Interview

Thomas Helmer: "An Bayerns Stelle hätte ich Schlotterbeck geholt"

Ex-Bayern-Kapitän Thomas Helmer spricht im AZ-Interview über den Transfercoup des BVB, den Abschied von Niklas Süle und den Ibiza-Trip der Münchner. "Es hat schon ein Geschmäckle."
von  Maximilian Koch
Auch in der nächsten Saison Kontrahent des FC Bayern: Nico Schlotterbeck wechselt von Freiburg nach Dortmund.
Auch in der nächsten Saison Kontrahent des FC Bayern: Nico Schlotterbeck wechselt von Freiburg nach Dortmund. © IMAGO / Lackovic

München - AZ-Interview mit Thomas Helmer: Der 57-Jährige spielte von 1992 bis 1999 beim FC Bayern. Er war Kapitän und wurde dreimal Meister. Heute ist er als Moderator für Sport1 tätig.

AZ: Herr Helmer, die Ibiza-Reise einiger Bayern-Spieler nach dem 1:3 in Mainz hat für großen Wirbel gesorgt. Wie war das zu Ihrer aktiven Zeit als Profi: Sind Sie auch mal während der Saison mit Ihren Teamkollegen zum Feiern weggeflogen?
THOMAS HELMER: Während der Saison haben wir das nie gemacht. Ich finde schon, dass es schlechtes Timing von den Bayern-Profis war. Ich kenne es nur so, dass man eine solche Reise nach der Saison macht, wenn alle Spiele absolviert sind. Als Beispiel: Greuther Fürth ist ja auch nicht verreist nach dem feststehenden Abstieg. Die Mannschaft versucht jetzt noch mal alles, hat am Wochenende 1:1 bei Union Berlin gespielt. Es hat schon ein Geschmäckle, was die Bayern gemacht haben.

Ibiza-Trip? "Sehr fragwürdig"

Zumal Bayern am kommenden Sonntag gegen den VfB Stuttgart spielt, der noch mittendrin ist im Abstiegskampf.
Genau. Ich will den Jungs jetzt nicht unterstellen, dass sie gegen Stuttgart nicht Vollgas geben werden, aber ich finde den Ibiza-Trip sehr fragwürdig.

Wie schätzen Sie die Situation beim FC Bayern generell ein nach dem enttäuschenden Champions-League-Aus gegen Villarreal?
Wir haben Bayern ja alle gratuliert zur Meisterschaft, das ist auch alles in Ordnung und verdient. Man muss aber sagen, dass die spielerischen Leistungen zuletzt nicht herausragend waren. Die Mannschaft hat nicht das gespielt, was sie eigentlich kann, auch nicht gegen Villarreal.

Problem der Bundesliga: "Bayern wird zu wenig gefordert"

Liegt die Krise daran, dass der Kader insgesamt zu schwach besetzt ist?
Das glaube ich nicht, Bayern hat ja in der Hinrunde gezeigt, wie viel Qualität in der Mannschaft steckt. Wir haben einfach ein großes Problem in der Bundesliga: Bayern wird zu wenig gefordert. Und dann verlierst du in der Champions League gegen den Tabellensiebten aus Spanien. Es gibt zu wenige Gegner in der Bundesliga, die Bayern wirklich Paroli bieten. Das wirkt sich dann international aus.

Lief von 1992 bis 1999 für den FC Bayern auf: Thomas Helmer.
Lief von 1992 bis 1999 für den FC Bayern auf: Thomas Helmer. © Harold Cunningham (UEFA via Getty Images)

Im Sommer wechselt Bayerns Abwehrchef Niklas Süle ablösefrei zu Borussia Dortmund, Trainer Julian Nagelsmann wünscht sich einen Ersatzmann. Ist das aus Ihrer Sicht richtig - oder könnte es auch eine interne Lösung mit Benjamin Pavard geben?
Auch für die Bayern ist es nicht mehr so einfach, gute Spieler zu bekommen zu einem bezahlbaren Preis. Das muss man berücksichtigen. Aber wenn ich Julian Nagelsmann wäre, würde ich ganz sicher darauf bestehen, einen Süle-Ersatz zu holen.

Helmer: "Dortmund hat vieles richtig gemacht"

Und wen?
Die Bayern haben ja oft den Ansatz, dass sie Spieler mit großen Namen holen wollen. Ich hätte an ihrer Stelle aber auf jeden Fall Nico Schlotterbeck aus Freiburg verpflichtet. Er hat so viel Potenzial, ist Linksfuß - ich finde den super. Dortmund hat es geschafft, neben Süle auch Schlotterbeck zu holen, und damit vieles richtig gemacht.

Bekommt die Liga nächste Saison einen Titelkampf?
Das muss man abwarten. Wir dürfen auch RB Leipzig nicht vergessen. Die Leipziger sind in der Breite sehr gut aufgestellt, sie holen immer wieder talentierte Spieler dazu. Das braucht dann ein bisschen Zeit, um sich zu entwickeln. Aber wenn es Leipzig nächste Saison schlau anstellt und nicht so eine schlechte Hinrunde spielt, sehe ich die Mannschaft noch vor Dortmund.

Beim FC Bayern könnte es im Sommer zu einem Umbruch kommen. Wer von den Stars Robert Lewandowski, Manuel Neuer und Serge Gnabry, deren Verträge allesamt 2023 auslaufen, muss unbedingt gehalten werden? Thomas Müller hat ja schon verlängert.
Grundsätzlich würde ich auf keinen der vier Spieler verzichten wollen, es sind alles Topspieler, auch Gnabry. Neuer und Müller sind zudem Identifikationsfiguren des Klubs - und über Lewandowski brauchen wir gar nicht sprechen. Ich weiß gar nicht, woran es bei ihm liegt, am Geld? Vielleicht muss man irgendwann auch mal sagen: Es ist gut, es ist genug an Gehalt. Ich glaube nicht, dass ein Müller jetzt noch fünf Millionen Euro mehr verdienen will in seinen letzten Profijahren. Ob man daher bei Lewandowski finanziell jetzt noch mal einen draufhauen muss mit bald 34 Jahren? Da verstehe ich die Bayern, dass sie zögern. Ein Riesenproblem ist natürlich, dass es keine passenden Nachfolger aktuell gibt - weder bei Lewandowski noch bei Müller oder Neuer. Das sind große Baustellen. Ich bin skeptisch.

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