Souveräner Gruppensieg: Der FC Bayern ist reif für den Henkelpott

München/Barcelona - Barça gegen Bayern 0:3 – so weit, so normal. Weil: mittlerweile Gewohnheit. Auch für Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, der all seine vier Duelle in den Gruppenphasen der vergangenen und der aktuellen Saison gegen den FC Barcelona erfolgreich gestaltet hat. Damit ist der 35-Jährige der einzige Chefcoach in der Champions-League-Historie, der vier Spiele – und damit eins mehr als Tausendsassa-Trainer José Mourinho gegen die Katalanen gewonnen hat. Gibt einen hübschen Eintrag ins Poesiealbum.
Auch nach Abpfiff spielten sich im Camp Nou bemerkenswerteste Szenen ab. Während der Großteil der rund 80.000 Barça-Anhänger schnell die sich bereits im Umbau befindliche Kultstätte verlassen hatte, forderten die Ultras im Unterrang hinter dem Tor die Spieler auf, aus ihren Katakomben zurückzukommen. Gefordert, getan.
Die Dominanz des FC Bayern in den Grupphenphasen ist beeindruckend
Mit hängenden Köpfen und ratlosen Gesichtern stand Robert Lewandowski, Marc-André ter Stegen & Co. vor ihren Fans, die nicht aufhören wollten, ihre soeben aus der Prestigeliga ausgeschiedenen Stars zu beklatschen und zu singen. Bilder wie aus Bundesliga-Stadien, in Spanien kennt man derartige Liebesdemonstrationen nicht.
Drüben in der anderen Spielhälfte absolvierten Bayerns Ersatzspieler unter Anleitung von Fitness-Trainer Holger Broich noch Sprints, wurden dabei von ihren 4.200 mitgereisten Fans, die wegen der üblichen Blocksperre noch verharren mussten, sich die Zeit mit "Oh, wie ist das schön!" vertrieben.
Die Dominanz der Bayern in den Gruppenphasen der Königsklasse ist aber zum Trällern gut. Das 3:0 war der zwölfte Erfolg in einem Vorrundenspiel in Serie, damit blieb man insgesamt zum 33. hintereinander ungeschlagen – zwei Rekorde in der Champions League, die man stetig ausbaut. Zum fünften Mal in Folge gewannen die Münchner ihre Vorrundengruppe, zum 17. Mal insgesamt. Was in der Historie des Wettbewerbs nur einem Klub einmal häufiger gelang: dem FC Barcelona. Ironie des Schicksals für den neuen Favoriten auf den Europa-League-Titel.
Barca-Präsident erklärt FC Bayern zum Titelfavoriten
Deren Präsident Joan Laporta meinte: "Die Bayern haben eine gut zusammengestellte Mannschaft, sehr kraftvoll. Ich würde sagen, sie sind die Besten oder eine der besten Mannschaften Europas." Im Vorjahr am FC Villarreal im Viertelfinale gescheitert – und nun plötzlich Titelfavorit?
"Wir haben schöne Tore geschossen und keinen Torschuss zugelassen, das ist nicht so schlecht", stellte Trainer Julian Nagelsmann fest und resümierte: "Wir haben 15 Punkte in der schwierigsten Gruppe dieser Vorrunde geholt. Wir werden versuchen, die Champions League diese Saison zu gewinnen, dafür müssen wir so weitermachen. Das war der erste Schritt. Aber es müssen noch viele Schritte folgen, um den Titel am Ende der Saison zu gewinnen."
Obwohl die Bayern bereits vor Anpfiff das Achtelfinale erreicht hatten, waren "wir sehr gallig", meinte Nagelsmann, der sich sicher ist: "Die Art und Weise gibt uns Energie." Auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic freute sich über "Intensität gepaart mit Qualität". Das müsse man beibehalten, dann "haben wir eine Chance". Auf was genau, sagte er nicht. Auf den Titel? Sind die Bayern wirklich reif für den Pott?
Trotz namhafter Ausfälle: FC Bayern zieht seinen Stil durch
Auch ohne Nationalkeeper Manuel Neuer, Zweikampf-Monster Lucas Hernández und stetige Ausfälle in der Offensive (diesmal Leroy Sané und Kingsley Coman) ziehen die Bayern in Europa ihren Stil durch, setzen ständig die von Nagelsmann eingeforderten "Zeichen nach innen und außen". Einzig die SSC Neapel überzeugt ähnlich souverän und ebenfalls verlustpunktfrei. Selbst Titelverteidiger Real Madrid strauchelte mit 2:3 in Leipzig, weitere Favoriten wie Paris St.Germain und Manchester City (allesamt weiter) kamen je zwei Mal nicht über ein Remis hinaus.
In seinem Kalender hat Vorstandsboss Oliver Kahn diesen Termin ja bereits dick rot angestrichen: Das Champions-League-Finale in Istanbul am 10. Juni 2023.