Interview

Sportfreunde Stiller-Schlagzeuger Flo Weber: FC Bayern muss wieder Talente fördern

Im AZ-Interview spricht Flo Weber, Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller, über sein Faible für Maradona, Gesundungswünsche für den FC Bayern, seinen TSV 1860 und die Heim-EM als Chance für das ganze Land.
von  Thomas Becker
Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger (l.) spielte bei der WM 2006 Schlagzeug mit der Band "Sportfreunde Stiller", während die Fans die Mannschaft feierten.
Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger (l.) spielte bei der WM 2006 Schlagzeug mit der Band "Sportfreunde Stiller", während die Fans die Mannschaft feierten. © DB Marcus Brandt (ddp/Pool)

München - AZ-Interview mit Flo Weber: Der 49-Jährige ist Schlagzeuger der Münchner Band Sportfreunde Stiller und leidenschaftlicher Fußball-Fan. Sein Herz gehört Maradona und dem TSV 1860. Am Mittwochabend (13.03.) stellt Flo Weber sein Buch "Maradona Mío. Mein Leben mit dem Besten" ab 19.30 Uhr (Einlass 18 Uhr) im Vereinsheim in Schwabing vor.

AZ: Herr Weber, "Mein Leben mit dem Besten" heißt der Untertitel Ihres neuen Buches "Maradona Mio". Wie ist nun das Leben ohne den Besten? Was hat sich für Sie mit seinem Tod geändert?
FLO WEBER: Es gibt jetzt einen anderen Besten (lacht). Ohne dass ich mich auf einen festlegen wollen würde. In Deutschland ist für mich aktuell Florian Wirtz der Beste – liegt vielleicht auch am Vornamen. In der letzten Zeit sind ja viele Beste gegangen: Maradona, Pelé, Beckenbauer. Solange die Zeit nach vorne schreitet, werden die Besten immer gehen – aber immer wieder auch Beste kommen.

Maradonas Tod war ja so ein Kennedy-Moment: Wo warst du, als du erfuhrst, dass er tot ist? Wie war's bei Ihnen?
Es war so ein trauriger Abgang! Die letzten Auftritte waren ja schon bemitleidenswert, was schade war. Da hätte ich mir einen Freund an seiner Seite gewünscht, der ihm sagt: "Jetzt führ dich mal nicht so auf!"

Florian Weber (li.), Peter Brugger und Rüdiger Linhof von den Sportfreunden Stiller.
Florian Weber (li.), Peter Brugger und Rüdiger Linhof von den Sportfreunden Stiller. © IMAGO/Barbara Insinger

Flo Weber über Diego Maradona: "Eine schillernde Figur, die zaubern konnte"

Hat er nicht gehabt.
Nein, es gab viele Schulterklopfer und die Familie. Und die hat ihn nicht so leiten können, dass er mit Würde abtreten konnte. Zu alt war er ja nicht, aber bei dem Lebensstil: kein Wunder! Mit ihm ging eine schillernde Figur, die zaubern konnte, die Leute aber auch vor den Kopf stoßen konnte – was aber auch zu diesem ikonischen Status dazu gehört. Zinédine Zidane! Der kam für mich fußballerisch an Maradona heran, brauchte aber auch erstmal einen Kopfstoß, um ganz nach oben zu kommen.

Gesehen haben Sie Maradona erstmals als Achtjähriger, Anfang der 80er auf einem Panini-Bildchen. Wie hat sich Ihre Schwärmerei über die Jahre gewandelt?
Wir wären als Kinder noch mehr durchgedreht ob seiner zauberhaften Art Fußball zu spielen, wenn wir damals schon Social Media gehabt hätten. Wir mussten ja warten, bis endlich mal wieder ein Spiel von ihm anstand. Als Achtjährige waren wir natürlich keine Kicker-Abonnenten, aber es gab dieses legendenhafte Rumoren und eine wachsende Aufmerksamkeit. Zwei, drei Mal im Fernsehen gesehen - sofort die Tricks imitieren! Und der Gedanke: Vielleicht kann einer von uns auch mal so gut werden.

Sportfreunde Stiller-Schlagzeuger hätte sich fast Maradonas Rückennummer tätowieren lassen

Klebt Maradona immer noch an Ihrem Schlagzeug?
Leider nicht. Ich hatte ja die komplette Ausstattung, war dekoriert in argentinischen Fahnen und Farben, Maradona-Figuren, hatte ihn drei, vier Jahre als Kühlergrillfigur vorn auf meiner Bass-Trommel stehen und mich wie in einem Altar eingebettet gefühlt. Peter und Rüde fanden's auch super, trugen auch mal Diego-Shirts - die komplette Argentinien-Welle. Seine Nummer zehn habe ich zig Mal gezeichnet, total perfekt, sogar mit einem Rapidographen.

