„Spiel des Jahrtausends“

Die linksrheinische Örtchen Windeck freut sich auf das Gastspiel des FC Bayern. Beim Fünftligisten träumen sie jedoch nicht von der Pokal-Sensation, sondern vom Aufstieg und vom Umzug nach Köln
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Windeck freut sich auf das Gastspiel des FC Bayern
Wolfram Kämpf Windeck freut sich auf das Gastspiel des FC Bayern

Die linksrheinische Örtchen Windeck freut sich auf das Gastspiel des FC Bayern. Beim Fünftligisten träumen sie jedoch nicht von der Pokal-Sensation, sondern vom Aufstieg und vom Umzug nach Köln

WINDECK Der Anfang war bescheiden. Auf einem Einwegtischtuch aus Papier skizzierten Heinz Georg Willmeroth und Franz-Josef Wernze in einem Restaurant in Portugal eine Vision von der Zukunft ihres Heimatvereins. Ein DFB-Pokalspiel gegen den FC Bayern kam in dieser fixen Urlaubsidee nicht vor. Verständlich, denn der Klub aus der 21000-Einwohner-Gemeinde Windeck 70 Kilometer südöstlich von Köln dümpelte damals noch als FC Germania Dattenfeld meilenweit entfernt vom Profifußball in der Kreisliga B Rhein-Sieg.

Gut 15 Jahre und fünf Aufstiege sind seitdem vergangen. Jahre, in denen Willmeroth als Vorsitzender jede Menge Freizeit und Energie und Wernze als Hauptsponsor das nötige Geld in den kleinen Verein investierten und aus ihrer „Germania“ den Fünftligisten TSV Windeck machten.

Ein Juni-Abend in Mainz stellte den vorläufigen Höhepunkt der Windecker Erfolgsgeschichte dar. Die Auslosung der ersten Runde des DFB-Pokals bescherte dem TSV mit Titelverteidiger FC Bayern den wohl spektakulärsten Gegner. „Ich bin noch immer fassungslos", sagte Willmeroth und rang nach Worten. Die Sprachlosigkeit war vor allem der jüngeren Pokalgeschichte der Windecker geschuldet. „Als wir im vergangenen Jahr gegen Schalke 04 gespielt haben, habe ich vom Jahrhundertspiel gesprochen. Was soll ich jetzt sagen? Das ist das Spiel des Jahrtausends.“

Wie schon beim Jahrhundertspiel wird die Windecker Mannschaft um Trainer Heiko Scholz auch das Jahrtausendspiel im Kölner Rhein-Energie-Stadion bestreiten. Doch während damals nur rund 16000 Fans das 0:4 verfolgten, wird die Resonanz nun eine andere Dimension erreichen. Knapp 30000 Karten sind bereits verkauft, 40000 sollen es werden.

Das große Geld sei jedoch bei einem Ausscheiden trotz des eigens für dieses Spiel gewonnenen Trikotsponsors nicht zu verdienen, versichert Wernze. „Nach Abzug der Kosten, Abgaben und des Anteils der Bayern bleibt nicht viel hängen. Damit macht man keine großen Sprünge.“ Anders sähe die Situation bei einem Weiterkommen aus. Doch Wernze weigert sich partout, das Unmögliche für möglich zu halten. „Wir machen uns mit Sicherheit keine Gedanken darüber, was passiert, wenn wir gewinnen.“

Unabhängig vom Ausgang soll das Spiel ein Höhepunkt, aber keineswegs der Schlusspunkt für den TSV Germania sein. In der kommenden Saison peilt der Klub den Regionalligaaufstieg an. Doch beim Sprung in eine höhere Liga bliebe es wohl nicht. Denn statt die heimische Weco-Arena, die trotz der unlängst errichteten 320-Zuschauer-Tribüne eher Sportplatz als Stadion ist, wird den Statuten der Regionalliga kaum gerecht. Ein Umzug ins rechtsrheinische Köln stünde an. Der Sportpark Höhenberg dürfte dann zur ständigen Heimstätte werden. Germania Windeck würde, sofern Fortuna Köln den Aufstieg verpasst, zur Nummer zwei in der Rheinmetropole werden.

Finanzielle Mittel und Kontakte für das Engagement in Köln sind offenbar vorhanden. Wernze pflegt enge Beziehung zum derzeitigen Nutzer des Stadions, SCB Viktoria Köln und zur Führungsriege des 1. FC. Zuletzt richtete er ein hochklassiges Vorbereitungsturnier mit dem AZ Alkmaar, Fenerbahce Istanbul, dem RSC Anderlecht und dem 1. FC Köln aus. Im vergangenen Jahr half Wernze, die Rückkehr des Nationalspielers Lukas Podolski zum FC perfekt zu machen. Auch wenn er seinen Anteil für bescheiden hält: „Meine Beteiligung an diesem Transfer war ein kaufmännisches Investment und machte nur einen Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich aus.“

Auch wenn die Macher von Investitionen dieser Größenordnung in Windeck ein gutes Stück entfernt sind, verfügt der Verein mit seinem 600000-Euro-Etat doch über ein starkes Team. In Mariusz Kukielka (vormals Nürnberg und Cottbus), Markus Kurth (Köln und Duisburg) und Sebastian Schoof (Leverkusen) sind sogar Akteure mit Bundesliga-Erfahrung dabei.

So kommt es nicht von ungefähr, wenn Scholz betont, in den vergangenen Wochen professionell trainiert zu haben. „Die körperlichen Voraussetzungen müssen stimmen“, sagt der gebürtige Sachse, der 1993 als Spieler mit Bayer Leverkusen den Pokal gewann, „denn so eine Partie erleben so kleine Klubs wie wir nur alle 20 Jahre.“ Wenn die Entwicklung in Windeck so weiter geht, könnte Scholz mit dieser Theorie allerdings daneben liegen.

Wolfram Kämpf

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