Trainer Louis van Gaal brüskiert Franck Ribéry erneut: „Wenn er alleine spielen will, dann muss er Tennis spielen gehen.“ Der Ton wird immer rauer.
MÜNCHEN Tennis ist ein komplexer Sport. Kleiner Ball, großes Feld, komplizierte Technik. Und dann ist da noch dieser Gegner: Spielt nie, wie er soll! Selbst wenn’s die Ehefrau ist und die auch noch gewinnt. Schwierig für einen geborenen Sieger wie Louis van Gaal. Als er unlängst sein Buch „Vision und Biografie“ vorstellte, erzählte Ehefrau Truus vom gemeinsamen Tennis, und man konnte raushören, dass ihr Gatte ein gespaltenes Verhältnis zum weißen Sport hat.
Um so erstaunlicher van Gaals verbaler Vorhand-Winner gegen Franck Ribéry. Vor der Partie gegen St. Pauli schmetterte er ins Sky-Mikro: „Warum müssen wir immer über Ribéry reden? Wenn er alleine spielen will, dann muss er Tennis spielen gehen. Da kann er alleine spielen.“ Abgesehen davon, dass Alleinespielen bei einem Rückschlagspiel so eine Sache ist, lohnt ein Blick auf den bisherigen Spielverlauf.
First Service: 1. Juli 2009. Der Platzhirsch, Publikumsliebling und zweifache Double-Gewinner Ribéry hat eine schwere Auslosung erwischt: Auf den aus Spielersicht pflegeleichten Jürgen Klinsmann und den Intermezzo-Heynckes folgt Louis van Gaal, ein harter Aufschläger, der weder gefühlvolle Volleys noch lange Ballwechsel mag, sondern die Entscheidung sofort sucht. Das wird Ribéry schon beim Warmspielen klar. Witzchen mit Luca Toni verbietet ihm van Gaal wie einem Schulbuben. Ehe sich der Franzose versieht, ist der erste Satz schon weg.
Return Ribéry:
12. September 2009, kurz nach halb fünf. Ein Ribéry-Kunstschlag landet exakt im Eck der Dortmunder Borussia, woraufhin der Franzose den verdutzten Holländer bespringt, als hätte man gerade den Davis Cup gewonnen. Vorteil Franck!
Time!
Sie läuft ihm weg, die Zeit. Ribéry verpasst fast die Hälfte aller Spiele, verletzt sich innerhalb einer Saison an Adduktoren, Wade, Patellasehne, Zehen, Sprunggelenk und zieht sich noch eine Prellung zu. Nach jeder Verletzungspause schließt sich die Phase an, in der van Gaal den feinen Unterschied zwischen „fit“ und „spielfit“ macht, was für Ribéry heißt: zumindest schon mal Aufschlag üben, aber bitteschön ohne Ball! Glatter Satzgewinn für van Gaal, frei nach Brad Gilberts Erfolgsbuch „Winning ugly“: „Hässlich siegen“.
Break Ribéry:
In der Rückrunde trifft er jeden Ball: Slice, Volley-Stopp, Topspin-Lob - es klappt einfach alles. Van Gaal staunt und lässt ihn trotz Rotlichtwirbels weiterwirbeln, bis zum Platzverweis vor dem Grand-Slam-Finale. Dennoch: Advantage Rib!
Dritter Satz.
Wie steht’s eigentlich? Irgendwie unentschieden. Niemand will den Schiedsrichter geben. Die Ballwechsel werden härter und kürzer. „Er hat sich nicht bemüht – schade." 15:0. „Ich war sehr enttäuscht, das aus der Presse zu erfahren.“ 15:15. „Es war wieder Liebe auf das erste Gesicht.“ 30:15. „Ich mache meinen Job, er macht seinen." 30:30. „Es ist ein Mannschaftssport.“ 40:30. „Ich brauche immer den Ball.“ Einstand. „Wenn Ribery so über Hitzfeld spricht, wird das gegen mich gewendet.“ Vorteil Aufschläger. „Mit Hitzfeld habe ich nicht nur über Fußball geredet.“ Einstand. „Ich bin der Trainer, er ist der Spieler.“ Vorteil. „Ribéry ist ein großartiger Künstler, ein Genie.“ Einstand. „Wenn er alleine spielen will, dann muss er Tennis spielen gehen.“ Vorteil van Gaal.
Dieser Vorhand-Kracher war sicher nicht der letzte Ballwechsel dieser Partie. Es riecht nach fünf Sätzen, ohne Tiebreak. Thomas Becker