Titel-Fluch geht weiter: Kann der FC Bayern Harry Kane wieder aufbauen?

München - Harry Kane trottete am silbernen EM-Pokal vorbei, den Kopf gesenkt, der Blick leer. Zuvor hatte der Kapitän der englischen Nationalmannschaft die Hände vors Gesicht geschlagen, immer und immer wieder. Man konnte seine glasigen Augen erkennen.
Nein, es sollte auch an diesem Finalabend von Berlin nicht sein mit seinem ersten großen Titel. 1:2 gegen Spanien. Verdient. Und doch so bitter. Kane verabschiedete sich mit ganz viel Trauer in den Urlaub.
Kane über EM-Finale: "Man muss die Chance ergreifen, und das haben wir noch nie"
"Es ist nicht leicht, diese Endspiele zu erreichen. Man muss die Chance ergreifen, wenn sie kommt, und das haben wir noch nie geschafft", sagte Kane nach der Partie: "Es ist extrem schmerzhaft und wird noch lange wehtun." Und wie...
Schon 2021 war England mit Kane dicht dran, verlor dann aber das EM-Finale im Wembley-Stadion im Elfmeterschießen gegen Italien. Beim Turnier in Deutschland überzeugten die Three Lions oft nicht, waren aber höchst effektiv.
Das galt genauso für Kane, der mit drei Treffern zu den sechs Torschützenkönigen des Turniers zählte. Doch in absoluter Glanzform ‒ wie so oft in der vergangenen Saison im Trikot des FC Bayern ‒ präsentierte er sich nicht. Weil er angeschlagen war?

"Es würde mich wundern, wenn nicht herauskäme, dass Harry irgendeine Art von Verletzung hatte und sich selbst zusammengeflickt hat, um auf das Spielfeld zu kommen", sagte der frühere Nationalspieler Gary Neville beim TV-Sender Sky Sports News. "Er hat während des Turniers nie wie er selbst ausgesehen."
Im Finale hatte Kane nur einen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum und wurde in der 61. Minute ausgewechselt.
Southgate über Kane: "Hatten nur wenige Anführer, da lag viel auf seinen Schultern"
England-Trainer Gareth Southgate bestätigte später Nevilles Vermutung. "Harry hatte am Saisonende eine Verletzung (am Rücken, Anm. d. Red.). Er hat viele Minuten gespielt und das Team unglaublich gut angeführt", sagte der Coach: "Wir hatten nur wenige Anführer, da lag viel auf seinen Schultern."
Trotzdem gab es in der Heimat viel Kritik an Kane. "Der Kapitän bewegte sich nach seiner Auswechslung zielstrebiger als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des Abends", schrieb der "Guardian". Und "Tuttosport" meinte: "England verliert das zweite EM-Finale in Folge, der Fluch von Harry Kane geht weiter: Er muss weiter darauf warten, den ersten Pokal seiner Karriere in den Himmel zu stemmen."
Neville nahm dagegen auch Trainer Southgate in die Pflicht: "Wenn sich herausstellt, dass er sich in den letzten Wochen selbst zusammengeflickt hat, könnte das noch mehr Fragen aufwerfen, warum er aufgestellt wurde."
Harry Kane hat vor Bayern-Trainingsstart drei Wochen Urlaub
Andere Experten gingen in ihrer Kritik am Coach, dessen Zukunft nach dem erneut verlorenen EM-Finale ungewiss ist, noch weiter. "Du musst deine Spieler auf den bestmöglichen Positionen spielen lassen, die ihnen liegen und von denen sie profitieren", sagte der frühere Abwehrspieler Rio Ferdinand in der BBC.
Bei Bayern habe Kane schnelle Flügelspieler an seiner Seite, die immer wieder in den Rücken der Abwehr liefen. Das fehlte im englischen Team.
Apropos Bayern: Nach drei Wochen Urlaub wird Kane mit den Münchnern wieder angreifen, um endlich seinen ersten großen Titel zu holen. Schafft es der neue Trainer Vincent Kompany, Kane schnell wieder aufzurichten?