The Müller-Show must go on

München - Matthias Sammer hatte mal wieder den besten Blick auf das Geschehen. Der Sportvorstand verfolgte das Training des FC Bayern von der Terrasse der Vereinsanlage aus. Doch er war nicht allein. Sammer hatte einen prominenten Fußball-Voyeur an seiner Seite. DFB-Sportdirektor Hansi Flick! Der war am Dienstag zusammen mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff an der Säbener Straße zu Gast. Und er bekam einiges zu sehen, der Hansi.
Etwa die Thomas-Müller-Show. Ob sich Müller wohl aufgrund des hohen Besuchs so ins Zeug legte, eine kleine Trainingsshow zu liefern? Die prominenten Beobachter sahen jedenfalls wie David Alaba sich ganz weit zurücklehnte und es Müller damit äußerst schwer machte. Alaba hielt nämlich die Enden eines Gummibandes in der Hand, das Müller um den Bauch geschnallt hatte und versuchte, nach vorne zu sprinten. Der erste Teil des Stationentrainings – danach ging’s um ein paar Hütchen zum abschließenden Torschuss. „Und wie viele Tore hast du gemacht?“, frotzelte Alaba seinem Trainingspartner hinterher. „Zwei“, behauptete Müller, bevor Alaba die Unterhaltung mit seinem typischen Wiener Schmäh beendete: „Ah geh, halt die Bappen.“ Sammer und Flick grinsten.
Die Bilder vom Training des FC Bayern
Das Trainingsduo Alaba/Müller hatte sichtlich Spaß, während Franck Ribéry, der sonstige Gute-Laune-Partner des Österreichers, auf dem benachbarten Platz seine Runden drehte. In Abwesenheit des französischen Spaßvogels macht Müller den Alleinunterhalter. Hier ein Spruch, da ein Flachs – Entertainer Müller präsentierte sich in absoluter Topform. Da lässt sich auch der ein oder andere verbale Konter verschmerzen.
Vizekapitän Bastian Schweinsteiger amüsiert sich etwa nach wie vor gerne über Müllers, für einen Fußballer, doch eher dünnen Beinchen und deren bisweilen staksig wirkenden Bewegungsabläufe. „Ich behaupte, dass es nicht viele Spieler gibt, die seine Wege erahnen und seine Ideen verstehen“, sagt Schweinsteiger. Er wisse mittlerweile aber genau, wie Müllers unkonventionelle Laufwege funktionieren: „Dennoch versucht der Hund, mich auszutricksen. Und wenn er es im Training mal schafft, freut er sich wie ein Schnitzel.“
Müller ist kein außergewöhnlicher Techniker, wie Lionel Messi oder Neymar und dennoch in einer Kategorie mit solchen Superstars, was auch in seinem Marktwert von etwa 55 Millionen Ausdruck findet. Der 25-Jährige ist ein Instinktfußballer. Er findet Räume, wo für andere keine sind und ist immer für eine Überraschung gut – auch wenn nicht jede gelingt.
Der Stolper-Freistoßtrick im WM-Achtelfinale lässt grüßen. Müllers Erfolge sprechen für sich: Weltmeister, Champions-League-Sieger, WM-Torschützenkönig. Mit seinem Siegeswillen ist er dazu fähig, eine Mannschaft mitzureißen, ohnehin ist er ein echter Teamplayer. In 189 Bundesligaspielen schoss er 70 Tore und lieferte genauso viele Vorlagen. In dieser Saison hat er zwölf Treffer erzielt – und ebenso viele vorbereitet. Seine Bestmarke von 27 Scorerpunkten dürfte ebenso fallen, wie sein bisheriger Höchstwert von 13 Saisontoren.
DFB-Sportdirektor Flick als Bayern-Kiebitz
Auch beim 4:0 in Bremen lieferte der Offensivspieler zuletzt eine wahre Müller-Show ab – ganz ohne Späße. Naja, fast. Bei seinem Treffer zum 1:0 stellte das Schlitzohr nämlich ein typisches Robben-Tor nach, als er den Ball rechts vor dem Strafraum mit seinem schwachen linken Fuß ins lange Eck schlenzte. Hinterher verwies er süffisant auf ein „altes Gesetz“: „Man sollte mich mit links außerhalb des Strafraums nicht schießen lassen. Das haben die Bremer missachtet.“ Er habe „einfach das gemacht, was zu tun war. Und mein linker Fuß hat mitgespielt.“ Nach seinem Geniestreich bemühte sich Müller um die Pflege der Teamchemie und bereitete noch zwei Treffer für Robert Lewandowski vor – dabei verzichtete er uneigennützig auf den eigenen Torabschluss. Elfmeterschütze Nummer eins ist Müller bereits.
Am Ende des Trainings versuchte er sich beim Freistoß, Alabas Spezialdisziplin. Und? Naja, es blieb beim Versuch. Torhüter Tom Starke hielt seinen Schuss sogar fest. Müller schaute zu Alaba, grinste und sagte: „Ah, das ist mir halt zu weit weg.“ The Müller-Show must go on.