Teil zwei des Interviews mit Christian Nerlinger: "Ich lerne jeden Tag dazu"

Im zweiten Teil des AZ-Interviews spricht Bayerns Sportdirektor über die schwere Nachfolge von Uli Hoeneß, sein Verhältnis zum Trainer– und seine Hoffnungen für das neue Jahr.
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Im zweiten Teil des AZ-Interviews spricht Bayerns Sportdirektor über die schwere Nachfolge von Uli Hoeneß, sein Verhältnis zum Trainer– und seine Hoffnungen für das neue Jahr.

AZ: Sie sind im Sommer 2008 zum FC Bayern gekommen - was sich durch den Beginn der Ära Jürgen Klinsmann nicht als einfacher Einstieg herausstellte, oder?

CHRISTIAN NERLINGER: Schwierig ist es bei Bayern immer nur, wenn man verliert. Ich habe fünf Jahre als Spieler bei Bayern erlebt und hatte nie ein ruhiges Jahr - aber das gehört dazu. Hier ist Feuer unter dem Dach, wenn man verloren hat, dann geht man nicht zur Tagesordnung über. Alles ist dem Erfolg untergeordnet.

Davon gab's reichlich wenig in Ihrem Einstiegsjahr unter Klinsmann.

Er ist gescheitert nach acht Monaten. Ich sehe ihn mehr als Projektmanager. Er ist einer, der Dinge in beratender Funktion sehr gut machen kann. Der Umbau des Trainingsgeländes ist hervorragend geworden, funktional hat er sehr gut gearbeitet. Aber insgesamt hat es einfach nicht gepasst, das wurde sehr schnell deutlich.

Nach dem Interims-Trainer Jupp Heynckes galt es, sich an den Charakter Louis van Gaal zu gewöhnen. Hat er Sie als Jungspund und Job-Neuling sofort akzeptiert?

Bei ihm war das von Beginn an überhaupt nicht so, wir hatten schnell ein sehr enges Verhältnis. Ich respektiere seine Rolle. Meine Philosophie ist es, einen starken Trainer zu haben. Wir haben Spieler mit einer Persönlichkeitsstruktur in der Mannschaft, die einen Trainer wollen, der vorangeht, der das Sagen hat, der absolute Fußballkompetenz hat. Wenn die Mannschaft einen Trainer vor sich stehen hat, von dem sie das Gefühl hat, dass er nur eine Marionette ist, dann würde es schwierig werden.

Es gab schwierige Stunden - Anfang November im rumänischen Cluj, als Präsident Uli Hoeneß dem Trainer vorgeworfen hatte, zu stur und beratungsresistent zu sein.

Uli Hoeneß hat den Verein über 30 Jahre geprägt. Wenn er der Meinung ist, er kommt intern nicht weiter, steht es ihm auch zu, das öffentlich zu sagen. Da habe ich kein Problem damit. Es ist ihm am Herzen gelegen, es hatte sich anscheinend viel angestaut. Aber er will doch nur das Beste für den Verein. Die beiden sind professionell genug, um konstruktiv und respektvoll zusammenzuarbeiten.

Plötzlich standen Sie zwischen den Fronten: Ihr Förderer und Amtsvorgänger Hoeneß auf der einen, der Trainer auf der anderen Seite.

Karl-Heinz Rummenigge hat mit Karl Hopfner ein sehr gutes Krisenmanagement geleistet, vor allem bei den Gesprächen in Cluj, das war essentiell wichtig, danach haben sich Uli Hoeneß und Louis van Gaal die Hand gegeben und in die Augen geschaut.

Und der Trainer zeigte sich zuletzt sogar einsichtig und geläutert.

Louis van Gaal hat immer betont, dass er ein Prozesstrainer ist. Ich glaube, dass er den FC Bayern heute besser denn je versteht und schätzt.

Nun ist die Gewaltenteilung wieder klarer geregelt.

Louis van Gaal muss den FC Bayern nur sportlich erfolgreich machen. Das ist seine Aufgabe – da ist er dafür geeignet wie kein anderer. Um die wirtschaftliche Seite macht er sich auch immer Gedanken - das war bei den Vereinen, bei denen er gearbeitet hat der Fall, vor allem bei Ajax Amsterdam, da herrschte eine andere Denkweise. Jetzt versteht er den Verein, akzeptiert die Umstände und hat den Klub lieb gewonnen. Er soll die Mannschaft weiterentwickeln und Titel gewinnen. Wir haben die Hoffnung, dass unsere Spieler, die jetzt langfristige Verträge bekommen haben, lange mit ihm zusammenarbeiten.

Über das Vertragsende 2012 hinaus?

Die Mannschaft steht hinter van Gaal, auch wenn die Ergebnisse nicht gestimmt haben. Wir haben mit Louis van Gaal einen Trainer, der seinesgleichen sucht - was Persönlichkeitsstruktur und Fachqualität betrifft. Wenn man mit ihm unter vier Augen spricht, sind es sehr fruchtbare Gespräche. Die Richtung, in die wir gehen, passt. Jetzt läuft es hervorragend ab. So kann es ein richtig gutes und langfristiges Erfolgsmodell werden.

Zurück zu Ihnen: Wie sehr haben Sie sich von Uli Hoeneß im vergangenen Jahr abgenabelt?

Die Verhältnisse haben sich verschoben. Im ersten Jahr war ich Teammanager und er noch Manager. Da waren wir jeden Tag im Büro zusammen, auf Reisen, im Hotel. Da gab es täglich einen stundenlangen Austausch. Jetzt sind Rummenigge und Hopfner meine Ansprechpartner, die beiden tauschen sich dann mit Uli aus. Neben seinen Aufgaben als Präsident des FC Bayern ist er ja viel für seine sozialen Projekte unterwegs, das ist bemerkens- und bewundernswert.

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Ich lerne hier immer noch jeden Tag, ich kann mit Hochkarätern zusammenarbeiten, das sind alles Weltklasse-Leute um mich herum. Ich will mich weiterentwickeln und natürlich auch meinen eigenen Input dazu geben.

Letzte Frage: Wären Sie auch mal mit Rang zwei zufrieden?

Warten wir mal ab. Ich traue unserer Mannschaft noch viel zu.

Interview: Gunnar Jans, Patrick Strasser

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