Stefan Reuter im AZ-Interview: "Ich beobachte Stanisic schon lange"

AZ-Interview mit Stefan Reuter: Der Geschäftsführer des FC Augsburg spricht in der AZ über Josip Stanisic, den jungen Rechtsverteidiger des nächsten Gegners, Bayern-Schreck Mergim Berisha und über die Gründe, warum Trainer Enrico Maaßen so gut zum "Augsburger Weg" passt.
AZ: Herr Reuter, mit dem souveränen Auftritt am Mittwoch beim Achtelfinal-Rückspiel gegen das Star-Ensemble von Paris Saint-Germain haben die Bayern ganz Fußball-Deutschland begeistert. Sie auch?
STEFAN REUTER: Es war wieder mal beeindruckend, wie die Bayern auftreten und welche Qualität sie im Kader haben.
Frage an den Manager des kommenden Bundesliga-Gegners der Bayern: Kann man sich über so ein internationales Fußballfest überhaupt freuen oder überwiegt da bei Ihnen nicht eher die Sorge vor dem Duell am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im AZ-Liveticker) in München?
Nein, man freut sich natürlich, denn wenn eine deutsche Mannschaft in der Champions League so auftritt und den deutschen Fußball so grandios vertritt, dann ist das super. Und natürlich drück' ich dem FC Bayern jetzt im Viertelfinale kräftig die Daumen.
Da schlägt noch kräftig ihr Bayern-Herz, oder?
Ja, aber auch das Herz für den deutschen Fußball im Allgemeinen. Denn gerade nach dem Ausscheiden von Borussia Dortmund ist es enorm wichtig, dass mindestens ein Bundesliga-Team weiterkommt.
"Der FC Bayern ist eine sehr reife Mannschaft, die weiß, wie man Titel gewinnt"
Dann waren die beiden Champions-League-Spieltage unter der Woche ja eine emotionale Achterbahnfahrt für Sie. Schließlich haben Sie neben einer Bayern- auch eine erfolgreiche BVB-Vergangenheit...
Ja, das stimmt. Aber man sieht eben, dass der FC Bayern eine sehr reife Mannschaft ist, die weiß, wie man Titel gewinnt. Und genau das spürt man in solchen Phasen der Saison.
Zwei Siege aus den letzten vier Bundesligaspielen - wenn man so will, ist der FC Augsburg ein Angstgegner des FC Bayern. Wie fühlt man sich denn als womöglich zukünftiger PSG-Besieger-Bezwinger?
(lacht) Wir sind schon realistisch und wissen, dass die Bayern der haushohe Favorit sind. Und es ist für uns auch schade, dass es gegen Paris kein heiß umkämpftes Spiel war oder dass sie erst nach einer Verlängerung eine Runde weiter gekommen sind. Aber natürlich werden wir - wie immer - versuchen, ihnen das Leben schwerzumachen. Auch wenn das ein Zeitpunkt in der Saison ist, an dem die Bayern in der Regel extrem konzentriert und fokussiert auflaufen. Da ist es natürlich noch mal deutlich schwerer, sie zu schlagen.
"Ich finde es beachtlich, was Stanisic für eine Entwicklung genommen hat"
Wir könnten Ihnen und Ihrem FCA derweil etwas Mut machen. Denn: Nicht Inter Mailand, nicht der FC Barcelona und auch nicht PSG mit Weltmeister Lionel Messi - europaweit haben in dieser Spielzeit bisher nur Borussia Mönchengladbach und eben der FC Augsburg es geschafft, diese Überbayern zu schlagen. Sind Sie stolz, ein Teil dieses ziemlich exklusiven Clubs zu sein?
Jein. Ich habe auch irgendwo gehört, dass der FC Bayern schon seit 2011 nicht mehr in einer Saison zwei Mal gegen denselben Gegner verloren hat. Klar kann man den Bayern schon mal wehtun, aber wir können schon einschätzen, wer klarer Favorit ist.
Welcher Bayern-Profi hat Ihnen denn gegen PSG besonders gut gefallen - oder besser: Wie viel vom ehemaligen Weltklasse-Rechtsverteidiger Stefan Reuter steckt eigentlich in Bayerns Josip Stanisic?
Erstmal finde ich es beachtlich, was Josip für eine Entwicklung genommen hat. Ich beobachte ihn ja schon sehr lange, weil er der gleiche Jahrgang ist wie mein Sohn (Stefan Reuter junior, Anm. d. Red.). Ich freue mich für Josip, dass er in so einem Wahnsinns-Spiel so eine Leistung abruft - das ist außergewöhnlich. Denn über Paris und vor allem Kylian Mbappé brauchen wir ja gar nicht reden - das ist der Spieler schlechthin aktuell.
"Berisha ist ein Stürmer, dem ich die A-Nationalmannschaft zutraue"
Stanisic kommt genauso wie auch Jamal Musiala aus der Bayern-Akademie. Wie sieht da die Situation in der Talentschmiede des FC Augsburg aus?
Es ist unser ganz großes Ziel, unseren eigenen Nachwuchs weiterzuentwickeln. Wir haben in dieser Saison mit Aaron Zehnter auch schon einen jungen Spieler, der sein Bundesliga-Debüt gegeben hat.
Nicht aus der FCA-Jugend hochgezogen und dennoch unverzichtbar ist bei Ihnen Stürmer Mergim Berisha, der auch schon im Hinspiel beim 1:0-Sieg gegen Bayern getroffen hat. Womöglich haben Ihre Augsburger bald erstmals einen deutschen Nationalstürmer im Kader?
Mergim ist ein Stürmer, dem ich die A-Nationalmannschaft zutraue. Es würde mich natürlich sehr freuen, wenn ein Spieler des FC Augsburg für die deutsche Nationalelf aufläuft.
Wie sind Sie auf Bayern-Schreck Berisha aufmerksam geworden?
Mergim ist uns ja schon seit seiner Zeit beim FC Salzburg bekannt und als wir die Chance hatten, ihn von Fenerbahce Istanbul mit Kaufoption auszuleihen, haben wir das gemacht. Nicht nur im Hinspiel gelingt ihm der Siegtreffer, auch sonst hat er schon viele wichtige Tore gemacht und arbeitet für die Mannschaft.
"Wir glauben an die Qualität von Ricardo Peppi"
Die Kaufoption werden Sie nicht verstreichen lassen, oder?
Wir haben ja noch Zeit, aber natürlich werden wir den Termin im Blick haben.
Mit Hilfe dieses "Augsburger Wegs", also Talente frühzeitig zu entdecken, sind Sie auch zu Ihrem Trainer Enrico Maaßen gekommen?
Ja, wir haben mit Enrico Maaßen einen Trainer, der sehr spannend ist, bei ihm ist eine klare Handschrift zu erkennen. Deshalb freuen wir uns sehr, dass er sich für den FCA entschieden hat und dass wir mit ihm einen Drei-Jahres-Vertrag vereinbaren konnten. Dieses Vertrauen rechtfertigt er absolut.
Einmal sind Sie aber dann doch ins Risiko gegangen und haben mit Ricardo Peppi letzte Saison für knapp 13 Millionen Euro einen vermeintlichen Hochkaräter verpflichtet. Aktuell ist der US-Amerikaner nach Holland zum FC Groningen ausgeliehen. Hat er noch eine Zukunft beim FCA?
Natürlich glauben wir an die Qualität von Ricardo. Er ist sicher kein Transfer, der normal ist für den FC Augsburg. Er zeigt jetzt in Groningen eine richtig gute Leistung und hat deshalb natürlich auch eine Perspektive bei uns.