Thilo Kehrer: Bei Hansi Flick gesetzt, beim FC Bayern im Fokus

München – Acht Spiele, acht Siege. So lautet die makellose Serie von Neu-Bundestrainer Hansi Flick seit seiner Amtsübernahme im September. Bei der allerdings ersten richtigen Prüfung im WM-Testländerspiel am Dienstag gegen die Niederlande in Amsterdam dürften die deutschen Nationalspieler deutlich mehr gefordert werden als zuletzt gegen Israel (2:0) oder im Herbst gegen Liechtenstein, Armenien, Island, Rumänien und Nordmazedonien.
Acht Spiele, acht Einsätze (davon sechs über die volle Spielzeit) - die hat unter Flick nur ein DFB-Kicker aufzuweisen. Und der heißt nicht Manuel Neuer, der Nationaltorhüter, oder Thomas Müller, mit 111 Länderspielen der Rekordnationalspieler im aktuellen Aufgebot. Die Lösung: Thilo Kehrer. 17 DFB-Einsätze hat der Verteidiger von Paris St.-Germain bisher absolviert, acht davon unter Flick. Meist als Rechtsverteidiger, aber auch mal innen oder links hinten, wenn Not am Mann war.
Thilo Kehrer, der Aufräumer
Flexibilität kann ein Malus sein im Profi-Fußball, wenn man sich als Spezialist auf einer Position nicht unverzichtbar machen kann, aber auch ein Segen. Und das ist beim 25-Jährigen der Fall. Kehrer spielt immer. Kehrer, der Aufräumer. "Ich bin immer offen für alles", sagte er der FAZ und erzählte: "Ich habe in der Jugend oft als Sechser gespielt. Gut, das ist jetzt schon ein bisschen
länger her, aber ich glaube, dadurch, dass ich mich schnell auf eine Position anpassen kann, wäre das schon eine Möglichkeit." Allerdings hat Flick auf der Sechserposition mit Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Julian Weigl und Anton Stach genügend Alternativen.
"Es tut uns gut, wenn wir Spieler haben, die viele Positionen spielen können", meinte Flick am Montag und betonte, dass Kehrer mit seinen Auftritten "Pluspunkte gesammelt" und sich "festgebissen" habe. Als Rechtsverteidiger. Bei der EM im vergangenen Sommer unter Joachim Löw war Kehrer TV-Zuschauer ("Das hat wehgetan"), auf der Rechtsverteidiger-Position spielte Gladbachs Matthias Ginter, dem er mittlerweile den Rang abgelaufen hat. Kehrer agiert stets solide und verlässlich, macht keine verrückten Dinge, versucht seine Qualitäten im Spiel nach vorne einzubringen.

Kehrer: Jedes Training, jedes Spiel ein Lernprozess bei PSG
Im Training lernt er ja auch jeden Tag dazu. Nicht nur beim DFB, sondern bei seinem Verein PSG, das 2018 rund 40 Millionen Euro Ablösesumme an den FC Schalke überwies. Neymar, Di Maria und seit letztem Sommer Lionel Messi - das Who is Who der Weltstars wurde in Paris versammelt. Superstars, die keine echte Mannschaft bilden. Im Achtelfinale der Champions League ließ man sich von Real Madrid vorführen und eliminieren.

Dennoch: Für Kehrer ist jedes Training, jedes Spiel - in dieser Saison kommt er auf 28 Saisoneinsätze - ein Lernprozess. "Es ist etwas Besonderes, in einer Mannschaft zu spielen, in der so viele große Spieler sind", sagte Kehrer in aller Ruhe, aber ohne jede Ehrfurcht und fügte hinzu: "Aber gleichzeitig bedeutet das auch eine große Konkurrenz. Die nehme ich an und versuche, diese Herausforderung so gut wie möglich zu meistern." Aber wie lange noch?
FC Bayern beschäftigt sich schon seit längerem mit Kehrer
Sein Vertrag in der französischen Hauptstadt läuft im Sommer 2023 aus, aktuell sieht es nicht danach aus, als würde Kehrer verlängern wollen. Der FC Bayern hat sich schon seit längerem mit ihm beschäftigt. Das Problem jedoch: Jeder Spieler, der ein paar Jahre bei PSG verbracht hat, möchte bei einem Wechsel keine Abstriche seines sehr, sehr üppigen Gehalts machen.
Falls die Franzosen noch eine Ablöse für Kehrer erzielen wollen, müssten sie ihn in diesem Sommer verkaufen. Doch der gebürtige Tübinger möchte wenige Monate vor der Winter-WM in Katar nichts riskieren. Außerdem ist ablösefrei die neue "heiße Währung" eines jeden Profis. Eventuell wäre Kehrer 2023 auch für den FC Bayern wieder ein Thema.