"Stern des Südens": So ist die FC-Bayern-Hymne entstanden

AZ: Herr Astor, jeder Bayern-Fan kennt Sie als Autor und Komponist der unsterblichen Vereinshymne "Stern des Südens". Bei der Veröffentlichung des Songs 1998 waren Sie schon 36 Jahre alt – was war davor bei Ihnen los in Sachen FC Bayern?
WILLY ASTOR: Mein Stadtteil, das Hasenbergl, war rot. Da gab's keinen Sechzger. Mit zwölf oder 13 haben mir meine Eltern für 20 Mark eine Bayern-Fahne gekauft, und dann hab' ich mir für vier Mark einen Stehplatz im Olympiastadion gekauft, neben der Südkurve, zusammen mit einem Freund aus dem Hasenbergl. Witzigerweise war es das Spiel, bei dem Sepp Maier versucht hat, diese Ente zu fangen. Bis dahin hatte ich immer nur am Fernseher mitgezittert und so nun endlich meine Helden zum ersten Mal aus der Nähe gesehen.
Willy Astor: "Mein Verein war der FC Bayern, aber Netzer war der Lieblingsspieler"
Wer waren denn Ihre Helden der Kindheit?
Ich war tatsächlich immer so dieser Mittelfeldler, war Fan von Rainer Zobel und Günther Netzer. Der war ehrlich gesagt mein Lieblingsspieler, obwohl er Gladbacher war. Ich habe immer versucht, Netzer nachzuahmen, habe mir immer genau angeschaut, wie und mit welcher Schusstechnik er die Freistöße geschossen hat. Ich hab' mir auch die Rückennummer zehn auf ein weißes T-Shirt geklebt. Mein Verein war der FC Bayern, aber Netzer war der Lieblingsspieler. Und es war natürlich großartig, ihn viele Jahre später persönlich zu treffen, bei Anlässen wie dem Geburtstag von Franz Beckenbauer. Ich habe ja auf so vielen Veranstaltungen des FC Bayern gespielt: Beckenbauers 65. Geburtstag oder Verabschiedungen von irgendwelchen ranghohen Adidas-Funktionären.
Der Türöffner beim Rekordmeister war wohl der "Stern des Südens", oder?
Ein paar Jahrzehnte nach Maiers Hechtsprung Richtung Ente war ich plötzlich mittendrin im Geschehen: als Komponist vom "Stern", nachdem ich mir mit Stadionsprecher Stefan Lehmann praktisch selbst den Auftrag für eine neue Hymne erteilt hatte. Stefan meinte: "Wir brauchen jetzt mal was Neues!", und dann kam ich ein paar Tage später mit der Komposition. Wiederum ein paar Tage später haben wir uns beim Schuhbeck getroffen, ordentlich was getrunken - und am nächsten Tag den Text vom "Stern" geschrieben. Das war eine glückliche Fügung, dass der Lehmann damals schon Stadionsprecher war, ich war bei Antenne Bayern der Comedy-Autor, und wir beide waren dicke Buddies. So kam eins zum anderen. Ein paar Wochen später sind wir mit dem Moped zum Uli Hoeneß in die Säbener Straße gefahren. Der hat sich das dann angehört, mit der Hand auf den Tisch gehauen und gesagt. "Das machen wir!" Und schon war ich im Boot.
Willy Astor: "Immer wenn's was zu feiern gab, haben's mich eingeladen"
Teil der Bayern-Familie?
Genau. Einer meiner schönsten Auftritte war recht bald nach dem "Stern", da sollte ich auf der Weihnachtsfeier für die Mitarbeiter in einer ganz einfachen Giesinger Boazn spielen. Damals waren es noch nicht so viele Angestellte, vielleicht 80. Karl Hopfner und Franz Beckenbauer waren dabei, aber keine Stars. Das war so eine super Stimmung, so eine herzliche Feier! Später hab' ich auch auf den Weihnachtsfeiern für die Profis gespielt. Immer wenn's was zu feiern gab, haben's mich eingeladen. Das war schon ein Erlebnis. Beim 65. Geburtstag von Beckenbauer – genau in der Zeit der Bewerbung für die Heim-WM 2006 – hat er mich an den Tisch seiner Mutter geführt, ganz ausführlich von der Bewerbung erzählt und gemeint, dass er morgen nach Saudi-Arabien fliegt, um Werbung für uns zu machen. Diese Weihe, als Kabarettist ein Markenbotschafter des FC Bayern zu sein, das war schon groß.
Ihr schönstes Erlebnis mit dem FC Bayern?