Die Zehn wollten Sie sich sogar auf den Rücken tätowieren lassen – was der Tätowierer Ihnen verweigerte!
Da habe ich viel drüber nachgedacht – ich glaube, es ist auf alle Fälle besser.

Flo Weber hätte Franz Beckenbauer "ein anderes Ende gewünscht"

Geht Ihre Verehrung so weit, dass Sie irgendwann mal sein Grab aufsuchen werden?
Ich hatte mich mal wegen eines Antrags zur Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft "Die Hand Gottes" informiert, aber keine Antwort bekommen. Eine Pilgerreise ans Grab? Das wäre mir zu hart. Als er 2006 als Fan in Deutschland war, habe ich schon so hingeschielt, ob sich unsere Wege mal kreuzen könnten, was leider nie passiert ist. Dafür habe ich Pelé und den Franz getroffen – die beiden zusammen ergeben vielleicht einen Diego.

Wie sehr hat Sie Beckenbauers Tod berührt?
Ich habe ihn als Spieler ja nicht mehr erlebt, da bin ich zu jung dafür – mein Gott, was für ein Satz! Sein letztes Spiel für den HSV hab' ich gesehen, als er noch das Eigentor geschossen hat. Aber ich habe nicht wahrgenommen, dass er ein genialer Fußballer ist. Später als Trainer: sein Charisma, seine Begeisterungsfähigkeit, aber auch mit welcher Leichtfertigkeit man Fehler begehen kann, die man niemand außer ihm verziehen hätte. Man hätte ihm schon ein anderes Ende gewünscht.

Sportfreunde Stiller-Schlagzeuger:  Bayern muss wieder Talente auf höchster Ebene fördern

Mit welchem Gesichtsausdruck verfolgen Sie als bekennender Löwen-Fan eigentlich die wilden Volten beim FC Bayern in letzter Zeit?
Ich habe meine Radikalität abgelegt, vielleicht ist das Altersmilde. Den konkurrenzbedingten Vergleich mit Peter (Brugger, Webers Bandkollege, d. Red.) als Bayern-Fan gibt es nicht mehr, weil einfach noch eine Liga dazwischen liegt, uns Welten trennen. Aber es ist wunderbar, dass endlich mal ein anderer Klub Meister wird! Eigentlich ist es komplett normal, dass in einem Wettkampf mal ein anderer besser ist. Deswegen verstehe ich nicht, dass jetzt innerhalb eines Jahres der zweite Trainer rausgeschmissen wird, weil man Zweiter und nicht Erster ist. Wie gesund wäre das, auch für die Nationalmannschaft, wenn Bayern viel mehr eigene Talente einsetzen würde! Beispiel Pavlovic: ein wunderbarer Fußballer! Oder Krätzig in Wien! Warum nicht wie unter Louis van Gaal wieder Talente auf höchster Ebene fördern? Den Mut müsste Bayern wieder finden. Auch wenn man dann mal nicht wieder Meister und Pokalsieger wird. Ich wünsche mir da eine Gesundung: Dass man mal vom Thron runter steigt und akzeptiert, dass Leverkusen eine super Mannschaft hat.

Für den TSV 1860 geht es "in den nächsten zwei, drei Jahren in die Zweite Liga"

Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie Ihre Blauen?
Der Trainerwechsel hat ja am Anfang super funktioniert, so dass man aus der Abstiegszone gleich wieder Richtung Champions League schielt. Ich bin sicher, dass es in den nächsten zwei, drei Jahren in die Zweite Liga geht – und dann mal schauen. Aber dieses ewige Hickhack an der Führung! Logisch, dass der Investor nicht einfach aussteigt! Da müssen sie irgendwie mal eine Linie finden, die für alle vertretbar ist.

Schauen wir noch auf die Heim-EM: Wie wird das?
Das wird definitiv super, da bin ich mir sicher.

Das nächste Sommermärchen?
Ja.

