Tomislav Piplica über Kahn-Elfmeter: Bin deswegen nicht mehr sauer

München/Cottbus - Tomislav Piplica im AZ-Interview: Der 50-jährige Torwart aus Bosnien-Herzegowina spielte von 1998 bis 2009 bei Energie Cottbus, dem Pokalgegner des FC Bayern. Heute ist er Torwarttrainer beim Regionalligisten Wacker Nordhausen.
AZ: Herr Piplica, sind Sie eigentlich noch sauer auf Oliver Kahn?
TOMISLAV PIPLICA: Sie meinen den Elfmeter?
Ja, genau. Kahn wollte im Februar 2002 endlich mal ein Tor schießen und ist beim Stand von 6:0 für den FC Bayern gegen Sie angetreten. Sie haben Kahn für einige Augenblicke den Rücken zugedreht – und dann den Strafstoß pariert.
Ich bin deswegen nicht mehr sauer auf ihn. Er hat sich in diesem Moment einfach entschieden, den Elfmeter zu schießen. Ich habe ihn ja zum Glück gehalten. Das ist passiert und vorbei. Wir haben uns danach ein paar Mal gesehen und darüber gesprochen. Alles in Ordnung.
War Kahn ein Vorbild für Sie?
Kahn war ganz sicher einer der besten Torhüter der Historie, er hatte Klasse. Kahn hat fast alles gewonnen und den FC Bayern über Jahre oben gehalten. Aber vom Spielertyp her waren wir uns nicht so ähnlich. Er war nicht so modern.

Piplica: Neuer ist der beste Torwart der Welt
Sie haben ziemlich risikoreich agiert und Ihr Tor öfter verlassen – fast wie Manuel Neuer.
Neuer ist schon eher mit meinem Typ vergleichbar, ja. Er ist auch gerne aktiv und rennt aus seinem Tor heraus. Es ist schon ein bisschen lustig: Bei mir hat man damals gesagt, meine Spielweise sei ein Risikofaktor. Heute bei Neuer sagt man: moderner Fußball (lacht). Ich mag Neuer. Er hat eine sehr attraktive Spielweise. Für mich ist er noch immer der beste Torhüter der Welt. Neuer hatte zwar Probleme mit seinen Verletzungen, aber er hält seit zehn Jahren auf hohem Niveau.
Sie waren in den Cottbuser Bundesliga-Zeiten der Held der Fans, wurden liebevoll „Pipi“ genannt. Und Sie haben sich während der Partien auch schon mal an die Latte gehängt. Wieso eigentlich?
Die Idee kam mir bei einem Spiel in Berlin gegen Hertha. Wenige Tage zuvor war mein Sohn geboren worden. Ich wollte was Besonderes machen und habe mich an die Latte gehängt. Das ist dann geblieben. Während der Spiele ist man voller Adrenalin. Ich wollte mit dieser Aktion für gute Laune bei den Zuschauern sorgen.
Das ist Ihnen gelungen. Die Fans haben Ihnen sogar Ihren berühmten Patzer gegen Mönchengladbach im April 2002 verziehen, als der Ball von Ihrem Hinterkopf ins Tor sprang.
Die Fans haben mich sehr respektiert und gemocht, weil ich meine Leistung gebracht habe. So was kommt nicht durch die Frisur oder schöne Augen, das war kein Zufall. Ich habe mir nach den Spielen immer Zeit für die Fans genommen. Deshalb hatte ich ihre Unterstützung.
Die Unterstützung von Trainer Eduard Geyer hatten Sie ebenso. War er wirklich so ein harter Hund?
Geyer ist ein guter Mensch. Er war zwar hart, aber das muss man auch sein, sonst nutzen dich die Spieler aus. Nach dem Fehler gegen Gladbach hat er mich aufgebaut, normal mit mir weitergearbeitet. Beim nächsten Spiel in Stuttgart habe ich dann klasse gehalten, obwohl ich mit gebrochenem Finger gespielt habe. Am Ende der Saison haben wir den Klassenerhalt mit Cottbus geschafft.
Piplica kritisiert Energie Cottbus
Sehnen Sie sich zurück nach diesen erfolgreichen Zeiten mit Energie?
Ja, sehr. Wenn wir heute mit Wacker Nordhausen gegen Energie spielen, ist das nicht einfach für mich. Mein Herz ist immer noch rot-weiß. Ich habe mehr als zehn Jahre in Cottbus gespielt. Das war damals ein ganz anderes Leben, für mich, meine Frau, für alle. Die Leute sprechen mich noch immer darauf an. Es war für mich die schönste Zeit. Wenn man das mit der heutigen Situation von Cottbus vergleicht, ist es wie Tag und Nacht. Das sportliche Fachwissen in der Führung ist heute nicht mehr so da.
Wie ist Ihr Kontakt zu Energie heute?
Ich habe keinen Kontakt mehr zu dem Klub, es sind viele neue Leute da. Ehrlich gesagt, kenne ich kein Schwein mehr. Ich bin da fremd. Deshalb gehe ich auch nicht ins Stadion gegen Bayern. Ich habe keine Karte. Und ich kann das auch nicht. Früher war das Stadion mein Wohnzimmer. Ich bin nicht glücklich über diese Situation.
Warum ist das Verhältnis denn so schlecht?
Es war immer mein Ziel, nach der aktiven Karriere für den Verein zu arbeiten. Aber das wollte der Klub nicht. Es ist traurig, wie sich Energie entwickelt hat. Eigentlich müsste der Klub mit seinem Potenzial in der 2. Liga spielen.
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