Sportmediziner über Bayern-Sorgenkind: "Davies wird lange brauchen bis zum alten Niveau"

AZ-Interview mit Csaba Losonc: Der 49-jährige Sportmediziner ist als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie am Medicum Rhein-Ahr-Eifel in Sinzig tätig.

AZ: Herr Losonc, Bayerns Linksverteidiger Alphonso Davies fällt seit Mitte Januar wegen einer leichten Herzmuskelentzündung aus, nachdem er zuvor am Coronavirus erkrankt war. Ob die Entzündung eine direkte Corona-Folge ist, kann man wohl nicht zu einhundert Prozent klären - kann man denn die Ausfallzeit genau vorhersagen?
DR. CSABA LOSONC: Ganz genau ist das nicht zu sagen. Es war auf jeden Fall gut, dass die Herzmuskelentzündung bei Davies schnell erkannt wurde und er umgehend aus dem Trainingsbetrieb genommen werden konnte. Er bekommt jetzt ein Antibiotikum und erholt sich. Dabei kommt ihm auch sein Alter zugute, er ist ja erst 21. Davies wird wohl mindestens sechs Wochen brauchen, bis er wieder mit leichtem Training anfangen kann. Es gab aber auch schon Fälle bei Sportlern, die es viel härter erwischt hat, die sogar vier Wochen im Krankenhaus lagen.
"Vielleicht fehlt Davies auch für die restliche Saison"
Davies scheint es den Umständen entsprechend ganz gut zu gehen. Wann wird er denn wieder mit der Mannschaft trainieren und an Spielen teilnehmen können?
Ich rechne damit, dass er vor April nicht mit der Mannschaft trainieren wird. Er hat ja eine ganz wichtige Position bei Bayern, ist fast ein Flügelstürmer, der körperlich immer Höchstleistungen bringen muss. Davies wird lange brauchen, um dieses Niveau wieder zu erreichen. Vielleicht fehlt er auch die ganze restliche Saison.
Im Detail: Was macht eine Herzmuskelentzündung so kompliziert und langwierig?
Der Herzmuskel ist ein Pumpventil. Er verhindert, dass das Blut zirkuliert und sorgt stattdessen dafür, dass es nur in eine Richtung fließt. Wenn der Herzmuskel nun nicht mehr richtig funktioniert oder entzündet ist, kann es zu einer Schädigung der Herzklappen kommen. Und wenn die Herzklappen durchlässig werden, wenn also Blut durch sie wieder zurückfließt, quasi wie gegen eine Einbahnstraße, besteht die Gefahr, dass im Herzen Blutklumpen entstehen. Als Folge können Thrombosen, Lungenembolien oder Schlaganfälle auftreten. Daher muss man es unbedingt ausheilen lassen.
Vor der Rückkehr wartet ein intensiver medizinischer Check
Bevor Davies irgendwann wieder mit intensivem Training beginnt: Welche Untersuchungen stehen bei ihm an?
Es wird nochmal alles ganz genau gecheckt. Er bekommt ein Herzultraschall, da wird die Strömung im Herzen gezeigt. Man kann dafür eine Sonde über die Speiseröhre einführen, um zu erkennen, ob die Klappen dicht sind oder ob es weiter Turbulenzen beziehungsweise Wirbelstürme gibt. Zudem wird ein Laktattest gemacht, der zeigt, wie fit er schon wieder ist.
Zeigt diese spezielle Behandlung von Fußballstars wie Davies auch die Zweiklassenmedizin, die es in Deutschland gibt? Schließlich bekommt nicht jeder Patient eine so umfassende Behandlung.
Auch ein nicht-prominenter oder so privilegierter Patient kann diese Therapie bekommen, aber es würde eben nicht so schnell gehen. Ein Profifußballer erhält die Diagnose nach wenigen Tagen und unzähligen Tests mitgeteilt, ein Hobbysportler eher nach drei Monaten und verschiedenen Arztbesuchen. Die Geschwindigkeit ist bei Diagnostik und Therapie eine andere, deshalb kann man de facto von einer Zweiklassenmedizin sprechen.
"Auch Hobbysportlern rate ich nach einer Corona-Infektion zu einem ärztlichen Check"
Was würden Sie einem Hobbysportler raten, wenn er nach einer Corona-Erkrankung wieder trainieren möchte?
Corona kann gefährlich sein - auch für Spitzensportler. Die meisten Verläufe bei fitten Menschen sind aber mild. Es gibt einen Mechanismus im Körper, der entscheidet, wie stark die Erkrankung ausfällt. Das ist wohl genetisch bedingt. Einem Hobbysportler würde ich empfehlen, sich sehr gründlich durchchecken zu lassen. Jeder kann zu seinem Hausarzt gehen und einen Lungenfunktionstest machen. Wenn das Ergebnis in Ordnung ist, kann man mit etwas weniger Intensität als zuvor wieder starten. Oder man absolviert zusätzlich einen Laktattest. Was man nicht vergessen darf: Der Amateur geht oft mit dem gleichen Ehrgeiz an die Sache ran wie ein Profi - deshalb sollte man den Körper vor der sportlichen Betätigung genau untersuchen lassen.