Thomas Müller: Verrücktes bayerisches Baby
Auf der Chinareise der Bayern steht keiner so im Fokus wie Thomas Müller. Die asiatischen Fans vergöttern ihn als Stürmer und Spaßvogel.
SHANGHAI Koan Schweinsteiger. Koan Ribéry, koan Robben. Die chinesischen Bayern-Fans sind traurig. Drei ihrer Bayern-Helden fehlen auf dem Trip des deutschen Meisters durch China. Arjen Robben und Franck Ribéry mussten wegen Verletzungen in München bleiben, Bastian Schweinsteiger weilt derzeit in den USA, auf Testspiel-Tour mit seinem neuen Verein Manchester United. „Ich habe tagelang geweint“, sagte eine junge Anhängerin in Peking als Zuschauerin des Bayern-Trainings. Viele Trikots, ob echt oder doch meist für 50 Yuan, also sieben Euro, gefälscht, sind mit der Nummer 31 und dem Namen Schweinsteiger beflockt. Schöne Erinnerungsstücke.
„Aber es gibt zum Glück noch Thomas Müller“, meinte die Uni-Absolventin und zeigte stolz auf ihre rote Mütze mit der 25, der Müller-Nummer. Dass er beim 4:1 gegen Valencia in Peking gleich doppelt traf, ließ die Fans ausflippen. Die Chinesen haben sogar einen Spitznamen für den Bayern-Stürmer gefunden, sie nennen ihn „Erwa“, „verrücktes Baby“, weil er der Spaßvogel der Truppe ist. Fehlte nur noch, dass ein Einheimischer unfallfrei „Gaudibursch“ sagen kann.
Der FC Bayern und Müller selbst tun alles dafür, dass er die Nummer eins der Fanlieblinge aus dem Kader ist. Seit kurzem können chinesische Anhänger 250 Produkte mit dem Vereins-Emblem über die Handelsplattform „Tmall“ aus dem Hause des IT-Konzerns „Alibaba“ direkt in China bestellen. In einem eigens dafür produzierten Trailer tanzt Müller keinen Gegenspieler aus – nein, er tanzt einen Schuhplattler. Und Torhüter Manuel Neuer fängt im Hechtsprung einen Gartenzwerg. Folklore für die Internationalisierung.
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Auf der Vereinshomepage wird ein Tagebuch des 25-Jährigen veröffentlicht und übersetzt für die anderssprachigen Seiten des FC Bayern. Auch auf der Online-Plattform „Sina Weibo“, einem chinesischen Twitter-Account, ist Müller aktiv. „Das läuft sehr erfolgreich“, sagt Bayerns Mediendirektor Markus Hörwick. Bei den öffentlichen Trainingseinheiten rufen die einheimischen Fans immer „Muller! Muller!“ Doch warum ist ausgerechnet er so beliebt? Gut, da wären natürlich seine prägenden Auftritte bei den WM-Turnieren 2010 und 2014, wo er jeweils fünf Treffer erzielte, in Südafrika Torschützenkönig und vier Jahre später in Brasilien Weltmeister wurde. Und sonst?
„Da haben die Leute, die für mein Image zuständig sind, wohl einen sehr guten Job gemacht“, sagt Müller und lacht. „Es ist natürlich schön, wenn einen die Fans so fern der Heimat derart feiern.“ Das kann er. Glaubwürdig sein. Höflich sein. Sich bedanken, Komplimente verteilen. Medientermine genießt er. Letzten Freitag war er eine Stunde zu Gast bei „Total Soccer“ im chinesischen Sender „CCTV“. Auch da scherzte er mit den Moderatoren, sagte: „Ich bin immer der, der ich bin. Ich lache auch, wenn es regnet. Weil: Wenn ich nicht lache, hört es ja auch nicht auf zu regnen.“
Die auflagenstärkste Sport-Zeitschrift des Landes „Titan Sports“ widmete ihm eine Seite. Reporter Li Zhang, ein großer Müller-Fan, nannte seine Tochter Mule (2). Was eine doppelte Bedeutung hat: Erstens klingt es wie „Muller“, zweitens bedeutet „Mu“ München und „le“ glücklich. „Mule kam im Mai 2013 zur Welt, als ganz München wegen des Champions-League-Sieges in Wembley glücklich war“, erzählt Zhang stolz. „Ich habe das Interview mit Thomas auf einer Autofahrt gemacht, da sagte er zu mir: Wenn Mule einmal groß ist, bringt er ihr das Fußballspielen bei.“
Ob er denn schon etwas auf Chinesisch drauf habe, wurde er in Shanghai von einem deutschen Radioreporter gefragt. Die einheimischen Kollegen lauschten gespannt auf die Antwort. „Mein Chinesisch ist noch nicht so gut, ich kann...“ Er machte eine Pause, grinste. „Noch nichts. Außer: Ni hao! Also: Hallo! Das kann ich. Aber ich habe ja noch ein paar Tage Zeit hier und kann mich noch verbessern.“ Zuzutrauen wäre es ihm tatsächlich.