Die Meisterfeiern auf dem Rathausbalkon waren natürlich toll. Da hab' ich mit der Akustikgitarre vor 30.000, 40.000 Leuten den "Stern" gespielt – da bist du natürlich naturbreit. Da kriegst du Endorphine... 1999 war ich auf dem Balkon, durfte Ottmar Hitzfeld und Oliver Kahn verabschieden, hab' denen noch so Sonderstrophen in den "Stern" rein gedichtet.
"Wenn er eine Tine heiratet, meldet die sich am Telefon mit ‚Kahn, Tine' ..."
Haben Sie die noch im Kopf?
Beim Kahn kann ich mich nur an eine Sache erinnern: Wenn er eine Tine heiratet, meldet die sich am Telefon mit ‚Kahn, Tine' – da haben die sich total beömmelt. Das war einfach eine total lustige Feier. Das Bier ist geflossen, und Ottmar Hitzfeld hat wieder vor Rührung geweint und mich umarmt, nachdem ich ihn so herzlich bei den Fans verabschiedet hatte. Überhaupt war er einer der herzlichsten Trainer, die ich kennengelernt habe. Jupp Heynckes war auch unfassbar nett, aber Hitzfeld war gleichzeitig eine Persönlichkeit und ein toller Mensch.
Haben Sie mit ihm oder anderen Ex-Bayern noch Kontakt?
Zu Mehmet Scholl zum Beispiel schon. Bei dessen Abschiedsspiel hab' ich in der Allianz Arena gespielt, vor 70.000 Leuten: das größte Publikum, das ich je hatte. Neulich war Bulle Roth wieder bei mir in der Vorstellung, in Bad Wörrishofen. Der hat noch unter Tschik Cajkovski gespielt! Das ist noch ein Mensch Gebliebener, der die Schoten nur so raushaut, den man immer anrufen kann. Auch Paul Breitner ist bei mir im Telefonbuch drin. Er ist mit mir mal ein bisschen rumgefahren, als ich auf der Suche nach einem Haus war. Da hab' ich ihn dann ausgefragt, wie das war, als er 74 im WM-Finale den Elfer geschossen hat, was er mir dann minutiös erklärt hat – da schlägt mir heute noch das Herz bis zum Hals hoch! Das waren halt einfach noch total krasse Typen. Heute gibt es ja so richtige Bayern kaum noch, außer Thomas Müller, der ja ein aussterbender Dinosaurier ist.
Aber der künftige Bayern-Boss, oder?
Das würde ich mir wünschen. Denn dann würde es beim FC Bayern weiter menscheln. Es gibt keine bessere Visitenkarte für die Zukunft als Thomas Müller.
"Uli Hoeneß? In die Altersklasse von Keith Richards wird er schon vordringen"
Und selbst Uli Hoeneß ist ja auch nicht unsterblich...
Wobei: Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher. In die Altersklasse von Keith Richards wird er schon vordringen. Unlängst habe ich ihn wieder in seinem Büro getroffen, als das Bayerische Fernsehen einen "Lebenslinien"-Beitrag über mich gedreht hat (am 3. März im BR zu sehen, am 5. Juli tritt Astor zudem beim Tollwood auf, d. Red.).
Gab es auch weniger schöne Erlebnisse mit den Roten?
Ich war beim Finale 1999 in Barcelona. . .
Das 1:2 gegen ManUnited! Der Albtraum.
Ich war auch danach auf dem Bankett. Das war der Empfang, wo Stefan Effenberg so ausgerastet ist und einer Frau, die ihn gereizt hatte, bis aufs Damen-Klo nachgelaufen ist. Da lagen die Nerven halt blank. Das war ganz, ganz schlimm.
"Der 'Stern' ist ja praktisch der einzige Hit, den ich gelandet habe"
Nun hat Ihr "Stern" ja Konkurrenz bekommen...
Sie spielen ihn ja immer noch nach jedem Heimspiel, was mich jedes Mal diebisch freut. Schön, dass der "Stern" so lange überlebt hat – er ist ja auch schon 27 Jahre alt. Die neue Hymne hab' ich noch nicht gehört. Sie versuchen wohl nun, eine dritte Hymne zu implantieren: der Jonas Kaufmann mit der Südkurve. Hat aber, glaube ich, noch nicht gezündet. Uli Hoeneß hat ja gesagt: "Der 'Stern' ist deswegen so gut, weil es eine richtige Komposition ist." Ich bin happy damit. Der "Stern" ist ja praktisch der einzige Hit, den ich gelandet habe. Den jeder Bayern-Fan auf der ganzen Welt kennt. China, Amerika, Thailand: Jeder kann den "Stern" nachträllern.