Flo Weber über die Heim-EM in Deutschland: "Können annähernd da hinkommen, wie es 2006 war"

Mit dem nächsten Sportfreunde-Song!
Wir haben es damals mit den EM-Zahlen ja auch ausprobiert, auch ein paar Mal gespielt. Bis 2010 ging das noch, danach nicht mehr. Nein, wir haben kein Lied zur EM, aber es fühlt sich total richtig an, was hier im Kulturbereich passiert. Im Gasteig wird es unter Leitung von Albert Ostermaier und Till Hofmann das "Stadion der Träume" geben: Eine Londoner Künstlerin baut auf dem Vorplatz ein hölzernes "Stadion" hin, wo schon vier Wochen vor der EM Veranstaltungen stattfinden: Theater, Bands, auch die Sportfreunde werden Mitte Mai einen Abend kuratieren. Allein das Eröffnungsspiel gegen Schottland! Die Tanks in den Pubs sind gefüllt - das wird super! Wenn das Wetter passt, können wir annähernd da hinkommen, wie es 2006 war. Und ich glaube: Es ist bitternötig, dass die Leute sich wieder vereinen, Arm in Arm da sitzen, miteinander sprechen, auch wenn man bei manchen Themen uneins ist. Das bringt so ein Fußballspiel! Der Sport verbindet. Die Leute lechzen nach dieser positiven Stimmung.

Gerade in diesen Zeiten!
Die Leute wollen Zeichen setzen, dass wir eigentlich eine geeinte, friedliche Gesellschaft sind. Diese politischen Quertreibereien, an denen auch die bayerische Regierung mitzündelt, sind zum Kotzen. Die rechten Parteien: unerträglich und so gefährlich für unsere Gesellschaft. Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, aber wie da gegeneinander gegiftet wird, statt auf eigene Inhalte zu setzen! Noch dazu, wo da draußen ein Krieg herrscht, der, wenn wir nicht mithelfen, auch uns betreffen wird. Wenn die Regierung nicht klipp und klar die Ukraine unterstützt, ist die Demokratie gefährdet.

Sportfreunde Stiller-Schlagzeuger Flo Weber traut der DFB-Elf den Halbfinal-Einzug zu

Nochmal zurück zum Sport: Was trauen Sie der DFB-Elf bei der EM zu?
Ich geh' jetzt mal ganz steil rein und sage: Halbfinale. Ich glaube, dass der Nagelsmann irgendeinen wahnsinnig begreifbaren Plan hat. Als er noch in Hoffenheim war, saß ich mal mit in der Kabine und hab' seine Taktiktafel gesehen: drei Farben, wirklich kompliziert. Aber so spannende Gedanken er hat: Ich glaube, dass er begriffen hat, dass es relativ einfach sein muss. Er hat ziemlich clevere Spieler und muss jetzt die richtige Mischung zwischen Arbeitern und genialen Spielern finden.

Vor der EM steht bei Ihnen Ende Mai ein runder Geburtstag an: die 50. Angst vor großen Zahlen?
Vorerst ist es nur eine Zahl, aber ich merke, dass mein Körper nachlässt. Demnächst steht eine OP an, nach der ich acht Wochen keinen Sport machen darf – das macht mich fertig, egal ob ich 30 oder 70 bin. In meinem Umfeld haben die wenigsten mit der 50 ein Problem, manche sagen dagegen, die 60 schneide schon eher ein. Als wir noch Panini gesammelt haben, war man ja mit 40 schon steinalt.

Flo Weber kickt jeden Dienstag in der SoccaFive in Moosach

Sie haben ja Sport studiert, gekickt, geturnt, sind geschwommen, haben Tennis und Basketball gespielt, mit den Atomic All Stars zwei Mal den AZ-Cup gewonnen. Kicken Sie denn noch?
Jeden Dienstag, in Moosach im SoccaFive, mit einer alten Studententruppe. Ich bin der beste Dampfkessel, den man sich wünschen kann. Wir wollen jetzt auch wieder ein Turnier aufziehen, das Schorsch-Gedächtnis-Turnier, in Erinnerung an unseren früh verstorbenen Team-Käpt'n.

Einem Bayern-Spieler haben Sie einst sogar ein Lied gewidmet: "Ich, Roque". Was macht eigentlich Mister Santa Cruz?
Letzten Sommer habe ich bei einem Benefizspiel am Tegernsee seinen Landsmann Nelson Valdez getroffen und nach Roque gefragt. Sagt der: "Roque ist einer meiner besten Freunde!" Da hab' ich ihm erzählt, dass wir die Band sind, die "Ich, Roque" geschrieben haben. Meint er: "Das ist ein Riesen-Hit in Paraguay! Wir rufen sofort den Roque an!" Der war aber gerade auf Honeymoon mit seiner Frau, konnte nur Grüße schicken und meinte noch: "Ihr müsst in Paraguay auf Tour gehen!" Vier, fünf Lieder haben wir mal auf Spanisch übersetzt und in einer Kneipe gespielt. Vielleicht machen wir das ja mal mit der Tour in Paraguay.

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