Thomas Strunz: Der FC Bayern München ist Topfavorit in der Champions LeagueTopfavoriten in der Champions League
Der Europameister von 1996 spielte von 1989 bis 1992 und 1995 bis 2001 für den FC Bayern. Jetzt arbeitet er als Fußball-Experte für Sport 1
AZ: Herr Strunz, wie problematisch ist das Verletzungsaus von Arturo Vidal für den FC Bayern?
THOMAS STRUNZ: Wenn Vidal nur gegen Bremen am Samstag fehlen sollte, hat das keine gravierenden Auswirkungen. Der Kader gibt verschiedene Optionen her, das aufzufangen. Joshua Kimmich kann für Vidal spielen, David Alaba könnte ins Mittelfeld rücken, Juan Bernat dafür links hinten verteidigen.
Lewandowski: "Real oder Barca wäre kein Aufstieg"
Für Kimmich ist es die Chance, sich zu zeigen. Er stand zuletzt selten in der Startelf. Kann er Vidal eins zu eins ersetzen?
Er und Vidal sind unterschiedliche Spielertypen. Vidal hat viel mehr Erfahrung und wegen seiner Präsenz eine ganz andere Wirkung auf Mitspieler und Gegner. Kimmich muss sich gegen starke Konkurrenten durchsetzen. Er hatte einen sehr guten Saisonstart, viel Einsatzzeit, auch, weil andere Spieler gefehlt haben. Er muss jetzt seine Form wiederfinden und es dem Trainer so schwer wie möglich machen, ihn draußen zu lassen. Kimmich ist noch nicht an einem Punkt, an dem er für die Mannschaft unverzichtbar ist.
Warum spielen die Bayern aktuell nicht so dominant wie gewohnt? Der Sieg in Freiburg war glücklich.
Ich glaube, dass sie mit dem Verletzungspech zu kämpfen haben. Sie sind nicht so eingespielt, gegen Freiburg haben sie sich lange Zeit schwergetan.
"Mit Barca und Real ist Bayern der Topfavorit in der Champions League"
Und trotzdem gewonnen.
Ja, das ist die individuelle Qualität der Bayern. Das hat auch nichts mit Dusel zu tun. Die Mannschaft weiß, dass sie jedes Spiel am Ende noch entscheiden kann. In Freiburg dank einer Aktion von Robert Lewandowski, die man nur von ganz wenigen Spielern auf der Welt sieht. Es gibt einer Mannschaft ein gutes Gefühl, wenn man Spiele auch dann gewinnt, wenn es nicht so gut läuft. Deshalb glaube ich, dass die Bayern in den entscheidenden Momenten dieser Saison, wenn es darauf ankommt, stärker sein werden als in den drei Jahren unter Pep Guardiola.
Ribéry vs. Costa: Bayerischer Flügelkampf
Das heißt, Sie sehen in der Champions League in diesem Jahr bessere Chancen?
Die Bayern sind neben dem FC Barcelona und Real Madrid einer der drei Topfavoriten. Jede andere Mannschaft, die den Titel holen sollte, wäre für mich eine Sensation.
Ist die Mannschaft nicht zu abhängig von Lewandowski?
Er ist ein außergewöhnlicher Stürmer, diese Abhängigkeit gibt es auch in anderen Mannschaften. Die Ausnahme ist vielleicht der FC Barcelona, da gibt es mit Lionel Messi, Neymar und Luis Suarez drei Weltklasseangreifer. Lewandowski ist nicht zu ersetzen, wie auch Pierre-Emerick Aubameyang in Dortmund. Die Abhängigkeit ist ähnlich wie bei Ribéry und Robben vor ein paar Jahren, nur hat sie sich nun eher ins Sturmzentrum verlagert.
Auch deshalb, weil Thomas Müller nicht mehr trifft.
Zum gleichen Zeitpunkt der letzten Jahre hatte Müller immer schon zweistellig getroffen, jetzt steht er bei einem Tor in der Liga. Das sind also de facto neun, zehn Tore, die den Bayern fehlen. Deshalb werden die Spiele aktuell auch nicht so hoch gewonnen. Es kann aber gut sein, dass sich das noch ändert bis zum Saisonende, Chancen hat Müller ja. Ich sehe deshalb kein großes Problem, so lange die Spiele gewonnen werden. Im Gegenteil: Es kann sogar für die entscheidenden Spiele gut sein, wenn die Mannschaft darauf vorbereitet ist, enge Spiele unter schwierigen Begebenheiten zu gewinnen.
Das Topspiel am Wochenende findet nicht in Bremen statt, sondern in Leipzig: RB trifft im Duell der Überraschungsmannschaften auf Hoffenheim. Uli Hoeneß hat Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann als möglichen Bayern-Trainer ins Gespräch gebracht. Gehen Sie da mit?
Wenn man sich die Entwicklung von Hoffenheim anguckt, seitdem Nagelsmann dort vor einem Jahr übernommen hat, ist das unglaublich. Nagelsmann ist mit Sicherheit eines der ganz großen Trainertalente, die wir in Deutschland haben. Zwangsläufig ist das wie bei Ausnahmespielern: Dann kommen Toptrainer in den Fokus des FC Bayern. Ich könnte mir vorstellen, dass die Bayern demnächst mal wieder auf einen jungen, deutschen Trainer setzen, nach den international großen Namen wie van Gaal, Heynckes, Guardiola und Ancelotti. Nagelsmann ist jemand, der sehr vieles mitbringt, was man beim FC Bayern braucht: sein Auftreten, die Eloquenz im Interview, sein Umgang mit Medien. In seinem jungen Alter ist er schon ein sehr kompletter Trainer.