Stoiber im AZ-Interview: "Rummenigges Laufbahn ist einmalig"
München - AZ-Interview mit Edmund Stoiber: Der frühere bayerische Ministerpräsident (78) ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Verwaltungsbeirats beim FC Bayern.
AZ: Herr Stoiber, Karl-Heinz Rummenigge feiert an diesem Freitag seinen 65. Geburtstag. Sie sind beim FC Bayern seit vielen Jahren im Aufsichtsrat und Verwaltungsbeirat tätig und kennen ihn sehr gut. Was wünschen Sie Rummenigge gegen Ende einer so erfolgreichen Karriere?
EDMUND STOIBER: Ich wünsche ihm vor allem, dass er gesund und fit bleibt. Und dass er sich neue Aufgaben sucht im privaten Bereich, öfter mal die Seele baumeln lässt, wenn er Ende 2021 als Vorstandschef des FC Bayern aufhört. Die Voraussetzungen sind für ihn bestens, um in Ruhe und zufrieden Abschied zu nehmen. Er hat sein Karriereende selbst festgelegt. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass solch große Persönlichkeiten wie er aufhören und komplett mit sich im Reinen sind. Aber das ist er und kann es auch sein. Karl-Heinz Rummenigge ist eine der größten Fußballpersönlichkeiten Deutschlands und Europas.
Stoiber adelt Bayern-Boss Rummenigge
Wo ordnen Sie ihn ein in der Historie des FC Bayern?
Neben den zwei anderen Großen des FC Bayern, Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß, gehört Rummenigge in diese höchste Kategorie. Ein wirklich tolles Trio. Er hat als Spieler und Vorstandsvorsitzender alles erreicht, was man erreichen kann. Zweimal war er Europas Fußballer des Jahres, ein prägender, großartiger Spieler des FC Bayern, ab 1991 dann zunächst Vizepräsident und ab 2002 Vorstandschef mit nun zwei Triple-Siegen. Große Fußballer hatte der FC Bayern einige, auch große Fußballer, die große Trainer geworden sind. Aber große Fußballer, die an die Spitze des Vereins vorgestoßen sind, gab es nur ganz wenige. Ich habe es selten erlebt, dass jemand mit einer solchen fußballerischen Vergangenheit einen Verein derart prägen und verändern kann. Der FC Bayern ist zu einer gesellschaftlichen Institution geworden, zu einem der besten Klubs der Welt. Rummenigge hat dazu einen überragenden Beitrag geleistet - als Spieler auf dem Feld, als Vorstandschef auf der Kommandozentrale und ebenso auf der internationalen Bühne. Da kann er wirklich stolz auf sich sein. Eine einmalige Laufbahn. Rummenigge ist einer der Größten in der deutschen und europäischen Fußballgeschichte. Er darf sich auf die Schulter klopfen, dass der FC Bayern heute ein nationales und internationales Aushängeschild ist. Er wird das nicht tun, weil es nicht seine Art ist. Aber er hat allen Grund dazu.

Was ist Rummenigges größte Stärke?
Er ist international vernetzt wie wenige andere im Spitzenfußball. In der European Club Association ECA, deren Vorsitzender er von 2008 bis 2017 war, hat er tolle Arbeit geleistet. Ich war acht Jahre für die EU-Kommissionen Barroso und Juncker in Sonderfunktion in Brüssel tätig und habe erlebt, welches hohe Ansehen Rummenigge auch dort genießt. Er ist eine europäische Größe geworden und hat sich sehr stark für die Einhaltung des Financial Fairplay eingesetzt. Zudem hat er im wirtschaftlichen Bereich große Kompetenzen. Mit dem hochkarätig besetzten Aufsichtsrat des FC Bayern geht er exzellent um. Da werden schon auch mal schwierige Fragen gestellt, was die Finanzen angeht. Ich kann nur sagen: Respekt, wie er das macht! Ich kenne ja viele Vorstände aus Dax-Unternehmen und bin sicher: Rummenigge hat sich so entwickelt, dass er auch in jedem Dax-Unternehmen eine tragende Rolle spielen könnte.
"Der FC Bayern ist bestens aufgestellt für die Zukunft"
Wie ist der FC Bayern für die Zeit nach Rummenigge und Uli Hoeneß aufgestellt?
