch!' (Hoeneß). Der Bayern-Präsident, Professor h.c. für Bauchentscheidungen, meinte jüngst über einen möglichen Nachfolger für Heynckes ab Juli: "Derzeit gibt es keinen Plan B. Wenn ich ziemlich nackt vor ihm stehe, habe ich vielleicht eine kleine Chance."
Heynckes: "Das ist vergebene Liebesmüh'"
Als ob der 72-Jährige aus Mitleid und Alternativlosigkeit nachgibt und seine vierte Amtszeit an der Säbener Straße ausdehnt! Der Umschmeichelte widersteht bisher sämtlichen Charmeoffensiven. Am Freitag sagte er zum Werben um sein Ja-Wort: "Das ist vergebene Liebesmüh'." Womit er auch die Nachfragen der Journalisten meinte, die nicht aufhören, so lange Hoeneß öffentlich balzt. "Ich finde, man sollte das Thema ad acta legen", sagte Heynckes freundlich, aber genervt.
Immerhin bestätigte er ein Gespräch mit Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsboss. "Wir haben uns turnusmäßig zusammengesetzt." Ohne Neuigkeit? "Ich sage nichts mehr dazu." Damit lässt er die Vordertür für Spekulationen und weitere Hoeneß'sche Charme-Raketen ("Jupp ist der, der das moderne Management integriert ins Menschsein. Er ist ein Traum für uns") ein Stück weit offen. Ein definitives Nein fehlt.
"Der Mensch kann zwar tun, was er will. Er kann aber nicht wollen, was er will." Sagt der Philosoph Arthur Schopenhauer, nicht Hoeneß. Wird Heynckes doch weich? Mit "10 Prozent" bezifferte Hoeneß das "bisschen Hoffnung, dass der Jupp bleibt". Doch wer hat in diesem Spiel was zu gewinnen und was zu verlieren?
Eine AZ-Analyse:
Was kann Heynckes gewinnen? Wenn er weitermacht: Weitere Titel, etwa seine fünfte Meisterschaft mit Bayern (2019). Und endgültigen Heldenstatus, falls er noch einmal die Champions League holt. Außerdem ein weiteres Jahr Freude und Erfüllung im Job. Gebraucht zu werden, ist ja ein dringendes menschliches Bedürfnis.
Wenn er aufhört: Selbst, wenn er sich "nur" mit dem Double verabschiedet, bleibt eine erfolgreiche Rettermission nach dem Crash im September unter Carlo Ancelotti und natürlich die Aura des Triple-Helden von 2013. Noch wichtiger: Erstmals würde er seinen Abschied selbst bestimmen. 1991 wurde er entlassen, 2009 nur ein paar Wochen gebraucht, 2013 engagierte man hinter seinem Rücken bereits Pep Guardiola.
Was kann Heynckes verlieren? Wenn er weitermacht: Seine Sieges- und Titelserie könnte eines Tages reißen. Außerdem gilt er als "Umfaller", der sich doch hat überreden lassen - was zu verschmerzen wäre.
Wenn er aufhört: Ein Schlussstrich würde seinen Abschied vom Profi-Fußball bedeuten, das endgültige Karriereende. So etwas fällt jedem schwer.
Hoeneß muss Zeit gewinnen
Was kann Hoeneß gewinnen? Wenn Jupp weitermacht: Es wäre Hoeneß' persönlicher Triumph. Er hätte weiter Ruhe im Verein und Zeit erhalten, für den Sommer 2019 den perfekten Nachfolger (Jürgen Klopp? Joachim Löw?) zu verpflichten.
Wenn Jupp aufhört: Nichts.
Was kann Hoeneß verlieren? Wenn Jupp weitermacht: Nichts - außer es ginge in der Saison plötzlich kolossal schief.
Wenn Jupp aufhört: Hoeneß könnte es persönlich nehmen, wenn das für ihn und Bayern "traumhafte Leben mit Jupp" abrupt endet. Außerdem wäre wohl Rummenigge dran, den nächsten Trainer auszuwählen. Sein Wunschkandidat: Thomas Tuchel.