Sportwissenschaftler über Geisterspiele: Vorteil FC Bayern?

München - Inwiefern profitiert der aktuelle Bundesliga-Tabellenführer FC Bayern in Zeiten von Corona von Geisterspielen? "Ohne Zuschauer gewinnt noch häufiger das Team mit dem großen Budget und den teuren Spielern", sagt der Sportwissenschaftler Martin Lames in einem Interview der "Augsburger Allgemeinen".
Unterlegenen Teams geht Fan-Unterstützung ab
Der ohne Zuschauer fehlende Heimvorteil verstärke deshalb die bestehenden Ungleichheiten noch zusätzlich. Dies sei eine große Bedrohung für die Bundesliga, findet der Professor für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der TU München.
Lames: "Es ist nachgewiesen, wie Fans ihr Heimteam stärken, diesen Zusammenhang können wir in der Sportwissenschaft als etabliert betrachten." Unterlegene Teams benötigten diese Extra-Unterstützung, um trotz ihrer geringeren sportlichen Fähigkeiten zu gewinnen", ist der 61-Jährige sicher.
Lames fordert "solidarische und einheitliche Lösung" für die Bundesliga
Zudem warnt Lames vor langfristigen Schäden für die Bundesliga durch die Geisterspiele in der Corona-Pandemie: "Was die finanziellen Unterschiede in der Liga betrifft, sind fehlende Zuschauer fatal."
Der Wissenschaftler empfahl bei einer Wiederöffnung der Stadien für Zuschauer eine einheitliche Lösung, weil er sonst Wettbewerbsnachteile befürchtet: "Es wäre sehr ungerecht und für die Bundesliga auch ungünstig, wenn einzelne Mannschaften von laxeren Corona-Regeln profitieren. Für eine etwaige Öffnung der Stadien für Zuschauer muss eine solidarische und einheitliche Lösung für die gesamte Bundesliga her."
Geisterspiele: Weniger Streitigkeiten, dafür mehr Tore?
Eine Studie aus Österreich kommt zu dem Ergebnis, dass Fußballspieler ohne Anfeuerung durch die Fans auf dem Platz offenbar weniger streitlustig sind - dafür aber torhungriger.
Bei den Geisterspielen des österreichischen Top-Teams Red Bull Salzburg sei die Zahl der Streitigkeiten mit Gegenspielern oder dem Schiedsrichter deutlich gesunken, berichten Wissenschaftler in einer im Fachmagazin "Humanities and Social Sciences Communications" veröffentlichten Studie.
Auch dauerten hitzige Diskussionen und Gezänk zwischen den Beteiligten bei den zehn analysierten Geisterspielen nur insgesamt 27 Minuten, bei den zehn Treffen vor großer Kulisse waren es laut Studie 42 Minuten.