Rummenigge geht - und alles ist geordnet mit von ihm und Uli Hoeneß ausgewählten Nachfolgern. Die Besonderheit bleibt erhalten: Dass an der Spitze des FC Bayern ehemalige Fußballer stehen mit dem künftigen Vorstandschef Oliver Kahn, einem echten Kaliber, einem überragenden ehemaligen Fußballer. Ich merke ja, wie Rummenigge mit Kahn zusammenarbeitet und ihn auf den Vorsitz vorbereitet. Das wird funktionieren. Die Nachfolge ist ideal geregelt. Mit Kahn sowie Präsident Herbert Hainer und den Vorständen Hasan Salihamidzic, Jan-Christian Dreesen, Andreas Jung und Jörg Wacker ist der Klub bestens aufgestellt für die Zukunft. Das sind Leute, die eine emotionale Bindung zum FC Bayern und in ihrem jeweiligen Bereich große Fähigkeiten haben.
Wie wichtig ist es für den FC Bayern, in diesen komplizierten Zeiten der Corona-Pandemie einen erfahrenen Mann wie Rummenigge als Vorstandschef zu haben?
Die Pandemie hat in der Tat riesige Auswirkungen auf unser Leben, auf die Kitas, Schulen, die Gastronomie, die gesamte Gesellschaft. Ich habe den Zweiten Weltkrieg als kleines Kind miterlebt und muss sagen, dass die Pandemie der größte Einschnitt seit dieser Zeit ist. Auch der FC Bayern ist betroffen. Aber ich glaube, dass der Klub insgesamt gut durch die Krise kommt - nicht zuletzt deshalb, weil der Vorstand um Rummenigge viel Erfahrung hat und weiß, was auf ihn zukommt. Der Klub hat in den vergangenen Monaten außerdem gezeigt, dass er gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Uli Hoeneß hat besondere Verdienste im sozialen Bereich, doch auch Rummenigge hat im Laufe der Jahre immer mehr Wert darauf gelegt. Dass sich der weltbekannte Klub auch für gesellschaftliche Belange einsetzt, ist vorbildlich. Auch die junge Generation um Joshua Kimmich und Leon Goretzka sorgt sich zunehmend um solche Themen. Das unterscheidet Bayern von vielen Klubs in Europa.

Blicken wir noch in die nächsten Jahre: Rummenigge hat gesagt, dass er sich nach seinem Ende bei Bayern nicht bei einem Verband sieht. Würde er aus Ihrer Sicht denn passen als Uefa- oder Fifa-Präsident?
Er könnte diese Ämter auf jeden Fall ausfüllen, ich halte es aber für unwahrscheinlich. Er hat über so viele Jahre so viel Leidenschaft in den Fußball eingebracht, Disziplin und Verantwortung gezeigt. Deshalb glaube ich, dass für ihn das private Leben in den Vordergrund rücken wird. Er hat eine große Familie, ich weiß, wie sehr er an seinen Enkeln hängt. Vielleicht wird er auch wieder öfter in seiner Geburtsstadt Lippstadt sein. In der regenreichsten Stadt Deutschlands, das hat Rummenigge mal selbst gesagt (lacht). Seine Heimat ist aber inzwischen Bayern und München geworden. Das zeigt die Integrationskraft dieses Landes und des Klubs. Ich hoffe, dass das immer so bleibt.
Wie ist Ihre Prognose: Wird David Alaba seinen Vertrag verlängern und Rummenigge damit ein passendes Geburtstagsgeschenk bereiten?
Ich hoffe es. Die Wertschätzung, die Rummenigge Alaba entgegengebracht hat, indem er ihn mit Franz Beckenbauer verglichen hat, könnte ja gar nicht größer sein. Alaba ist ein glänzender Spieler und Mensch, er gehört zum FC Bayern. Er kommt aus der Jugend und hat sich über die Zweite Mannschaft zu den Profis gespielt. Ich kann mich noch erinnern, als er unter Louis van Gaal zum ersten Mal in der Allianz Arena aufgelaufen ist. Es wäre toll, wenn er seine Karriere bei Bayern beenden würde. Und Alaba weiß auch selbst, dass der Verein eine große Zukunft hat, dass der FC Bayern gut durch die Pandemie kommen wird, wahrscheinlich besser als andere Topklubs.